Geburtsbericht von O. am 12.10.2022
Hausgeburt, Wassergeburt, Sternengucker
Vorgeschichte:
Ich schreibe hier über die Geburt meines dritten Kindes. Mein großer Sohn war nach einer abgebrochenen Geburtshausgeburt per Kaiserschnitt im Krankenhaus zur Welt gekommen und hatte wegen Anpassungsstörungen die ersten drei Lebenstage in einem anderen Krankenhaus auf der Neugeborenen-Intensivstation verbracht. Die ganze Geburt über hatte ich eine tolle Begleitung durch meine Hebamme und alle Entscheidungen waren in meinem Einvernehmen getroffen worden. Es war dennoch eine schwierige Geburt, die mich auch nachträglich sehr beschäftigt hatte. Aus diesem Grund setzte ich mich in meiner zweiten Schwangerschaft viel mit der vorherigen Geburt auseinander, arbeitete daran, wieder Vertrauen in meinen Körper zu gewinnen und las mich auch ins Hypnobirthing ein. An meinem Geburtshaus machte ich einen Kurs zu „Geburt und Trance“, der mir gut gefallen hatte und ich stieß auf Kristins Podcast, den ich mir oft anhörte. Ich freundete mich mit dem Gedanken an, auch dieses Kind per Kaiserschnitt und im Krankenhaus zu bekommen, sollte es nötig sein. Mein zweites Kind kam dann aber ganz natürlich im Geburtshaus zur Welt. Wow! An Hypnose dachte ich während der Geburt nicht mehr viel, aber ich war die ganze Geburt über bei mir. Es war ein wahnsinnig schönes Gefühl und versöhnte mich sehr mit der vorherigen Geburt.
Bei Schwangerschaft Nr.3 waren wir inzwischen zurück aufs Land gezogen, kein Geburtshaus in der Nähe. Ob ich nun im Geburtshaus oder zu Hause gebäre, macht keinen großen Unterschied, dachte ich mir und hatte Glück, die einzige Hausgeburtshebamme im Kreis für die Betreuung zu gewinnen.
Da mir Kristins Podcast gefallen hatte, hörte ich wieder rein und fragte dann eine Freundin, die auch den Kurs gemacht hatte, ob der Unterschied so groß sei, dass es sich lohne – sie berichtete nochmal ganz begeistert von ihrer Hausgeburt und wie sehr sie die Hypnosen und Meditationen während der Geburt, aber auch in der Schwangerschaft genossen hatte, und so meldete ich mich an.
Allein für die Schwangerschaft waren die Hypnosen wunderschön und wurden Teil meines täglichen Rituals – wenn die großen Brüder im Kindergarten waren und abends vor dem Schlafengehen. Gerade im trubeligen Familienalltag hatte ich sonst gar keine Pausen.
Die Geburt
Meine anderen Kinder waren kurz vor und kurz nach Termin geboren und so wurde ich bei Nummer Drei langsam ziemlich ungeduldig, als der Termin überschritten wurde. Freitags rief mich noch die Frauenärztin vor ihrem Urlaub an: Der Thrombocyten-Wert sei auffällig niedrig, so sei von einer Hausgeburt abzuraten. Wollte ich den Wert überprüfen, hätte ich ins Krankenhaus gehen sollen, wo sie mich für drei Tage dabehalten hätten, um eine Schwangerschaftsvergiftung auszuschließen.
An sich ist dies ja sinnvoll, nur zeigte ich ansonsten keinerlei Anzeichen.
Die Hebamme konnte dann erst einmal Entwarnung geben, nachdem sie die Werte mit dem Krankenhauspersonal besprochen hatte – zur Not war das Krankenhaus aber auch nur knapp 20 Minuten entfernt.
Die letzte Woche war ich jeden Morgen mit leichten Wellen aufgewacht, jeden Morgen hoffte ich darauf, dass es nun losgehen könne, aber sobald die Kinder aufgewacht waren, ebbten die Wellen wieder ab – na klar! Da die beiden Großen auch nacheinander ziemlich erkältet waren und mein Mann dann auch noch flach lag, war das auch ganz schlau von dem Baby.
An diesem Mittwochmorgen fing es ähnlich an: Ich lag im Bett, redete im Geist mit dem ungeborenen Baby und freute mich darauf, es bald in den Armen halten zu können. Während alle anderen noch schliefen, stand ich auf und tigerte voller Vorfreude durch das Haus, streichelte unseren Kater und schaute mir den Sonnenaufgang an. Zur Einstimmung hörte ich auch die Hypnosen und war mir dieses Mal sicher, dass die Geburt heute richtig losgehen würde.
