Erfahrungsbericht
von Annika E.

In der Schwangerschaft hatte ich bereits oft und lange Übungswehen. Rund zwei Wochen vor dem ET wusste ich, dass ich keine Lust mehr auf schwanger sein hatte und unser Baby bald kommen würde, das erzählte ich auch meiner Hebamme, die am Montag das letzte Mal vor der Geburt vorbeischaute. Sie massierte meinen Bauch und sofort kamen die Wehen wieder recht zuverlässig. Ich freute mich sehr auf die Geburt. Sie prophezeite mir: am Samstag ist das Baby spätestens da.

In der Nacht von Freitag zu Samstag wurden die zuvor stetig präsenten Wehen zum ersten Mal langanhaltender und intensiver. Ich startete, wie schon einige Male zuvor die Geburtshypnose. Sie half mir immer sehr gut, mich zu entspannen. In den frühen Morgenstunden gingen die Wehen wieder weg. Ich war ein bisschen frustriert, aber durch das positive Mindset, die Entspannungsübungen und meine Affirmationen wie „das Baby kommt, wenn es bereit dazu ist,“ konnte ich das sehr gut einfach so hinnehmen. Ich habe mich treiben lassen und war auch gespannt, was passieren würde.

Am Samstag Nachmittag kamen die Wehen wieder und blieben den ganzen Abend. Ich duschte warm und machte die Bauchmassage, die meine Hebamme mir gezeigt hatte. Auch über Nacht blieben die Wehen konstant und präsent. In dieser Nacht hörte ich die Hypnose für die Eröffnungsphase dauerhaft und fühlte mich ohne auch nicht mehr wohl. Während der Hypnosen visualisierte ich meinen sicheren inneren Ort, eine wunderschöne Holzhütte in einem großen Feld im Spätsommer. Ich zählte herunter, dachte an das sich öffnende Tor und dachte die Worte „weich“ und „weit“. Außerdem atmete ich so gut es ging in den Bauch. Ich dachte nicht, dass es mir besonders gut gelänge, aber als ich einmal etwas aus dem Takt kam und etwas anderes probieren wollte, merkte ich einen drastischen Unterschied und es war sehr unangenehm. Daher wusste ich dann doch, dass es so genau richtig ist.

Ich merkte langsam, wie ich immer mehr zu tun hatte. Das Visualisieren und Atmen war schwere, aber erfüllende Arbeit! Außerhalb der Hypnose hatte ich nichts mit mir anzufangen gewusst, alles war komisch und ich wusste nicht, wohin mit mir. Innerhalb der Hypnose fühlte ich mich sicher und wusste genau, was zu tun ist, ich fühlte mich selbstbewusst und fuhr einfach mein Programm ab. Sehr spannend fand ich, dass die Wehen sich wirklich wie Wellen anfühlten. Ich spürte sie heran nahen, lange bevor ich anders atmen musste und mein Mann davon mitbekam. So konnte ich mich sehr gut darauf einstellen. Innerhalb der Hypnose fühlte es sich an wie eine zwickende Periode in Wellenform.

In der Nacht von Samstag zu Sonntag fuhren wir dann zur Klinik. Ich hatte gespürt, dass die Wehen sehr regelmäßig waren und spürte eine gewisse Unruhe, daher wollte ich hin fahren. Vor Ort führte uns eine nette Hebamme in einen CTG Überwachungsraum. Es wurde ein CTG gezeichnet und mein Mann sagte mir hinterher, er habe schon gewusst, dass ich noch zu ruhig bin, um dort zu bleiben. Die Hebamme sagte, ich dürfe entscheiden, ob sie tasten soll oder nicht. Man merkte, dass sie die Situation sehr gut einschätzen konnte und sie sagte, wir dürfen entscheiden, ob wir da bleiben wollen oder nochmal nach Hause fahren. Ich musste kurz weinen, weil ich wollte, dass die Geburt weiter Fahrt aufnimmt, aber dann besprachen mein Mann und ich, wie toll das eigentlich ist, dass trotz Autofahrt und neuer Umgebung die Wehen immer konstant blieben und es mir weiter gut gehe, dann können wir auch einfach so weiter machen und fahren nochmal nach Hause. Die Hebamme gab mir einen anthroposophischen Schlaftrunk und ein Buscopanzäpfchen mit nach Hause.

