Geburtsbericht: J. B. L., 24. Januar 2023
Liebe Kristin,
ich bin gerade in der 23. Woche meiner zweiten Schwangerschaft angekommen und höre immer regelmäßiger wieder Deinen Podcast und Deine Hypnosen (den Zugang hatte ich schon vor einigen Wochen erneuert). Mich plagte lange Zeit fast ein schlechtes Gewissen, dass ich Dir nicht längst einen Geburtsbericht zu meiner ersten Geburt habe zukommen lassen. Inzwischen habe ich durch das Lesen und Hören weiterer Geburtserfahrungen einige Dinge besser verstanden und als Vorbereitung auf meine anstehende zweite Geburt sogar ein großes Bedürfnis, diese erste Erfahrung schriftlich aufzuarbeiten.
Im Schwangerenyoga hat eine Teilnehmerin von Deinem Buch erzählt. Bis dahin hatte ich mich weder mental noch fachlich besonders auf die Geburt meines ersten Kindes vorbereitet. Es stand erst ganz anderes an… Entscheidung für das ungeplante Kind, in dem Zusammenhang Entscheidung für die zu dem Zeitpunkt sehr unzufriedene Partnerschaft, Zusammenzug (in ein unsaniertes Haus mit Plumpsklo und zwei Holzöfen und Baustelle daneben), Kampf gegen den in meinem Berufsfeld (ich bin Orchestermusikerin) automatischen Mutterschutz – ich wollte weiter arbeiten und fand dafür bei meiner Hebamme z.B. keinerlei Verständnis… Mir war allerdings vom positiven Schwangerschaftstest an klar, dass ich einen Abbruch niemals ertragen könnte und dass ich mein immer schon gewünschtes Kind natürlich und auch so natürlich wie möglich zur Welt bringen möchte.
„Friedliche Geburt“ klang nicht so unerreichbar wie „Hypnobirthing“, also konnte ich mich auf die Lektüre einlassen. Ich bin so dankbar für all das Fachwissen, das ich durch Dein Buch bekommen habe. Am Ende war es eigentlich meine einzige fachliche Geburtsvorbereitung neben der „Hebammensprechstunde“, denn es war 2022 zumindest noch so viel Coronaschutz im Geburtsgeschehen vorgeschrieben, dass mein Geburtshaus keinen Gruppenvorbereitungskurs angeboten hat. Und nach einer von zwei Stunden Einzelvorbereitung bei der mir zugeordneten Hebamme, mit der ich bis nach der Geburt einfach auf keine gemeinsame Wellenlänge kam, haben mein Freund und ich beschlossen, dass wir das auch selbst nachlesen können.
In der 25.SSW etwa habe ich mir dann den Zugang zu Deinem Onlinekurs gekauft und angefangen, zum Buch auch mit Deinen Hypnosen und Videos zu arbeiten.
Es stand noch eine weitere nicht ganz einfache Entscheidung an – meine Schwiegereltern hatten mir angeboten, zu ihnen zu kommen für die Zeit der Geburt und des Wochenbettes, da unser Kind Ende Januar zur Welt kommen sollte und wir wirklich recht unwirtliche Umstände zuhause hatten, sowie keinerlei familiäre und auch wenig enge freundschaftliche Unterstützung in der Nähe. Ich habe lange überlegt – gewohnte Umgebung und Geburtshaus oder wundervolle großfamiliäre Fürsorge, dafür aber mindestens 1 Monat ohne Partner, definitiv Krankenhausgeburt und zwar mit mindestens 45 Minuten Fahrtweg bei gutem Wetter (es ist hier die Rede von einem steirischen Bergdorf im Winter), keine Beleghebamme, ambulante Geburt grundsätzlich möglich, da aber nur alle 2-3 Tage ein Kinderarzt in dem KH ist, auch nicht in jedem Fall … Ich habe mich aus Respekt vor dem Unbekannten für die Steiermark entschieden.