Um 10:00 Uhr hatte unser Vorschulkind noch einen Termin in der Schule. Ich wartete mit dem Mittleren auf die Oma, die dann beide Jungs zu sich holen wollte (Die Oma schnitt sich an diesem Tag bei uns im Garten noch in die Hand und musste im Krankenhaus genäht werden, aber das ist eine andere Geschichte; Glücklicherweise war ihre Freundin auch dabei und konnte die Kinder mitnehmen und Oma konnte im Anschluss auch direkt nach Hause).
Endlich konnte ich die Kerzen von meinem Blessingway anzünden, was ich in dieser Schwangerschaft zum ersten Mal gemacht hatte. Ich kann es nur empfehlen, so ein schönes Ritual!
Es war ein ganz neues Gefühl, in dem gemütlichen alten Bauernhaus unterwegs zu sein. Ich lief langsam von oben nach unten und suchte mir geeignete Stellen zum Veratmen. Dieses Mal tat es gut, zu gehen und zu stehen. Das Wetter war wunderschön und warm, ein goldener Oktobertag. Zwischendurch ging ich in den Garten und schaute hinüber auf die Nachbarwiese, auf der einige Kühe mit ihren Kälbchen grasten.
Bei jeder Welle ging ich sofort in mich, atmete, freute mich. Die Atmung aus dem Kurs tat dabei richtig gut. Ich hatte das Gefühl, den Muttermund wirklich aktiv mit zu öffnen.
Gegen Mittag wurden die Wellen intensiver und gegen 16 Uhr schaute dann auch die Hebamme vorbei. In der Zwischenzeit hatte mein Mann eine richtige „Geburtslandschaft“ im Wohnzimmer aufgebaut. Wie eine große Spielwiese sah es aus. Vor der Terrassentür hatte er das Sofa ausgeklappt, Malerfolie ausgelegt und noch eine kleine Matratze davor gelegt. Weiter hinten im Raum stand jetzt der ausgeliehene Geburtspool. Seit zwei Wochen hatten wir den alten Schornstein reaktiviert und über Zufälle noch einen gebrauchten Kaminofen erstanden, in dem jetzt ein Feuer flackerte. In diesem heimeligen Wohnzimmer lief ich hin und her und befand den großen Kratzbaum des Katers als super geeignete Wellenstütze.
Als die Hebamme nachschaute, war der Muttermund bereits 5cm offen. Sie ging zunächst wieder. Für mich waren die Wellen super auszuhalten. Zwischendurch legte ich mich jetzt auch auf das aufgeklappt Sofa und schaute nach draußen in die Sonne. Irgendwann wurden die schönen äußeren Eindrücke etwas verschwommen und die Geburt gewann an Fahrt.
Ich entschied mich für das warme, entspannende Wasser im Pool. Bei meiner ersten Geburt hatte ich viel Zeit in der Wanne verbracht, allerdings hatten die Hebammen damals den Eindruck gehabt, dass es im Wasser „nicht richtig weitergehe“. War mir jetzt egal. Meine Konzentration lag nun auch zwischen den Wellen an meinem sicheren Ort. Es wurde ziemlich anstrengend. Trotzdem war es ein gutes Gefühl, zu spüren, wie sich der Muttermund öffnete. Um dieses Gefühl zu verstärken, öffnete ich während der Wellen auch langsam meine Hände. Mein Mann sorgte für warmes Wasser. Berührungen wollte ich sonst keine, auch keinen Anker von ihm (was beim Üben auch nicht gut geklappt hatte – ich habe hinterher lieber alleine geübt). Ich kannte das schon von den vorherigen Geburten: Lasst mich lieber allein – nur der Druck am Kreuzbein darf gerne bleiben.
Die Hebamme kam wieder, ich weiß nicht, wie spät es war, aber es wurde dunkel.
„Wir könnten es ein wenig beschleunigen, indem ich die Fruchtblase öffne“, bot sie an.
Es war ziemlich anstrengend und langsam dachte ich, dass ich keine Lust mehr habe – und fand den Gedanken selber ein bisschen komisch. Ich willigte ein.
Es dauerte nicht lange und die ersten Presswellen setzten ein. Ich hatte auf dieses erlösende Gefühl gewartet, aber irgendwie tat es noch immer etwas weh. Egal, der Druck war stark und ich röhrte wie ein Hirsch. Ich bin sonst eigentlich eher ruhiger und fand meine Steinzeitgeräusche ganz witzig. Die Tatsache, dass ich darüber nachdenken konnte, zeigte mir aber auch, dass ich mich ein wenig ablenkte. Gegen Acht klingelte es an der Tür, während ich erneut brüllte.
