Triggerwarnung: Geburt mit Komplikationen (positive Bauchgeburt in Vollnarkose)

Ich freu mich darüber, von F. M.s Geburt hier zu berichten. Gefühlt hat die Geburt für mich eine Woche gedauert. Letztlich waren es in gänze doch “nur” vier Tage. Es ist ein langer Bericht, hoffentlich nachvollziehbar und zeitlich wahrscheinlich nicht immer on point. Vieles ist in unserer Erinnerung verschwommen, trotz vorliegendem Geburtsbericht der Klinik.

Ich erlebte eine Traumschwangerschaft und fühlte mich bis zuletzt pudelwohl. Zwei Tage vor dem ET begann ich mit der geburtsvorbereitenden Hypnose.

2 Tage vor ET
An diesem Abend spürte ich erstmal Wehen, welche schmerzten und mich aus dem Schlaf rissen. Wie eine Meereswelle, die ich nicht kommen sah & die mich beutelte. Ich zog ins Wohnzimmer um & suchte in der Hypnose Linderung. Der Zustand half mir ungemein, mich auf die Welle einzustellen. Ich sah sie kommen und konnte sie “annehmen”.
Daher blieb die Nacht ohne Schlaf für mich. Wellenabstand: 5 – 10 Minuten

1 Tag vor ET
Der morgen kam & die Wellen gingen. Ich fühlte mich, als hätte ich die Nacht durchgemacht. Entkräftet. Der Tag fand für mich auf dem Sofa statt, immer wieder halb schlafend, immer mal wieder für eine Welle innehaltend.

Der Abend kam, die Wellen auch. Ich verweilte in Hypnose & nahm gegen zwei Uhr ein Bad. Welch’ Wohltat! Die Wellen blieben & das war ok. Wellenabstand: 2- 5 Minuten
Mein Mann & ich beschlossen, in die Klinik unserer Wahl zu fahren mit dem Gedanken “heute bekommen wir unser Baby”.
Spoiler: dem war nicht so.

Um 3:33 Uhr im KH. Im Vorraum CTG & Test auf Covid. Durchatmen. Wir waren aufgeregt, es ging uns gut. Muttermund: 1 cm (ernüchternd)
Die Nacht verbrachten wir gemeinsam & halb schlafend, halb wachend im Entspannungszimmer. Die Müdigkeit in Kombination mit den Wellen machte einen surrealen Mix. Verkraftbar & trotzdem entkräftend. Wellenabstand 3 – 7 Minuten.

ET
Der morgen kam, die Wellen gingen. Muttermund 1cm. Die Liebe Hebamme aus unserem Geburtsvorbereitungskurs ist auch da. Wir frühstückten & fuhren etwas desillusioniert heim. Ich fühlte mich, als hätte ich zwei Nächte durchgemacht. Kraftlos ohne Ende. Wie sollte ich in diesem Zustand noch Geburt schaffen? Der Tag verstrich mit ein paar Wellen. Ich ruhte in mir & suchte dort nach Kraftreserven.

Der Abend kam, die Wellen, wie erwartet auch. Hypnose, Baden, den Weg gehen. Unbeirrbar.

1 Tag nach ET
Der morgen kam, die Wellen gingen. Ich schleppte mich bis zum Nachmittag. Die Schwester in der Klinik meinte, wenn ich mal schlafen möchte, kann ich gern vorbei kommen. Wir packten alle Sachen & fuhren ohne großartige Wellen, nunmehr fast routiniert, in die Klinik.

16:00 Uhr in der Klinik:  Wieder CTG, Test auf Covid, Muttermund: 1cm

Wir konnten auf die Wochenbett-Station in unser Familienzimmer einziehen. Ich verabreichte mir selbst ein Zäpfchen. Im Nachhinein fällt mir auf, dass ich nicht mal gefragt hab, um was genau es sich dabei handelt. Im Geburtsbericht der Klinik erfahre ich dann, es war ein Schmerzmittel.

17:00 Uhr: Ich Falle in einen komatösen Schlaf. Spüre die Wellen weit weg, als wäre ich los gelöst von meinem Körper.

SCHMERZEN, ich bin wach & unfähig noch in den Kreißsaal zu laufen. Per Rollstuhl geht’s hinab.

21:00 Uhr: Ankunft im Kreißsaal, Die Spätschwester begrüßt uns, Muttermund bei 3cm, ich gehe in Hypnose, wie wertvoll!

In den nächsten Stunden gab es schummriges Licht, die warmen Hände meines Mannes am Steiß & Ölmassage auf den Bauch. Wir gehen den Weg. Zwischendurch eine Duftlampe mit Eisenkraut (hallo Brechreflex)

Mein Mann & die Hebammen versorgten mich liebevoll mit Traubenzucker in Kamillentee für Energie.

Zwei Tage nach ET
1:00 Uhr: Die Nachtschwester begrüßt uns, Muttermund: 8cm, endlich in die Wanne! Oh mein gott, es tut so gut, die Entspannung umhüllt mich.

In dieser Wanne verbringe ich die nächsten Stunden mit Kristin im Ohr. Ich bekam mehrmals den Impuls der Schwester, mehr in der Position zu variieren. Dabei rutschte meist das CTG weg & es musste neu justiert werden. Das störte mich.

3:00 Uhr: Muttermund: 10 cm, Wellen immerzu im 2- 5 Minuten Rhythmus.

