Erfahrungsbericht
von Jule J.

Vom Loslassen – Ein (nicht nur-) Geburtsbericht

Das konnte ich schon in der Zeit vor meiner Schwangerschaft üben. Als ich dann nach einer für mich langen Wartezeit schwanger wurde, habe ich gelernt: Schwanger werden kann man sich wünschen und sich dafür öffnen – aber ein Kind planen oder bestellen, das geht nicht. Nun durfte ich noch einmal ein Kind tragen. Was für ein Wunder. Was für ein Geschenk.

Den Podcast von Kristin kannte ich schon aus meiner ersten Schwangerschaft im Jahr 2020. In dieser zweiten Schwangerschaft wollte ich das ganze Paket. Deshalb habe ich den Kurs gebucht und mich auch für eine Übungsgruppe angemeldet. Podcast, Kurs, Hypnosen und die Übungsgruppe haben mir so sehr geholfen, in Vorfreude meine Traumgeburt zu visualisieren und gleichzeitig eine vertrauensvolle Haltung der Hingabe einzuüben.

Loslassen mussten wir dann auch unseren Wunsch nach einer Hausgeburt mit der Hebamme, die uns schon bei der ersten Geburt begleitet hatte. Es war keine leichte Entscheidung. Mit der Wahl für die Klinik kamen neue Unsicherheiten dazu. Doch letzten Endes hatten wir über diesen Geburtsort dann einen inneren Frieden. Es sollte sich herausstellen, dass es genau gut und richtig so war.

Dann machte sich mein Sohn auf den Weg. Die Latenzphase zog sich über mehrere Tage in die Länge. Ab ungefähr anderthalb Wochen vor Geburt hatte ich nachts immer wieder Wellen, die ich in Hypnose im rötlichen Licht der Salzlampe in unserem Gästezimmer verbrachte. Nach einigen Stunden flachten die Wellen ab und ich konnte weiterschlafen. Tagsüber spürte ich vermehrt den Druck des Köpfchens nach unten. Mein Körper ließ nach und nach los – Blasen- und Darminhalt, den Schleimpfropf.

Also kam die Nacht der Geburt… wie gewohnt kamen die Wellen. Dieses Mal war aber auch noch das Gefühl eines Stoßes, eines Trittes und etwas mehr Flüssigkeitsabgang dabei. Das war gegen 3.45 Uhr. Ich zog mich wieder zurück. Gegen 4.35 Uhr weckte ich meinen Mann „Ich glaube, wir müssen jetzt los“ … Eine kurze Unsicherheit „Oder soll ich nochmal in die Wanne?“ Und dann wusste ich: „Nein, JETZT. Jetzt müssen wir los“.

Um kurz nach 5 Uhr fuhren wir los. In dieser Aufbruchsphase hatte ich das Gefühl, dass auf einmal alles sehr viel kräftiger und unentspannter wurde. Vor dem Auto ging ich schon fast in den Vierfüßler-Stand und musste mich sehr aufs Atmen konzentrieren, im Auto begann ich laut zu tönen. Mein Mann sagte später, er habe wirklich Angst gehabt, dass das Baby im Auto zur Welt kommen würde. War es der Ortswechsel, der mir ein wenig die Entspannung nahm? Oder wurde es einfach natürlicherweise viel intensiver? Ich weiß es nicht.

Gegen 5.20 Uhr kamen wir bei der Klinik an, gegen 5.35 Uhr waren wir im Kreißsaal. Ich sagte den Hebammen zwar noch, dass ich in die Wanne wolle, wusste aber schon, dass das wohl nichts mehr werden würde. Irgendwie schaffte ich es, mich auszuziehen. Die Hebammen konnten das mobile CTG anschließen und auch wenn ich lieber vor dem Bett aufgestützt weiter mein Becken gekreist hätte, bin ich dann doch aufs Bett geklettert. Dort untersuchte mich die junge Hebamme im Studium. Ich war neun Zentimeter geöffnet und konnte mich nun in meine Lieblingsposition bringen: die Arme aufgestützt auf dem Kopfteil des Bettes, in einer Art Vierfüßlerstand. „Spürst du schon, dass du mitschieben willst?“, wurde ich gefragt. „Nein“, presste ich hervor. Und dann, im nächsten Moment „Aber jetzt“ :).