Zu Hause schlief ich eine Stunde, anschließend nahm die Geburt langsam aber stetig immer mehr an Fahrt auf. Mein Mann streichelte mich, machte mir kleine Brote und massierte mir mehrere Stunden abwechselnd Bauch, Beine, Füße und Hände. Wir verbrachten den ganzen Tag bei runter gelassenem Rollo und einer kleinen roten Lampe im Schlafzimmer. Gegen Nachmittag wurden die Wellen weiter intensiver. Ich schlief nochmal zwei Stunden und wachte dabei bei jeder Welle wie im Delirium auf. Die Hypnose lief da die ganze Zeit laut.

Um 16:15 ging ich erneut warm duschen. Für mich fühlte es sich so an, als wollte ich kurz danach wieder los fahren. In Wahrheit vergingen weitere drei Stunden. Sie fühlten sich für mich an wie wenige Minuten. Um 19:30 rief mein Mann nochmal im Krankenhaus an. Sie gaben den Tipp, noch den Schichtwechsel abzuwarten. So saß ich dann abfahrbereit auf dem Bett, als plötzlich meine Fruchtblase platzte. Einer der wenigen klaren Gedanken außerhalb der Hypnose an diesem Tag war „oh schade, leider ohne Plopp.“. Es fühlte sich an als hätte jemand ein halbes Glas lauwarmes Wasser in meine Unterhose geschüttet. Bis zur Abfahrt musste ich noch 5 bis 6 mal die Wochenbetteinlage wechseln, weil es so nass war. In dieser Zeit tönte ich schon sehr laut.

Im Auto hatte ich dann das Köpfhörerstirnband und die Schlafmaske wieder auf. Kurz blinzelte ich mal unter der Maske hervor und habe mich sehr gewundert, warum mein Mann sich das eine Ohr zuhält, ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Jetzt können wir wunderbar darüber lachen.
Im Auto musste ich mich auch übergeben, aber ich wusste genau, wo die vorbereitete Tüte ist und musste so nicht weiter darüber nachdenken.

Im Krankenhaus begrüßte uns erneut eine nette Hebamme und brachte uns gleich in den Kreißsaal. Es war ein großer Raum mit riesigem Bett, Sprossenwand, Matten, Geräten und sanftem roten Licht. Ich hockte mich auf das Bett und die für uns zuständige Hebamme kam herein. Um 21:30 startete sie das CTG. Die Messpunkte waren jedoch kaputt oder verrutscht, sodass sie in der halben Stunde, die die Hebamme weg war, kaum etwas aufzeichneten. Im Nachhinein erzählte mein Mann mir, dass er sich da Sorgen gemacht hatte. Durch die Vorbereitung wusste er aber, dass er mich damit nicht behelligen darf. Das sehe ich jetzt als großen Vorteil, sonst hätte ich mir sicher auch direkt Sorgen gemacht und die Geburt wäre ins Stocken geraten.

Als die Hebamme wieder kam, legte sie die Hand an meinen Bauch, um einen Eindruck für die Wehen zu bekommen. Sie fragte auch, ob sie den Muttermund tasten soll. Ich bejahte und sie sagte, er sei bei vier Zentimetern. Sie hockte sich vor mich und gab mir Anleitung beim Atmen, ich musste mich erneut übergeben und sie zückte in Sekundenschnelle eine Tüte. Sie schaute mir ruhig in die Augen und erklärte, dass sie eine PDA für keine schlechte Idee hielte, da ich bereits so lange unter Geburt war und die letzten beiden Nächte bestimmt sehr anstrengend waren. In dem Moment kippte bei mir irgendwie ein Schalter. Ich war sehr laut bei den Wellen und hätte zu dem Zeitpunkt alles akzeptiert. Ich hätte alles gemacht was auch immer vorgeschlagen worden wäre, irgendwie dachte ich - bloß weg. Da schleuderte ich auch das Kopfhörerstirnband mit der Hypnose für die Eröffnungsphase von meinem Kopf. Ich konnte es plötzlich nicht mehr hören! Im Nachhinein ist natürlich klar, dass das die Übergangsphase war. Extrem klassisch und überdeutlich. Ich hatte in dem Moment natürlich keinen blassen Schimmer.