Ich habe auch versucht, noch eine Hausgeburtshebamme zu finden, aber die einzige in 150km Umfeld hatte im selben Zeitraum bereits mehrere Geburten angemeldet und musste mir absagen. Also habe ich schweren Herzens das KH kontaktiert und die Krankenkasse und einen Weg organisiert, wie das alles möglichst unkompliziert von statten gehen kann. Die Hebamme, die ich vor Ort für die Nachsorge finden konnte, hat mir Zuversicht gegeben. Zum einen hat sie Teilzeit in eben jenem Krankenhaus gearbeitet und es bestand zumindest die Chance, dass sie auch meine Geburt begleiten würde und vor allem war sie mir schon am Telefon und auch bei unseren ersten Treffen super sympathisch. Das sind die Umstände und die Fragen, durch die Du mich bereits mit Deinem Kurs und Deinen Meditationen begleitet und mir Kraft dafür hast. Ich denke, auch wenn ich nicht jeden Tag eine Hypnose gemacht habe oder oft dabei eingeschlafen bin, haben mir schon allein die Pausen sehr gut getan.
All das Wissen aus Deinem Buch gab mir Sicherheit und eine gewisse Ruhe, auch wenn ich absolut keine Ahnung hatte, was auf mich zukommen würde. Nach ein paar Skizzen kam die Nacht, in der ich mit Hilfe Deiner Vorlage einen Geburtsplan für die Hebamme und einen Geburtsplan für meinen Freund vollendet habe. An diesem Abend hatte ich mir zuvor, dank einer sehr symphyse-befreienden Akkupunkturbehandlung eine ausgiebige und recht beckenöffnende Yogaeinheit gegönnt. Mein Bauch war allerdings so riesig, dass es nach der Yogapraxis wieder vorbei war mit meiner Geschmeidigkeit und ich hatte an dem Abend nicht mal mehr Lust, meinem Freund zum Geburtsplan ein Bild zu senden. Nach einer körperlich fast völlig beschwerdefreien Schwangerschaft war mir nun alles zu viel, zu viel Bauch, zu viel Brust, zu kurze Spaziergänge…
[Beginn Geburtsbericht „geplante Krankenhausgeburt mit Verlegung nach Hause – alles anders als geplant“]
Am nächsten Morgen, zwei Tage vor ET, bin ich ca.8:30 von einem „Knackgefühl“ aufgewacht. Hören konnte ich es nicht, da ich für längst mögliches Schlafvergnügen Oropax drin hatte, aber gefühlt habe ich es gehört, wie meine Fruchtblase geplatzt ist. Ich war erstmal ganz schön aufgeschmissen, weil ich keinen Schritt tun konnte, ohne den wunderschönen Holzfußboden meiner Schwiegereltern zu überfluten, ein Handtuch hatte ich nicht und eigentlich wollte ich nicht sofort das ganze Haus informieren, dass „es jetzt losgeht“.
Als mir der Weg über die Treppe ins eine Etage tiefer gelegene Bad aber doch unmachbar erschien, rief ich nach meiner Schwiegermutter. Die kochte gerade Spinatsuppe und brachte mir mit ihrer unendlichen Ruhe ein Handtuch, fragte, wie ich mich fühle und ging wieder an ihre Sache. Da mein Freund sich knappe 700km entfernt auf unserer Baustelle tummelte, war mein erster Akt, ihn zu informieren, dass er sich wohl auf den Weg machen kann. Sein Handy war aus!!! Nach einer nervenaufreibenden Stunde, in der ich die Hoffnung auf sein Miterleben der Geburt innerlich schon irgendwie minimiert hatte, habe ich ihn erreicht und konnte mich endlich auf mich konzentrieren.
