Erfahrungsbericht
von H.

Liebe Kristin,

ich habe länger überlegt, ob ich einen Erfahrungsbericht schreiben soll, da mich meine Geburt überfordert hat und ich deine Methode leider nicht anwenden konnte. Da ihr aber ausdrücklich auch um „kritische“ Geburtsberichte gebeten habt, habe ich mich nun doch dazu entschieden.

Es war meine erste Geburt. Ich habe im zweiten Trimester bei einem Beratungsgespräch mit meiner Nachbetreuungshebamme fürs Wochenbett von deinem Podcast erfahren, aber erst im Mutterschutz angefangen, ihn zu hören. Schon ab den ersten paar Folgen war ich vom Inhalt deines Podcasts überrascht und unheimlich beruhigt. Ich hatte schon immer Angst vor den Schmerzen bei einer Geburt und die Tatsache, dass das gar nicht sein muss, war für mich eine komplette Neuheit.

Alleine nur durch das Anhören der Folgen wurde ich immer zuversichtlicher und teilweise freute ich mich sogar auf die Geburt. Relativ spät in der 36.SSW habe ich mich dann zum Online-Kurs angemeldet und jeden Tag ca. 4-5 Hypnosen geübt. Bis zum Ende war ich mir nicht sicher, ob ich bei meinen Übungen wirklich in den Trancezustand gekommen bin. In den vielen Fragestunden (sehr wertvoll!!) wurde ich aber beruhigt, dass es funktionieren wird.

In den letzten 1,5 Wochen vor der Geburt nahm meine Motivation in der gleichen Intensität weiter zu üben immer mehr ab, auch fühlte ich mich schon gut vorbereitet. Ich übte dann zumindest morgens und abends weiter, hörte auch während meinen Heublumensitzdampfbädern am liebsten die „Hingabe“. Am Tag der Geburt wachte ich um halb 8 Uhr morgens auf und fühlte mich wie immer. Ich ging auf die Toilette und legte mich wieder schlafen.

Zwei Stunden später um halb 10 Uhr morgens wachte ich auf einmal durch ein starkes Ziehen im Unterleib auf. War das gerade eine Welle? Fühlt sich so eine Welle an? Es wird ja oft wie starke Periodenschmerzen beschrieben und das würde passen. Sofort schaute ich auf meine Uhr am Nachttisch, um gegebenenfalls den Abstand zur nächsten Welle zu wissen. Tatsächlich, nach 3 oder 4min hatte ich wieder dieses starke Ziehen.

Ab dann ging es ziemlich schnell, nachdem ich wieder kurz auf die Toilette gegangen war und mir ganz eilig die Zähne geputzt hatte (beides mit Wellen), ging ich zurück ins Schlafzimmer und weckte meinen Freund mit „Es geht los“. Ich legte mich sofort wieder ins Bett und machte mir zuerst die Hypnose „Überraschender Geburtsbeginn“ an, da ich glaubte, das entspräche genau meiner Situation. Ich habe kurz reingehört und dann beschlossen, dass die doch nicht passt und habe dann auf die „Eröffnungsphase“ gewechselt.

Beim Runterzählen kam die nächste Welle und die war schon sehr stark und schmerzhaft, die vorigen konnte ich gerade noch „aushalten“. Ich verkrampfte mich und konnte mich überhaupt nicht auf die Hypnose konzentrieren, der Schmerz war so überwältigend und einnehmend, ich konnte nichts anderes wahrnehmen. Ich machte instinktiv genau das, was ich nicht sollte.

In den nächsten Minuten wurden die Wellen noch unerträglicher, dass ich sie nur mit sehr lautem Tönen überstehen konnte. Mir war egal, wer mich hören würde, ich konnte nicht anders. Mir fiel in den Momenten auch gar nicht mehr die Möglichkeit ein, in den Bauch zu atmen. Ich war nur auf die Wellen fixiert und diese irgendwie zu überstehen. Ich spürte plötzlich auch schon einen Druck, dem mein Körper von selbst nachgab und ich hatte das Gefühl, dass mein Baby jederzeit kommen könnte.

