Erfahrungsbericht
von I.

Freitagabend spüre ich ganz leichte unregelmäßige Kontraktionen. Ganz klassische Übungswellen. Ich nehme ein Bad und sie flachen wie vermutet wieder ab. Den Samstag verbringe ich mit meinem knapp 2-jährigen Sohn draußen: im Sand buddeln, im Wasser planschen, Scheune kehren etc., nachmittags kommt eine Freundin mit ihrem gleichaltrigen Sohn.

Samstagabend spüre ich wieder leichte Kontraktionen. Ich ordne sie erstmal wieder als Übungswellen ein und bin der Überzeugung, dass sie wahrscheinlich auch wieder weggehen, wenn ich mich ins Bett lege. Trotzdem mache ich mir schon mal die Hypnose zur mentalen Förderung des Geburtsbeginns an. Als diese fertig ist, gehe ich zur Hypnose für die Eröffnungsphase über.

Die ganze Nacht über habe ich immer wieder Kontraktionen. In der zweiten Nachthälfte kommen sie mir auch schon recht intensiv vor, sodass ich sie nicht mehr entspannt im Liegen veratmen kann, sondern während der Wellen immer in den Vierfüßlerstand gehe. Danach lege ich mich wieder hin und schlafe kurz ein, bis die Nächste kommt. Die Abstände zwischen den Wellen kommen mir aber noch sehr lang vor. Ich schaue nicht auf die Uhr, um nicht aus der Hypnose raus zu kommen, schätze sie aber auf ca. 30 Minuten.

Aber eigentlich habe ich durch das kurze Einschlafen dazwischen, gar kein Zeitgefühl. Immer noch denkt ein Teil von mir, dass es nur Übungswellen sind und sie vielleicht nochmal abflachen, wenn ich am nächsten Morgen aufstehe und der trubelige Alltag mit einem 23 Monate alten Kind beginnt.

Im Nachhinein völlig unrealistisch bei der Intensität und Regelmäßigkeit der Kontraktionen. Ich nehme diese zwar als intensiv war, dennoch überwiegt das Gefühl von tiefer Bewunderung für meinen Körper. Ich bin beeindruckt von der Kraft, die mit den Wellen durch ihn fährt, sodass ich sogar ein leichtes Zittern verspüre.

Während der ganzen Nacht wende ich die Atemtechnik aus dem Kurs an und empfinde sie als wahren Segen! Unglaublich, da sie mir beim Üben überhaupt nicht gefallen hat und ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie gut tun würde. Ich visualisiere dabei immer eine sich öffnende Blüte und bin damit so konzentriert auf Atmung und Visualisierung, dass die Wellen zwar schmerzhaft, aber absolut gut erträglich sind.

Am nächsten Morgen zeichnet sich schnell ab, dass die Kontraktionen nicht mehr abflachen werden. Mein Mann bringt unseren Sohn runter zu Oma und Opa und organisiert und packt die letzten Dinge. Nachdem er fertig ist, holt er unseren Sohn nochmal nach oben und spielt noch eine Weile hier mit ihm. Ich veratme Welle um Welle auf oder vor dem Sofa, mein Mann streichelt immer wieder meinen Rücken oder gibt mir einen angenehmen Gegendruck im unteren Rücken während der Kontraktionen, dann spielt er wieder weiter mit unserem Sohn. Ich höre dabei weiter die Hypnose und kann mich gut konzentrieren.

Als mein Mann kurz aus dem Zimmer ist und die nächste Welle kommt, knie ich gerade vor dem Sofa. Mein Sohn atmet mit und kommt zu mir und streichelt meinen Rücken. Ich habe Tränen in den Augen vor Rührung und komme auch aus der Hypnose raus. Ich spüre den Schmerz viel deutlicher. Übermannt von der Intensität sage ich meinem Mann kurz darauf, dass er unseren Sohn jetzt wieder zu Oma und Opa bringen soll.

Als er zurück kommt stoppt er die Abstände zwischen den Wellen. Da es nur noch vier Minuten sind, ruft er in der Klinik an. Die Hebamme am Telefon sagt ihm, wir sollen kommen, wenn seine Frau das Gefühl habe, dass sie kommen will. Also packen wir alles ins Auto und fahren los. Auf der ca. 15-minütigen Fahrt habe ich allein vier Wellen. Im Auto fällt es mir sehr schwer, sie zu veratmen und in Hypnose zu bleiben. Es wird immer intensiver. Ich sage, dass ich auf keinen Fall mehr nach Hause fahre, egal was sie dort sagen.