Nach dieser Stunde fühlte ich auch auf der Toilette zum ersten Mal etwas, was garnicht so angenehm und mir neu war. Meine erste Wehe. Ich ging, immernoch nur mit dem großen Handtuch umwickelt zu meiner Schwiegermutter in die Küche und bekam einen Teller Spinatsuppe. Ich erwähne das schon wieder, weil ich mich nicht erinnere, an dem Tag nochmal etwas gegessen zu haben und ich glaube, sie hatte das Rezept von Popeye persönlich! Die werde ich mir auf jeden Fall vor meiner nächsten Geburt kochen 🙂 Schon bald kamen die Wellen etwas häufiger (vielleicht im 10 Minuten Abstand, das weiß ich tatsächlich nicht mehr so genau). Ich habe die Hebamme kontaktiert, um herauszufinden, ob sie Dienst hat. Leider musste sie mir sagen, dass sie mit Fieber im Bett liegt, noch eine innerer Abschied einer lieben möglichen Geburtsbegleitung…
Ins Bett habe ich mich dann auch erstmal begeben, um noch so lange wie möglich zu entspannen. Ich weiß nicht mehr, ob ich da schon eine Hypnose von Dir angemacht habe, ich denke nicht. Sicher habe ich aber versucht, den weichen sich öffnenden Muttermund zu visualisieren und Deine Atemtechnik anzuwenden. Im Bett hat es mich garnicht so lang gehalten, da die Frequenz und die Schmerzen rasch zunahmen. Ich wollte auf keinen Fall zu früh in die Klinik und am Ende wieder heimfahren müssen bei den langen Wegen. In meinem Kopf war hängen geblieben, dass Badewannen entspannen und man sich, wenn dort die Wehen in ca. 5 Minuten Abstand kommen, auf den Weg machen kann. Dass das bei einer bereits geplatzten Blase nur die halbe Wahrheit ist, war mir entweder nie untergekommen oder in einem Loch gelandet, eine Freundin hat später herzlich gelacht über mich und meine Verwunderung über den darauf folgenden Geburtsverlauf…
Ich habe mir mit Bluetoothbox deine Hypnose für die Eröffnungsphase neben die Wanne gestellt. Die Akkus der In Ear Kopfhörer, die ich mir aus Sorge vor Kommentaren der KH-Hebammen doch besorgt hatte, wollte ich schonen. Und so habe ich, wie ich hinterher am Stopp auf der Timeline sah mit Deiner Hilfe relativ entspannt 3,5h Eröffnungsphase durchlebt. Ich sage relativ, denn mir kamen die Schmerzen erträglich vor und die Zeit viel kürzer. Relativ aber auch, denn wenn tatsächlich einmal meine Wellen zur selben Zeit kamen wie Dein direkter Wellenbegleitkommentar (ich weiß nicht mehr genau, was Du da sagst und habe mich noch nicht getraut, es wieder anzuhören), ich schwöre, ich hätte die Bluetoothbox an die Wand geschmissen, wäre ich nur rangekommen! 😀
Trotzdem dachte ich die ganze Zeit – das geht doch, das schaffe ich. Ab und an ließ ich mir warmes Wasser nachgießen, sonst war ich für mich. Ich habe die Wellen nicht getrackt, sondern, als ich mich das zweite Mal gefragt habe, ob der Moment, ins KH zu fahren, gekommen sei, kurzerhand nach einem Handtuch gerufen. Dann bin ich aus der Wanne und habe erst kürzlich in Deinem Podcast den Namen für das Unwetter erfahren, das auf mich hereinbrach – ich denke, ich bekam einen Wehensturm. (Meine Freundin im Nachgang: „Nach einem Blasensprung geht man nicht!!! mehr in die Wanne!“) Die erste Welle kam, da war ich noch nicht ganz abgetrocknet, in einer Heftigkeit, die mich schreiend in die Knie zwang und die auch sofort von einem Pressdrang begleitet war. Und die nächste kam nach maximal einer Minute, eher weniger. Ich sah mich eigentlich nicht mehr in der Lage, mich überhaupt zu bekleiden, geschweige denn 45 Minuten ins KH zu fahren.