Ich sagte meinem Freund, er solle die Rettung rufen, ich würde es nicht schaffen, sitzend in unserem Auto ins Krankenhaus zu fahren. Zum Glück war die Rettung sehr schnell bei uns, ich konnte weiterhin jede Welle nur mit Tönen und Verkrampfen durchstehen und zweifelte mehrmals daran, dass ich die Geburt überhaupt schaffen würde.

Im Krankenhaus angekommen, wurde ich zuerst in einen Untersuchungsraum geschoben. Der Sanitäter meinte, dass ich im Rettungswagen regelmäßig Wehen im Abstand von 2-3min hatte. Ich gab an, dass ich schon Druck spürte und fragte, ob ich schon pressen könne. Daraufhin (?) wurde ich in einen Kreißsaal gebracht und die Hebamme schaute nach meinem Muttermund. Sie sagte, dass ich vollständig eröffnet sei und sofort pressen könne - eine riesige Erleichterung!

Die Hebamme schlug mir verschiedene Geburtspositionen vor, die ich auch ausprobierte, aber die Positionen (stehend, knieend) waren für mich auch in den Wellenpausen zu anstrengend und ich konnte keine Kräfte sammeln. Auch gab es bei der Geburt keinen Fortschritt, weshalb die Hebamme dann meine Fruchtblase öffnete. Schließlich war die Seitenlage dann die für mich passende Geburtsposition, mein Freund unterstützte mich darin und hielt während den Wellen mein Bein, damit ich mich ganz auf das Pressen konzentrieren konnte.

Auch in dieser Position dauerte es noch viele Wellen - ich wechselte dazwischen noch von der rechten auf die linke Seite – bis ich schließlich meinen Sohn komplett mit einer Welle um 12:54 Uhr gebären konnte. Er kam somit 3,5h nach der ersten Welle auf die Welt. In den ersten Stunden und Tagen musste ich immer wieder an die Geburt und die damit verbundenen Schmerzen denken.

Nie wieder wollte ich eine Geburt erleben, da mich die Schmerzen überrollt hatten und ich sie noch präsent vor meinem inneren Auge hatte. Ich fühlte mich traumatisiert, ich hatte mir die Geburt positiv erhofft. Einerseits war ich sehr stolz auf mich, dass ich die Geburt gemeistert hatte, andererseits war ich total enttäuscht von mir. Wieso konnte ich das Gelernte nicht anwenden? Wieso schaffte ich es nicht in die Hypnose? Wie konnte ich mich so überwältigen lassen?

Nun mit etwas Abstand habe ich eine mögliche Antwort darauf gefunden: Ich bin immer davon ausgegangen, dass meine Geburt mit einer Latenzphase beginnt. Ein „sanfter“ Einstieg in die Wellen und dass ich mit zunehmender Dauer mit den Wellen mitwachse. In meinem Fall war der Einstieg direkt in die Eröffnungsphase, von einem Moment zum nächsten – total unvorbereitet (es hat mich ja aus dem Schlaf gerissen).

Da ich mittlerweile schon die Schmerzen vergessen habe und sie nicht mehr „reproduzieren“ kann, habe ich auch meine Meinung geändert und möchte gerne ein weiteres Kind und eine weitere Geburt erleben. Ich würde mich auch definitiv wieder mit der Friedlichen Geburt vorbereiten, aber zusätzlich meine erste Geburt psychotherapeutisch aufarbeiten. Vielleicht ist mein Erfahrungsbericht hilfreich für Frauen, die auch Sorge haben, den erhofften Effekt nicht erleben zu können. Ich kann sagen, dass die Geburt wirklich ein unfassbares Erlebnis ist, es ist unheimlich faszinierend (jetzt verstehe ich auch Kristins Beschreibung von "existenziell") und trotz meiner negativen Erfahrung würde ich es nicht missen wollen.

Vor allem die mentale Vorbereitung mit der Friedlichen Geburt ist so wichtig, um Vertrauen in sich selbst zu gewinnen. Ich bin davon überzeugt, dass ich ohne diese Vorbereitung meine Angst nicht abbauen hätte können und nicht mit Gelassenheit und Neugier der Geburt gegenüber gestanden wäre. Das regelmäßige Üben der Hypnosen habe ich nach der Geburt sogar vermisst. Ich kann daher guten Gewissens die Friedliche Geburt weiterempfehlen!

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Nora Imlau22.09.2019
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