Geburtsbericht von

Jasmin

.. Dein errechneter Termin, dem ich in dieser Schwangerschaft keine all zu große Bedeutung schenken möchte, ist erreicht. Während meine Familie und Freunde zunehmend ungeduldig werden und jeden Tag nach Neuigkeiten fragen, bleibe ich gelassen. Zu sehr genieße ich es, noch schwanger zu sein. Die Vorfreude auf unser Baby steigt, gleichzeitig fällt es mir schwer, die Schwangerschaft loszulassen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Geburt bald beginnt. Doch jedes kleine Ziehen und Zwicken verschwindet nach kurzer Zeit wieder. Bei ET +5 stelle ich mich kurzfristig noch in der Klinik vor, falls es während der Hausgeburt zu einer Verlegung kommt. Im Kreißsaal fühle ich mich gut aufgehoben, was an der wundervollen Hebamme liegt, die an diesem Tag Dienst hat. Ich kann mich mit dem Gedanken anfreunden, hier mein Kind zur Welt zu bringen, falls der Geburt zuhause etwas im Weg steht. Die Gynäkologin der Klinik ist einer Meinung mit meiner Frauenärztin und hält mein Vorhaben für unverantwortlich, vor allem nach vorherigem Kaiserschnitt. Sie empfiehlt mir eine Einleitung bei ET +7. Zu groß sei die Gefahr, dass meine Narbe während der Geburt reißt.

Tatsächlich ist das Risiko hierfür verschwindend gering. Es macht mich wütend, wenn ich darüber nachdenke, was solch eine Aussage bei einer Schwangeren auslösen kann. In der Hoffnung, dass es bei diesem einmaligen Treffen bleibt, verlasse ich die Klinik und warte weiter.

Die Tage vergehen und inzwischen fühlt es sich so an, als lebe ich in einer Blase. Ich habe das Bedürfnis nach Rückzug und die Tage kommen mir unendlich lang vor. Gleichzeitig rast mir die Zeit davon. Ab ET +14 ist eine Hausgeburt in Begleitung meiner Hebammen ausgeschlossen. Jeden Morgen ist da ein Gefühl der Traurigkeit, weil ein weiterer Tag verstrichen ist. Ich sehe meine Hebamme jetzt alle zwei Tage und jedes Treffen mit ihr gibt mir Mut, optimistisch zu bleiben. Sie vertraut meinem guten Gefühl, möchte mir und meiner Tochter die Zeit schenken, die wir uns wünschen und weiter abwarten.

Trotzdem verschwimmt das Bild meiner Traumgeburt mehr und mehr und ich sehe mich in Gedanken immer häufiger zur Geburt im Kreißsaal, ohne mein wundervolles Hebammenteam, dass mich die letzten Monate so intensiv begleitet hat. Auch wenn es mir schwer fällt, versuche ich, jeden möglichen Geburtsverlauf anzunehmen. Denn sicher gäbe es einen guten Grund und mein Baby wüsste bereits, wo es geboren werden möchte.

.. Als schon niemand mehr daran glaubt, dass die Geburt von alleine losgeht, scheint sich dann 12 Tage nach ET etwas zu tun. Ich bin mit meiner Tochter bei meinen Eltern und spüre ein regelmäßiges Ziehen im unteren Rücken, was immer intensiver wird. Es ist schon spät am Nachmittag, also machen wir noch ein paar Einkäufe fürs Abendessen und laufen dann nach Hause. Die Wehen kommen ca. alle 10 Minuten und lassen mich immer wieder kurz innehalten. Nach dem Abendessen bringe ich M. ins Bett und bereite mit meinem Partner das Wohnzimmer für die Geburt vor. Es fühlt sich an wie ein letzter Nestbautrieb, wir wollen die perfekte Atmosphäre schaffen. Ich rufe meine Mutter an, um sie darauf vorzubereiten, unsere Tochter heute Nacht oder morgen früh abzuholen, weil die Geburt jetzt wirklich losgeht. Nach einer Dusche hänge ich die Wäsche auf und lege mich dann kurz vor Mitternacht ins Bett, um mich noch etwas auszuruhen. A. möchte auch noch etwas schlafen.