Das nächste was ich hörte, war ein super nervöser Schwiegervater vor der Badezimmertür, mit den Worten „Wie kann man nur so lange warten!?“. In dem Moment, habe ich im Nachhinein begriffen, war es mit meinem Bei-Mir-Sein vorbei. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, Angst, ob er die Fahrt schafft, ach und einen nicht abebbenden Wehensturm, den ich auch in einer Lautstärke begleitete, die ich mir nie hätte träumen lassen. Ich bin irgendwie ins Auto gekommen. Vor lauter Decken und Handtücher, die meine umsichtige Schwiegermutter vorsorglich eingepackt hatte, war gefühlt kaum noch Platz für mich.
Beim Start schon rief sie im Kreißsaal an, um mich anzumelden. Die haben mich im Hintergrund gehört und uns empfohlen, auch die Rettung zu informieren, damit sie uns entgegenkommen und ggf. die Geburt unterwegs begleiten können. Die Rettung wiederum wollte gern mit mir sprechen. Das hat nicht geklappt. Nach einem reichlichen Kilometer sind wir also auf deren Geheiß umgekehrt und zurück nachhause gefahren. Ich hab mich ins im Erdgeschoss befindliche Arbeitszimmer meiner Schwiegermutter (sie ist Kinesiologin und hat einen kleinen Raum mit Couch und Liege – perfekt für eine Hausgeburt 🙂 ) geschleppt und beschlossen, wie auch laut erklärt, dass ich NIRGENDWO mehr hingehe und ich wollte auch nichts mehr hören, von niemandem. Ich hatte mir doch eine friedliche und vor allem ruhige Geburt gewünscht.
Nach kurzer Zeit kam eine Frau mit Notfallkoffer – die lokale „First Responder“. Sie haben da in den Bergen so ein Ersthelfersystem. Sie roch nach Zigarette und wirkte nervös, ich habe sie gefragt, ob sie Kinder hat und sie hat das bejaht. Das hat mich irgendwie sicherer fühlen und den Geruch ertragen lassen. Sie hat mein Vertrauen vollends gewonnen, als sie mir irgendwann vorschlug, doch die Position zu wechseln, denn auf der Couch sitzend und voll bekleidet kann sie sich nicht vorstellen, dass das Kind einen Weg nach draußen findet (die Couch war so nah an der Tür, dass ich mich bei jeder Welle an der Klinke festklammern konnte und dazwischen sitzen). Das hab ich in all meiner Abschottung eingesehen, vielleicht sogar gelacht, jedenfalls muss ich immer sehr lachen, wenn ich es erzähle.
Sie hat mich damit aus einer Starre befreit und ich werde ihr dafür für immer dankbar sein. Ich habe auch versucht, meinen Freund zu informieren, dass wir doch zuhause sind, habe aber hinterher erfahren, dass ich nur eine eher besorgniserregende Nachricht mit seinem Namen und drei Punkten dahinter gesendet habe, also ganz „wach“ war ich wohl nicht, auch wenn ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, in Hypnose zu sein. Tatsächlich weiß ich nach wie vor nicht, wie sich das anfühlen soll, ich bin schrecklich verkopft und hatte stets Zweifel, ob ich das lernen kann. Ich denke, durch die Nervosität um mich herum war ich dazu auch mit meinen psychischen Voraussetzungen einfach nicht in der Lage, egal wie ich mich mit deinem Kurs vorbereitet hätte (ich bin generell eher ein Dauerseismograph für andere als für mich selbst).