„Wollt ihr aufmachen?“, fragte die Hebamme.
„Paketbote!“, presste ich hervor und wartete auf die nächste Welle.
Die Pause zwischen den Presswellen waren ziemlich lang und ich wartete ungeduldig, aber auch ein bisschen ängstlich auf die nächste. Würde es jetzt weitergehen?
„Hör mal auf, so mitbzubrüllen“, riet mir die Hebamme. „Schick deine Kraft lieber mit deinem Atem nach unten. Und jetzt schieb mal zu meinen Fingern!“
Das half mir total. Ich hatte wieder mehr Kraft, gleichzeitig rutschte das Köpfchen immer wieder zurück.
„Ich glaube, wir haben ein Sternengucker-Baby“, sagte die Hebamme.
Ich ging von der tiefen Hocke, bei der mich mein Mann während der Wellen um die Schultern umfasst hatte (super!) in den Vierfüßler. Das Wasser wurde langsam kühler, aber ich wollte nicht raus und ich wollte es nicht wärmer, es war ja alles ziemlich anstrengend.
Im Vierfüßler hielt ich nun die Hände meines Mannes, der vor mir am Pool saß und drückte mein Kinn in den Poolrand (aua! Das spürte ich am nächsten Tag noch. Und eigentlich wollte ich den Unterkiefer doch entspannen!). Ungeduldig tastete ich selber nach dem Köpfchen. Da war etwas!
Bei der nächsten Welle schob ich wieder und hatte das Gefühl, mein Po würde gesprengt werden. Uff. Und wieder fünf Minuten warten.
Zwischen den Presswellen machte ich die Augen nicht mehr richtig auf, döste vor mich hin.
Wieder kam eine Welle.
„Nina, nimm dein Kind! Dein Kind ist da!“, rief die Hebamme. Hä? Ich dachte, ich hätte mich verhört und schaute ungläubig meinen Mann an, bevor ich ins Wasser griff.
Tatsächlich! Ein kleiner, glatter Körper im Wasser! Unglaublich. Ich nahm das winzige Baby an meine Brust, mein Mann und ich stotterten und weinten. Es war so unwirklich und krass und wunderschön.
„Was ist es denn?“, fragte die Hebamme. Ach ja! Wir wollten uns überraschen lassen und hatten das Geschlecht vorher nicht erfahren.
Vorsichtig hob ich die dicke Nabelschnur hoch. Ein kleiner Junge! Jetzt hatten wir drei kleine Jungen! Am 12.10.2022 um 21:30 Uhr wurde O. geboren – und so winzig war er nicht, knapp 3800g!
Weil es wegen des niedrigen Thrombocytenwertes ein erhöhtes Blutungsrisiko gab, schnitt mein Mann sofort die Nabelschnur durch und ich stieg aus dem Pool. Auf dem Bett kam schließlich auch die Plazenta. Die Hebamme untersuchte mich. Ich war leicht gerissen, hatte ein paar Schürfungen, aber mir ging es super. Mein Mann musste beim Nähen assistieren und gab ihr eine Kopfleuchte, weil unsere schummrige Wohnzimmerbeleuchtung nicht mehr hergab. Hehe. Ich glaube, die Hebamme hatte auch ein wenig Spaß daran, die jungen Väter beim Nähen miteinzubinden… Ich hielt unser kleines Baby im Arm. Als die Verletzungen versorgt waren, hatte ich unglaublichen Hunger und stopfte alles Mögliche in mich hinein. Danach bemerkte ich die Müdigkeit. Noch während mein Mann den Pool wieder abbaute, schlief ich neben unserem Baby ein.
Am nächsten Tag kamen die großen Brüder mit Oma und wir aßen Geburtstagskuchen. Das hatten sie schon Wochen vorher vorgeschlagen und ich fand die Idee richtig schön.
Es war eine absolute Traumgeburt! Und tatsächlich fast genau so, wie ich sie mir in der Hypnose zur Traumgeburt auch vorgestellt hatte. Wow! Und auch die Tatsache, dass ich während des Wochenbettes von Anfang an unten auf dem Bettsofa liegen konnte, anstatt in einem Krankenzimmer, dass ich in unseren Garten schauen konnte, dass wir alle zusammen waren, erfüllt mich noch immer mit tiefer Dankbarkeit.
Durch die Sternengucker-Lage hatte die Pressphase länger gedauert, und ich war ziemlich ungeduldig geworden. Als schmerzfrei würde ich die Geburt nicht bezeichnen, aber alle Gefühle waren sehr gut auszuhalten gewesen. Die Intensität hat auch irgendwie zu dem ganzen Prozess gepasst.