Erfahrungsbericht
von Anja S.
Liebe Kristin & Team,
ich möchte mich gerne bei euch von ganzem Herzen für euer wunderschönes Programm bedanken. Es hat mir in einer Situation, die für viele zu den Horrorszenarien zählt, eine zauberhafte, friedliche und (nahezu) schmerzfreie Geburt geschenkt: Ich durfte meine kleine Tochter L. ganz alleine auf dem Gehweg vor dem Eingang der Klinik zur Welt bringen. Dabei haben mir die schönen Bilder, die ihr mir zur Vorbereitung auf eine sanfte Geburt vorgeschlagen habt, sehr geholfen.
Ich habe geübt, zu atmen und den luftigen Vorhang zu sehen, der mit der Frühlingsluft in meinen sicheren Raum hineinweht - ein und aus. Und als ich eines Nachts aufgewacht bin und spürte, dass heute etwas anders ist, da war dieses Bild ganz natürlich da. Es sorgte dafür, dass ich ruhig blieb und mein Atem gleichmäßig.
Die Geburt meiner ersten Tochter musste eingeleitet werden. Für mich war das eine Erfahrung, die mich an meine körperlichen Grenzen brachte und an die ich nicht gerne zurückdenke. Vielleicht dachte ich deswegen, dass ich mir noch viel Zeit lassen kann, denn ich spürte dieses Mal keine Schmerzen, nur Wellen. In der Badewanne bin ich sogar noch eingeschlafen, eingelullt vom wehenden Vorhang in meinem Kopf - ein und aus.
Als ich wieder aufgewacht bin und aus der Wanne stieg, kam mir der Gedanke, dass die Wellen seltsam regelmäßig schienen. Ich konnte gut an meinem Frühlingsbild festhalten, während ich die Zeitabstände mit der App testete und überrascht feststellte: Alle 2 Minuten und noch immer keine Schmerzen? Sogar beim Telefonat mit dem Krankenhaus atmete ich mit dem Vorhang in meiner Vorstellung weiter mit. Die Hebamme war entspannt und der Meinung, es würde noch mehrere Stunden dauern. Weil es aber das zweite Kind war, sollte ich sicherheitshalber zur Kontrolle kommen.
Also rief ich meine Schwägerin an, die auf meine große Tochter aufpassen würde, und weckte meinen Mann. Während er duschte und seine Schuhe putze, wehte der Vorhang weiter und ich atmete den Frühling ein und aus. Ein paar Augenblicke, bevor meine Schwägerin ankam, ergriff die erste heftige Wehe meinen Körper. Für einen kurzen Augenblick war ich verunsichert, dann waren wir auch schon im Auto. Ich merkte, dass ich nicht mehr sitzen konnte, also versuchte ich, einen Platz zwischen Autotür und Kindersitz zu finden.
In diesem Moment realisierte ich, dass ich den Kopf meines Kindes spürte, welches sich seinen Weg in diese Welt bahnte. Der Gedanke an den Vorhang wurde abgelöst durch den Gedanken an die weißen Ledersitze im Auto. Ich kann mich noch erinnern, dass ich immer wieder dachte: Wenn ich das Baby hier bekomme, dann verkaufen wir das Auto nie wieder.
Natürlich stellt man sich die Geburt "perfekt" anders vor. In der perfekten Vorstellung fährt man nicht in Höchstgeschwindigkeit bei Neuschnee über rote Ampeln und hält vor der Notaufnahme. Die Vorstellung, dass der Ehemann ins Gebäude läuft und man alleine zurückbleibt, ist eigentlich genau die, vor der man Angst hat. Für mich war es wunderschön.
Ich stand ganz alleine in der stillen Nacht und wusste, dass mein Mann es nicht mehr rechtzeitig zurückschaffen würde. Ich brauchte ihn aber auch nicht. Mein Körper wusste genau, was er zu tun hatte und mein Geist folgte diesem Instinkt ganz natürlich.
Keine 2,5 Stunden nach der ersten Welle legte ich mich auf den vom Neuschnee bedeckten Boden und brachte in zwei kurz aufeinanderfolgenden Wehen meine kleine Tochter zur Welt. Sie glitt in den Schnee und die Schmerzen hörten augenblicklich auf. I
ch nahm den kleinen warmen Körper in meine Arme und legte ihn auf meinen Bauch. Und da lagen wir, nur sie und ich. Niemand, der auf uns einredete, kein Licht, das uns blendete - nur die dunkle, stille Nacht und die weißen Schneeflocken, die auf uns herabfielen. Das kräftige, rosige Kind auf meinem Bauch gab Geräusche von sich und ich wusste ohne jeden Zweifel, dass es ihm gut ging.
Also erzählte ich L. von der Welt, auf die sie gerade gekommen war, von Eis und Schnee und von ihrem Papa, der gleich kommen würde. Ich werde für immer dankbar sein für diese ersten Minuten vollkommen allein mit meiner Tochter, für meinen Körper, der ganz natürlich das getan hat, wofür er bestimmt ist, und für euch, weil ihr mir geholfen habt, es ihn tun zu lassen.
DANKE, eure Anja