Nervös war nämlich nicht nur mein Schwiegervater. Nach kurzer Zeit folgten auf die Ersthelferin zwei Rettungssanitäter, die beide noch nie eine Geburt erlebt haben und erstmal ihre Koffer voller Spritzen und Pillen auf dem Boden ausbreiteten. Der Raum ist nicht groß, in meiner Erinnerung war der ganze Raum rettungs-orange und voller Spritzen. Dann kam ein slowenischer Notarzt, der Narkosearzt war und Geburten nur aus Krisen kannte mit seinem Fahrer – Rettungssanitäter. Alle waren irgendwie ratlos und wollten mich in den Rettungswagen bringen, um mich besser „versorgen“ zu können. Ich sah nur Wehenhemmer und Kanülen und eine lange Fahrt vor mir und habe wieder erklärt, nirgendwohin zu gehen. Die beiden jungen Sanitäter haben daraufhin dem Arzt gesagt, dass sie dann garnichts machen können, wenn ich nicht will. Sie holten ihre Studienkärtchen zum Thema Geburt heraus und begannen, sich das irgendwann Gelernte ins Gedächtnis zu rufen (das wissen wir, weil sie eine der Karten vergessen haben und meine Schwiegermutter einen der beiden kurz darauf beim Einkaufen getroffen hat).
Meine Retterin, die Ersthelferin hat dann irgendwann kurzerhand alle Männer rausgeschmissen und auch dafür war ich ihr so dankbar!!! Sie hätten ihre Spritzenkoffer auch gleich mitnehmen sollen… Meine Schwiegermutter hat die Herren dann nicht nur in einer Stuhlreihe vorm Zimmer einquartiert und kulinarisch versorgt, sondern gleichzeitig alles abtelefoniert, um eine Hebamme für mich aufzutreiben. Tatsächlich (wir wissen jetzt, wieviele Autos vor’s Haus passen…) kam irgendwann eine, die meinte – sie sei für Hausgeburten nicht ausgestattet, aber schlimmer machen könne sie es ja auch nicht mehr. Dieser Satz hätte uns alarmieren können, aber wenn man niemand anders findet, nimmt man, was man kriegen kann.
Im ersten Moment war ich natürlich froh, endlich jemanden im Haus zu haben, der etwas von Geburten versteht (ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass meine Schwiegermutter ihre ersten zwei Kinder zuhause zur Welt gebracht hat und mir auch das sicher den Mut gegeben hat, zu bleiben, wo ich bin) und die zu meiner großen Freude deutsch sprach, sie kam aus Thüringen. Ich hatte immer eine Restangst, irgendeine Hebammenanweisung im entscheidenden Moment falsch zu verstehen, weil mein Österreichisch nicht reicht… Nunja. Sie konnte es schlimmer machen. Die Wellen blieben unverändert seit ich aus der Wanne gestiegen bin, nur Entspannungspausen hatte ich ab der Ankunft der Hebamme keine mehr, denn sie „fummelte“ in jeder einzelnen davon in mir herum. Sie hatte nichts, um die Herztöne des Kindes zu hören und das hat sie offenbar so nervös gemacht, dass sie den von draußen in immer kürzeren Abständen nach einem Geburtsstillstand fragenden Notarzt irgendwann nur noch bestätigt hat – „ich denke ja“.
Mich hat sie irgendwann angefangen zu beschimpfen, ich wäre selber schuld, wenn jetzt was passiert und ich müsse die Wehen besser ausnutzen… Für zwei Sachen bin ich ihr dennoch dankbar – sie hat mich ab und an zu Positionswechseln angeleitet. Mangels klassischem Geburtsvorbereitungskurs wusste ich garnicht, was ich außer Vierfüßler hätte tun können und ich hatte leider auch keine eigenen Impulse, ich habe wenig Kontakt zu meiner Intuition aufbauen können bei dem Trubel. Und, und da muss mein Freund schon da gewesen sein, auch wenn ich mich daran nicht erinnern kann… sie hatte irgendwann die Idee, mich zu fragen, ob ich heute schonmal auf der Toilette war. Da das nicht der Fall war, legte sie mir einen Blasenkatheder und es ging nicht viel aber doch genug Urin ab, um offenbar benötigten Platz zu schaffen. Die Wellen wurden etwas länger. Oder heftiger? Ich kann garnicht sagen, ob sie wirklich je schwächer wurden, denn ich erinnere eher, dass ich einfach irgendwann keine Lust mehr hatte.