Eigentlich wollten wir noch erklären, warum ich so ein Stirnband aufhabe, dass wir nicht so viel reden möchten usw. Einige Fragen versuchte ich noch zu beantworten, obwohl ich auch nicht so genau wusste, wann die Geburt zu Hause begonnen hatte. Jetzt ging einfach alles so schnell. Ich spürte das Köpfchen meines Sohnes im Geburtskanal. Ich wusste ganz genau: Dieses Gefühl, dass sich bei der Geburt meines ersten Sohnes sowas von falsch angefühlt hatte: es ist genau richtig. Mein Körper ließ mich laut mittönen. Ich fühlte mich auf eine Weise so stark und gleichzeitig so überwältigt von dieser Urkraft. Es war so intensiv. Die Beschreibung „ein großer Druck“ „eine starke Dehnung“ passen ganz genau auf dieses Gefühl. Man könnte auch sagen „ein heftiger Schmerz“, aber gegen diese Wortwahl hatte ich mich entschieden. Ich weiß noch, dass ich einen Fluch ausstieß und mich dann aber wieder selbst zurückrief „Nein, ich bin positiv. Ich bejahe das, was passiert.“

Mein Mann gab alles, um mich zu unterstützen. Er zog mir warme Socken an, er bot mir zu trinken an, massierte meinen unteren Rücken, ließ mich den Duftanker schnuppern… Von außen sah das sicher sehr witzig aus und wahrscheinlich war es fast etwas viel des Guten. Die Hypnose lief nur noch so nebenbei. Alles, was ich davon noch weiß, ist die wahnsinnig wohltuende vertraute Stimme von Kristin und dieses schöne „Glitzern“. Die Hebammen sagten einige Male „Lass den Po los“ – diese Anweisung kam mir noch von der ersten Geburt bekannt vor und ich konnte nun wirklich LOSLASSEN. Das Wort flüsterte mir auch mein Mann ins Ohr. Ja, es war ein Loslassen. Und ein Geschehenlassen. Denn von meinem Empfinden her tat ich nicht wirklich etwas. Es kam irgendwie einfach nur über mich.

Innerhalb dieser wenigen Minuten platzte dann auch die Fruchtblase. Ich spürte die Kopfgeburt meines Kindes, der Rest des Körpers flutschte hinterher. Und dann lag er einfach da ... „Willst du dein Baby selber nehmen?“ Ja, oh natürlich, das wollte ich. Mein kleiner, perfekter Sohn. Gewollt, erwünscht, erbeten. So ein Wunder! Ich konnte es gar nicht glauben. Es war 6.04 Uhr, ein früher Morgen im Mai. Ich hatte ihn tatsächlich geboren. Ich war ganz überwältigt, als er sich von allein auf meine Brust zubewegte. Ich wurde sehr schnell versorgt. Bei der ersten Geburt hatte ich eine große Menge Blut verloren und das sollte nun vermieden werden. Das mir verabreichte Oxytocin sorgte für eine schnelle Plazenta-Geburt und dann nähte der Arzt meinen Damm-Riss.

Ich lag da, mein Baby an der Brust, die Hypnose zur Wundversorgung auf dem Ohr. Ich hätte mir das erste Bonding anders, ruhiger, intimer gewünscht – aber es war okay. Ich war dankbar und überwältigt von dieser schnellen Geburt. Unserem Sohn ging es hervorragend und auch mir ging es trotz eines erneuten erhöhten Blutverlusts gut.

Nach der Geburt war ich zunächst etwas enttäuscht. Ich hatte mich doch so auf den Prozess der Geburt gefreut, zwei bis vier Stunden wäre ich gern im Kreißsaal gewesen. Die Begeisterung der Menschen über „Wow! So schnell! Wie toll!“ konnte ich nicht teilen. Irgendwie war ich auch gar nicht stolz auf „meine Leistung“, denn gefühlt hatte ich doch gar nichts gemacht. Es war gar nicht so anstrengend gewesen :). Auch hier durfte ich wieder LOSLASSEN üben.

Inzwischen kann ich mit Freude, Dank und Stolz auf die Geburt zurückschauen. Geburt findet nicht nur im Kreißsaal statt, Geburt ist nicht nur die Austrittsphase. Die Geburt unseres Sohnes hat zum großen Teil zu Hause stattgefunden. In vielen Stunden des Rückzugs am sicheren Ort.

Das ganze Leben ist ein Loslassen. Das in Vertrauen tun zu können, ist wirklich ein Geschenk.

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Journalistin
Nora Imlau22.09.2019
Hebamme
Nina