Weitere vier Wellen vom Parkplatz bis zur Geburtsstation im ersten Stock (wirklich kein weiter Weg). Mein Mann hat eine gute Intuition und beschließt, dass wir nicht mehr zur Anmeldung gehen, sondern direkt zum Kreißsaal. Dort angekommen, werden wir von einer sehr netten Hebamme in Empfang genommen. Erstmal soll noch kurz CTG geschrieben werden, Ultraschall gemacht werden und ein Zugang gelegt werden. Ich lasse das CTG über mich ergehen, bewege mich aber immer wieder, um eine Welle zu veratmen.

Auch beim Ultraschall muss ich zwischendurch unterbrechen, um in eine aufrechte Position zu gehen. Leider schaffe ich es bei dem Trubel auch irgendwie nicht mehr, so wirklich in die Hypnose zu finden, auch wenn sie die ganze Zeit auf meinem Kopfhörer mitläuft. Die Hebamme tastet nach meinem Muttermund, sagt den Befund aber nur meinem Mann. So war es mein Wunsch, weil der Befund mich bei meiner ersten Geburt total raus gebracht hat. Zum Glück! Hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst, dass ich erst bei 5 cm Öffnung bin, wäre ich durchgedreht.

Nach der Untersuchung fragt mein Mann die Hebamme, ob ich in die Badewanne kann, weil mir das bei der ersten Geburt in der langen Eröffnungsphase sehr gut getan hatte. Sie sagt, dass der Kreißsaal mit der Geburtswanne leider belegt ist, da gerade schon zwei Geburten im Gange sind. Es gibt aber noch ein normales Badezimmer mit einer gewöhnlichen Badewanne. Diese dürfen wir nutzen. Die Hebamme macht das Wasser an und geht kurz raus. Ich kämpfe mit der Intensität der Wellen und sage zu meinem Mann, dass ich jetzt etwas gegen die Schmerzen brauche. Er verspricht mir, sich darum zu kümmern.

Das Wasser ist erst knöchelhoch, doch ich halte es nicht mehr länger aus und hoffe auf Entspannung durch das warme Wasser. Ich ziehe mich also aus und steige schnell in die Badewanne, das Wasser ist eigentlich noch etwas zu warm, aber das ist mir egal. Die Hebamme kommt wieder und mein Mann sagt ihr, dass ich ein Schmerzmittel möchte. Sie sagt, dass sie die Ärztin holt, damit diese mir einen Zugang legen kann und ich dann Buscopan bekommen kann.

Nach ein bis zwei Kontraktionen in der Badewanne kommt die Hebamme mit der Ärztin zurück. Bei der darauffolgenden Welle fühlt es sich irgendwie anders an mit einem viel stärkeren Druck nach unten. Ich kann quasi nicht anders als etwas mitzuschieben und mir entfährt ein Schrei. Die Hebamme schaut mich erstaunt an und fragt, ob es denn schon so nach unten drücke. Ich jaule nur ein „Jaaaa!". Ich raune meinem Mann nur ein „Wechsel“ zu und er versteht sofort, dass er die Hypnose für die Austrittsphase anmachen soll.

Die Hebamme tastet noch einmal nach dem Muttermund, der nun wohl plötzlich vollständig eröffnet ist. Das muss innerhalb von 20-30 Minuten passiert sein. Die Hebamme sagt mir, dass egal, was sie mir jetzt noch an Schmerzmitteln geben würden, sowieso nicht mehr wirken würde. Das Baby kommt jetzt. Ich kann es irgendwie nicht richtig glauben, mache aber unbeirrt weiter. Es ist mir eigentlich auch egal, dass ich kein Schmerzmittel kriege, eine Info, die einfach nur an mir vorüberzieht.

Die nächsten paar Wellen presse ich ordentlich mit und schreie was das Zeug hält. Das Dehnungsgefühl wird unerträglich stark. Ich ziehe in jeder Welle kräftig an dem Tuch, was über der Wanne hängt, das gibt mir unglaublich viel Halt. Ich wüsste nicht, wie ich es ohne schaffen sollte. Die Hebamme gibt mir konkrete Anweisungen zu Positionswechseln und zur bewussten Entspannung in jeder Pause, um Energie für die nächste Kontraktion zu sammeln. Von der Hypnose nehme ich fast nichts mehr wahr. Ich höre nur immer wieder den Satz: „Du bist eine starke Frau“, der mir Kraft gibt.