Diese Austrittsphase sollte doch kürzer sein als alles davor, also warum dauerte das jetzt so lang???? Natürlich lag es an dem Wahnsinn um mich herum. Vielleicht habe ich auch auf meinen Freund gewartet unbewusst, aber ich habe irgendwie nicht mehr richtig mitgemacht. Ein Mal habe ich mich jedoch gezwungen, in Kontakt zu mir zu gehen. Als mich die Hebamme als verantwortungslos bezeichnete, hab ich mich zusammengerissen und mich und meinen Sohn ganz ernsthaft gefragt, ob etwas nicht so sei, wie es sein soll, ob er Hilfe braucht. In Deinem Kurs hatte ich von der Wechselseitigkeit der Nabelschnurkommunikation gehört und auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich alle Signale spüren kann in dem Moment, habe ich gehofft und vertraut, dass wir behütet sind. Es kam kein Hilferuf, also hab ich die Angst im Raum weiter ausgeblendet.
Wann, kann ich nicht sagen, aber sie kam irgendwann – die Hausgeburtshebamme. Meine Schwiegermutter hatte wohl die Alarmglocken bei der mutmachenden Begrüßung der thüringer Dame läuten hören und weiter telefoniert. Die Hausgeburtshebamme, die keine Zeit hatte, weil sie tatsächlich am Vormittag die Cousine meines Freundes in derselben Straße (!!!) entbunden hat, fand nach ihrem Erholungsschlaf unseren Notruf auf der Mailbox. Da sie sich an den Namen noch von meiner Anfrage erinnerte, rief sie neugierig zurück um zu fragen, wie es gelaufen sei – der Beschreibung nach musste mein Kind ja längst geboren sein… Und dann kam sie. Und sie war eine Magierin. Ich habe sie nicht gesehen, aber ich habe die Welle von Ruhe und Sicherheit gespürt, die in das Haus schwappte und ich fange beim Schreiben dieser Zeilen tatsächlich noch knapp zwei Jahre später an zu weinen.
Die Tür ging auf und ich hörte nur eine weiche Stimme sämtliche Sanitäter und den Notarzt wegschicken. Mein Freund, der mir hinterher erzählte, er war kurz davor, die andere Hebamme rauszuschmeißen und das mit mir alleine zu schaffen, entspannte sich. Er hatte mir davor so laut in die Ohren gesummt, dass ich zum Glück so einiges garnicht hören konnte, was die Frau von sich gegeben hat und mir so doch endlich eine Art Trance Zustand ermöglicht. Ich überließ mich nun ganz meinen Wellen, tönte immernoch laut, es war aber mehr ein Zurufen – ich denke, ich habe mindestens zwei Mal „Komm raus!“ gerufen und meinem Kind zu verstehen gegeben, dass ich seine Hilfe brauche für das letzte Stück. Ich zerquetschte meinem Freund die Hände, hing an seinem Hals, stützte mich in der Hocke auf seine Beine… alles plötzlich und endlich intuitiv.