.. Im Bett höre ich die Geburtshypnose von die friedliche Geburt. Die Abstände zwischen den Wehen liegen bei 3 – 5 Minuten und ich schaffe es, sie gut zu veratmen. Gegen 01:00 Uhr habe ich dann das Bedürfnis, in die Badewanne zu steigen, um mir heißes Wasser über den Rücken laufen zu lassen. Immernoch spüre ich jede Wehe als einen Rückenschmerz und habe Verlangen nach Wärme zur Linderung. Als die Wellen immer kräftiger werden, steige ich aus der Wanne und wecke A. auf, weil ich nun seine Unterstützung brauche.

In der nächsten Stunde werden die Wehen nochmal intensiver und die Pausen dazwischen kürzer. Mir fällt es inzwischen schwer, in Tiefenentspannung zu bleiben. Ich versuche, die Wehen im Wohnzimmer auf dem Gymnastikball zu veratmen, möchte aber so schnell es geht wieder ins Wasser. Also steige ich in den Pool und lasse mir wieder warmes Wasser über den Rücken laufen. Dieses Mal verschafft mir die Wärme keine Schmerzlinderung. Ich würde mich besser fühlen, wenn jetzt meine Hebamme kommt. Um 03:00 Uhr ruft A. sie an. Sie hat überhaupt nicht mehr mit unserem Anruf gerechnet, freut sich sehr für uns und fährt in den nächsten Minuten los. Um 03:35 Uhr kommt sie bei uns an und ist völlig überrascht von der Intensität meiner Wehen. Sie möchte gerne die Herztöne hören, hat aber Schwierigkeiten, weil die Wehenpausen sehr kurz sind.

Ich bitte Sie darum, mich auch vaginal zu untersuchen, um zu wissen, wie der Geburtsfortschritt ist. Die Wellen sind nun so stark, dass ihre Antwort entscheidend dafür ist, ob ich zuhause weiter mache oder abbreche und in eine Klinik fahre. Diese kurze Krise erinnert mich an meine erste Geburt. Fluchtgedanken. Kann es wirklich sein, dass ich schon in der Übergangsphase bin? Oder stehe ich noch ganz am Anfang? Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort hören will. Wieder finden wir nur schwer eine Wehenpause für die Untersuchung. Da ich Kopfhörer im Ohr trage, meine ich zu hören, wie sie sagt: „kein Muttermund“. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich frage aber auch nicht weiter nach und konzentriere mich wieder auf mich und die Wehen.

Nur ein paar Momente später verändern sich die Wellen erneut und ich habe das Bedürfnis, zu pressen. Meine Hebamme ruft ihre Kollegin an, damit sie sich auf den Weg zu uns macht. A. und meine Hebamme sitzen neben dem Pool und massieren abwechselnd meinen Rücken während der Wehen. Sie sind jetzt viel kraftvoller und ich werde lauter. Zwischen meinen Beinen spüre ich etwas, das sich wie ein kleiner Ballon anfühlt. Es dauert einen Moment bis ich begreife, dass es die Fruchtblase ist. Schon mit der nächsten Welle spüre ich den Kopf im Geburtskanal und wie er in der Wellenpause wieder ein Stück zurück rutscht.

Ich möchte alle meine Kräfte in die nächsten Wehen packen, weil es jetzt nicht mehr lange dauert, bis ich meine Tochter im Arm halten kann. Daher behalte ich mein Wissen für mich und schon zwei oder drei kräftige Wehen später ist ihr Kopf geboren. Wir können alle überhaupt nicht glauben wie schnell alles geht. Mit der nächsten Wehe ist der Körper geboren. Ich nehme meine Tochter aus dem Wasser und lege sie mir auf die Brust. Es ist genau das Bild, das ich die letzten Monate immer wieder vor Augen habe. Mit großen Augen schaut mich meine Tochter an. Sie wird etwas stimuliert, dann kam ein kurzer Schrei. Wir sitzen eine gefühlte Unendlichkeit im Wasser und lernen uns kennen bis die Plazenta geboren wird.

Inzwischen ist die zweite Hebamme angekommen. Nachdem der Papa die Nabelschnur durchtrennt hat, steigen wir aus dem Pool, damit meine Geburtsverletzung untersucht und versorgt werden kann. Aus dem Schlafzimmer hören wir M. rufen. Der Papa geht nach ihr schauen und kommt wenige Minuten später mit ihr zurück ins Wohnzimmer, damit sie ihre kleine Schwester kennenlernen darf.

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