Die Ärztin ist ganz erstaunt, dass es jetzt so schnell geht. Ihren Zugang braucht sie jetzt auch nicht mehr legen, daher beobachtet sie einfach das Geschehen und sagt zur Hebamme „Um Himmelswillen, das Kind kommt jetzt hier im Badezimmer.“ Der Ort ist mir vollkommen gleichgültig. Ich fühle mich wohl.

Die Hebamme konzentriert sich darauf, mich mit der Hüfte unter Wasser zu halten, damit das Baby auch wirklich ins Wasser geboren wird. Sie sagt mir, dass ich bei der nächste Welle unbedingt unten bleiben soll mit der Hüfte. Ich frage mich noch, warum das jetzt so wichtig ist, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass jetzt wirklich schon das Baby kommt. Ich taste selbst nach dem Köpfchen und spüre, dass es schon fast da ist. Das motiviert mich.

Ich nehme alle meine Kräfte zusammen und schiebe mit jeder Welle kräftig nach unten mit. Der Kopf wird geboren. Das ist so ein unbeschreibliches und erleichterndes Gefühl. Für mich der schönste Moment an der Geburt (auch schon bei der ersten Geburt). Mit den nächsten beiden Wellen kommt dann auch schon der Körper und sie legen mir meinen Sohn auf den Rücken. Von der Position her geht es nicht anders, weil ich noch im Hirtenstand bin und sie das Kind hinter mir entgegen nehmen und in der Badewanne wenig Platz ist. Erst nach einer kurzen Verschnaufpause kann ich mich aufrichten und sie geben ihn mir zwischen meinen Beinen nach vorne durch.

Endlich liegt er auf meinem Bauch und ich kann das erste Mal unser Baby bewundern. Nach kurzem Bonding tastet die Hebamme den Bauch ab und zieht sanft an der Nabelschnur, um nach der Plazenta zu schauen. Ich schiebe noch zweimal sanft und dann wird die Plazenta geboren. Danach steigen wir aus der Wanne und dürfen uns in ein warmes gemütliches Bett kuscheln und erholen.

Als hinterher mein Dammriss von der Ärztin genäht wird, sagt sie mir, dass ich von den drei Gebärenden, als Letzte kam und als Erste geboren habe. Mein Mann sagt mir, dass es von Ankunft an der Klinik bis das Baby da war nur 40 Minuten waren. Verrückt. Ich hätte es niemals schätzen können, ich hatte überhaupt kein Zeitgefühl.

Ich bin im Nachhinein unglaublich stolz, es doch ohne jegliche Interventionen geschafft zu haben, so hatte ich es mir auch vorher immer vorgestellt und gewünscht, auch wenn ich total offen dafür gewesen wäre und es auch absolut gerechtfertigt finde, sich Unterstützung zu holen, wo man sie braucht. Dennoch bin ich einfach fasziniert von meinem Körper, dass er es auch so geschafft hat.

Auch wenn das Gefühl während der Geburt überwältigend war und ich definitiv Schmerzen gespürt habe, hätte es im Nachhinein nicht besser laufen können. Auch eine Wassergeburt hatte ich nicht explizit gewünscht, fand die Vorstellung aber schon immer wunderschön. Es war also doch irgendwie meine Traumgeburt, auch wenn mich die Schmerzen währenddessen schon etwas überrollt haben. Einfach ein existenzielles Erlebnis, mehr Grenzerfahrung geht glaube ich kaum. Aber auch ein unglaublich schönes Erlebnis.

Interessant fand ich noch im Vergleich zur ersten Geburt, dass ich diesmal viel bewusster die Bewegungen des Babys während des Geburtsprozesses wahrgenommen habe und gefühlt mehr in Verbindung mit ihm stand. Nach den ersten zwei Wochen mit unserem kleinen Schatz, würde ich auch sagen, er ist ein wahnsinnig entspanntes Baby, schläft gerade noch sehr viel und schreit so gut wie nie. Sein Bruder war schon entspannt, aber er legt nochmal eine Nummer drauf und das kann schon auch an der Methode liegen.

Vor allem die regelmäßige Entspannung während der Schwangerschaft könnte dazu beigetragen haben. Das tat mir schon sehr gut, jeden Tag ein bisschen zur Ruhe zu kommen und nur Zeit für mich und das Baby zu haben. Meine Nachsorge-Hebamme hat jetzt schon mehrmals den Satz „Man meint nicht, dass du geboren hast.“ Fallen lassen, weil ich sowas von erholt und energievoll im Wochenbett bin und auch die Heilung und Rückbildung richtig schnell geht. Das hat sicherlich auch etwas mit der bewussten Entspannung zu tun.

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Journalistin
Nora Imlau22.09.2019
Hebamme
Nina