Die Hausgeburtshebamme hat mich in einer Wellenpause nur gebeten, sie kurz anzusehen, sie nickte und meinte ohne weitere Untersuchung „alles in Ordnung“. Ich weiß noch, wie plötzlich etwas freudige Aufregung in den Raum kam, als man die Haare sehen konnte. Irgendwie konnte gefühlt niemand verstehen, dass ich die nicht anfassen, sondern das Kind raus haben wollte (vermutlich war es aber nur wieder die nervöse Hebamme, die noch 3 Mal nachgefragt hat, warum denn nicht…)! In einer einzigen Welle und superman-mäßig mit Hand am Gesicht kam dann endlich unser Sohn zur Welt. Er schrie auch gleich, aber so leise, dass ich sofort fragte, ob alles in Ordnung sei, was es natürlich war, hier war nur jeder von den etwa 3,5h Presswehen erschöpft – denn es war erst und gleichzeitig schon 17:22.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn anfassen soll, aber die Hebamme hat mir Mut gemacht und so nahm ich ihn gleich auf meine Brust, irgendwie haben sie mich ins Liegen gebracht und dann ist ein Loch in meinem Kopf. Ich weiß nicht, ob ich ihn sofort angelegt habe, nur, dass er das sofort konnte und ich denke auch, dass gleich Milch kam, also mehr als das Kolostrum, er hat viel getrunken. Mein Freund durfte nach dem Auspulsieren die Nabelschnur durchtrennen und dann wäre ich gern komplett in dem „Loch“ abgetaucht. Aber die Geburt ist ja bekanntlich erst zuende, wenn auch die Plazenta geboren wurde. Ich hatte wirklich keine Lust mehr, aber die Hebamme hat sofort gewusst, wie sie mich kriegt und nur gesagt „wenn Du hier bleiben willst, musst Du nochmal pressen, sonst kann ich Dir das Krankenhaus nicht ersparen!“. Das Stillen hat keine Wellen mehr ausgelöst, ich musste wirklich pressen. Zum Glück war die Plazenta offenbar schon gut gelöst und die Hebamme konnte mich mit gezielten Handgriffen und etwas Zuppeln gut unterstützen. Krankenhaus! Nach der Aktion! Das wäre wirklich der Supergau gewesen…
Sie hat drei kleine Abschürfungen genäht, aber davon habe ich dann Dank einer Salbe gar nichts mehr gemerkt und das waren auch meine einzigen kleinen Geburtsverletzungen. Alle gesund. Ein Kind, das alles schon konnte und sich auch nie etwas von der stressigen Geburt hat anmerken lassen – er hatte übrigens 37 cm Kopfumfang, war 52cm lang und 3750g schwer, der kleine Kerl. Mein Freund konnte die Geburt nicht nur miterleben, sondern hat mich unglaublich unterstützt und auch mein Schwiegervater hat sich ob des guten Endes entspannt – „Es war wie im Film!“
Für eine Erstgebärende unter diesen Umständen sind knapp 9h von Blasensprung bis Geburt vermutlich kurz genug. Da ich aber die Eröffnungsphase in 3h und so gut hinter mich gebracht hatte, wuchs in mir in den nächsten Tagen und Wochen eine große Traurigkeit über die vollkommen ruhelose und unnötig kraftzehrende Geburt. Auch wenn ich irgendwie stolz war, keinerlei medizinische Unterstützung „gebraucht“ und tatsächlich eine Hausgeburt gehabt zu haben, das konnte die Enttäuschung nicht aufwiegen. Sie sitzt noch immer in mir und macht die Geburt, die ich nicht als etwas, was mich an mein absolutes Kraftende gebracht hätte erinnere, auf eine ganz eigene Art traumatisch. Auch wenn ich mich auf das nächste Kind sehr freue und auch auf die Geburt, flammt aktuell noch manchmal eine unbestimmte Angst auf. Ich habe diesmal eine Hausgeburtshebamme gefunden, die mir auch auf Anhieb sehr sympathisch war.
Unser Haus ist fertig, das Kind ist ein Wunschkind und ich habe mich entschieden, nochmal Deinen Onlinekurs zur Vorbereitung zu nutzen. Auch gehe ich zu weniger Kontrollen/lasse nur die 3 Ultraschalle machen…da war so vieles bei meiner ersten Schwangerschaft, was ich nicht gewusst habe. So viel, was einen verunsichert, so viel Bestimmtheit auch, die man aufbringen muss, ohne zu wissen, was man tut.
Also summa summarum – ich weiß natürlich, dass auch diesmal alles anders laufen kann als geplant. Aber der Plan gefällt mir diesmal viel besser und ist auf größtmögliche Ruhe und Frieden ausgelegt. Und ich bin froh, Dich wieder an meiner Seite zu haben in der Zeit davor und hoffentlich auch bei der Geburt (und danach! Besonders auch danach!).
Danke dafür und liebe Grüße
Lilly