Bis die Anästhesistin kam, dauerte es 15 Minuten. Sie zeigte mir nochmal den Aufklärungsbogen, fragte, ob ich den zu Hause gelesen hätte und gab mir einen Stift zum Unterschreiben. Ich kritzelte nur kurz etwas hin, als ich plötzlich sagen musste „ich muss pressen“. Daraufhin sagte die Hebamme, sie müsse das jetzt nachschauen und musste die Anästhesistin fast aus dem Weg schubsen. Sie zog meine Hose beiseite und sagte ernst „das Kind kommt jetzt!“. Ich lag zu diesem Zeitpunkt auf der Seite und durfte direkt mitschieben. Sehr schnell ist der Kopf draußen und ich durfte ihn tasten. So ein unwirklicher und magischer Moment. Die Hebamme lächelte mich an.

Dann sollte ich nicht zu schnell mitschieben. Es ist wirklich eine tolle Anleitung. Nach insgesamt 4 bis 5 Wehen ist der ganze Körper draußen. Unser Baby wurde 23:07 geboren. Nicht mal eine halbe Stunde nachdem der Muttermund erst 4 Zentimeter geöffnet war. Da habe ich gemerkt, das hat wirklich kaum etwas zu sagen. Sie wurde mir sofort an der Nabelschur auf die nackte Brust gelegt. Ab dieser Sekunde war ich extrem ruhig und seelig. Unser Baby lag ebenfalls ruhig und nass auf mir drauf.

Zu irgendeinem Zeitpunkt waren zwei junge Ärztinnen herein gekommen. Ich wurde für die Nachgeburt angeleitet. Zu irgendeinem Zeitpunkt wurden mir zwei Zugänge in die Hände gelegt, ich habe es nicht mitbekommen, obwohl das etwas war, wovor ich zuvor viel Respekt gehabt hatte. Die Plazenta wurde mir kurz gezeigt und die Hebamme beratschlagte mit der Ärztin, ob sie vollständig sei. Ich verlor viel Blut. Durch umbauen des Bettes und mit einer gerichteten Lampe wurde ich genäht. Im Rest des Raumes war weiter dämmriges Licht. Die Ärztinnen erklärten dabei jeden einzelnen Schritt, aber ich war so glücklich und merkte nichts. Ich sagte immer nur „toll“, „ah super“, „ja so machen wir das“ und grinste. Mein Mann fand das sehr amüsant. Er sagte später, es war so ein drastischer Unterschied zwischen dem lauten und wilden davor, dem urnatürlichen Prozess und dem glücklichen, wachen und seeligen Zustand danach. Er sagte, er hätte die Göttin entdeckt (weil man ja sagt, eine Frau muss sich bei der Geburt wie eine Göttin fühlen).

Es wurde dann entschieden, in den OP zu gehen, um zu schauen, ob die gesamte Plazenta raus ist. Die Hebamme hielt meine Hand und sagte, dass ist nicht so schlimm, unser Baby ist bei meinem Mann und ich konnte sie ja schon eine Stunde kennen lernen. Und genauso fühlte ich mich auch! Ich fühlte mich super toll und wusste das ist alles super so. Ich fühlte mich trotz der medizinischen Situation großartig und wusste, ich hatte etwas ganz besonderes und magisches erlebt, die Geburt eines neuen Menschen.

Letztlich waren wir also gefühlt einmal zum frühestmöglichen Zeitpunkt und zum spätestmöglichen Zeitpunkt in die Klinik gefahren. Der lange Zeitraum dazwischen, der ganze Sonntag, war der Zeitraum meiner Eröffnungsphase gewesen. In dieser Zeit war ich allein zu Hause und wurde durch die Stimme im Ohr, die meinen Geist umsorgte und beruhigte und meinen Mann, der meinen Körper umsorgte, begleitet. So eine lange und wichtige Phase. Ich bin sehr froh, dass wir uns so gut mit dem Kurs darauf vorbereitet haben.

VideoberichteMehr Videoberichte
Journalistin
Nora Imlau22.09.2019
Hebamme
Nina