5:00 Uhr: Muttermund 6 cm, Wie bitte?  Die Hebamme ist gespannt, ob das Baby Haare haben wird.
Ich steige aus der Wanne & bewege mich im Raum. Die Wellen werden wieder stärker, ich bin nackt, schwitze so sehr & lehne mich am Bett an, den Kopf auf meine Arme gelegt. Kristin ist da, ich gehe den Weg.

7:00 Uhr: Die Frühschwester betritt frisch den Raum, die Sonne scheint nach einer Woche endlich wieder mal & sie meinte fröhlich “Na dann, wollen wir mal das Baby bekommen.”

8:00 Uhr: Muttermund: 4cm
Merke: ein Muttermund kann sich wieder verschließen.

Eine Entscheidung muss her, mir wird eine PDA mit noch mal schlafen oder ein Wehentropf angeboten.

Ich bitte um einen Moment, um mit meinem Mann zu sprechen. Wir sind allein. Die Sonne scheint & ich breche emotional zusammen. Nicht vor Schmerz, es war einfach viel, ich bin schon wirklich lang auf diesem Weg. Doch noch länger als nötig sollte es jetzt doch nicht gehen. Ich entschied mich für den Wehentropf.

Es folgte ziemlich viel Durcheinander, der Chefarzt soll noch mal sein ok geben, der Zugang wird gelegt, der Chefarzt ist nicht erreichbar, die Sonne scheint & von jetzt auf gleich kommen Wellen ans Ufer, die jede Energiereserve brauchen.
Die Gedanken sind wild “wann kommt denn der Chefarzt endlich? ” und “wenn es jetzt schon so heftig ist, wie soll das dann mit Wehentropf aussehen?”

Mein Mann hakt nach und wir erfahren, dass der Tropf schon läuft. Ein telefonisches Gespräch mit dem Chefarzt genügte. Ich war erleichtert darüber, dass das schon die Wellen waren, auf die es ankam. Mut flutete den Raum. Jetzt geht’s los.

Auf dem Klo, am Bett, stehend mitten im Raum hänge ich an meinem Mann und mit jeder Welle denke (und töne) ich “JA ja ja ja!” Der Druck war immens, Kristin im Ohr, ich gehe den Weg weiter.

Und auch, als der Akku der Kopfhörer sich verabschiedete, gab mir das Gefühl der Kopfhörer Sicherheit. Es war Wahnsinn, die Wellen kamen dicht auf dicht, meine volle Aufmerksamkeit brauchte ich. Sonst wäre ich unter gegangen.

9:00 Uhr: Die Wanne ist bereit, ein letztes Mal tasten. Ich bin im Tunnel & spüre, wie sich die Stimmung verändert. Die Schwester schaut zu ihrer Kollegin. Und tastet.

“Ich glaub, ich spür hier ne Nase”

Was auch immer das bedeuten mag. Sie muss die Oberärztin holen. Diese kommt, klein & klar, tastet ebenfalls & lässt den Ultraschall anschließen. Sie schallt & bestätigt.

“Ja, das ist eine Gesichtslage. Das ist eine gebärunfähige Position”

Ganz im Bewusstsein frage ich “Was bedeutet das?”

“Kaiserschnitt.”

Das ist der Moment,  indem ich gänzlich in mich zusammen falle. Ich weine. Mein Mann ist eng bei mir, ich liege in seinen Armen. All die Anstrengung, die Energie, ich wollte das so sehr und hab jede Reserve mobilisiert. Ich hab alles gegeben. Und ich wäre den Weg auch noch weiter gegangen. Ich hätte alles schaffen können.

Aber da waren sie.
Die 20%, die wir nicht in der Hand haben.
Und die Sonne scheint.

Ab jetzt fühlen wir uns wie im Film, es passiert vieles, nicht hektisch, sondern perfekt koordiniert.

Es werden Fragen gestellt, welche ich gefühlsleer beantworte. “Ist das Ihre Unterschrift?” Es hat nur zu einem Krakel gereicht, mehr Kraft hatte ich nicht. Wehenhemmer wird mir gespritzt. Von weitem höre ich die Hebammen rufen “der Mann muss unbedingt mit” und das ist wahr. Mein lieber Mann.

10:00 Uhr: Wir fahren in den OP. Der Raum ist gefüllt mit mindestens 15 Menschen. Jeder wusste, was zu tun war. Meinem Mann wurde ein Kittel angezogen. Alles war steril, mein Mann wurde an eine Stelle rechts von mir bugsiert, wo er am wenigsten stört. Er hält meine Hand.

Auf meiner Wünscheliste, welche am reich bestückten “Danke im Voraus Körbchen” hing, stand der Wunsch nach einer Kaisergeburt, sollte es zu einem Kaiserschnitt kommen.

Ich sitze auf dem Tisch, immer wieder kommt eine Wehe vorbei, ohne Kristin im Ohr, schwer. Immer wieder verrutscht das CTG, die Hebamme hockt vor mir & versucht, es zu positionieren. Es gelingt nicht, die PDA zu legen, so dass sich die Oberärztin in den Raum stellte und das Ganze mit den Worten beendete: “Schluss, das reicht jetzt. Vollnarkose.”

Und ich dachte, der Kaiserschnitt gehörte bereits zu den 20%.
Eine Vollnarkose kam mir dabei nie in den Sinn.

Auf einmal passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Ich wurde hingelegt, ein Vorhang kam, mein Mann wurde in eine Ecke geführt, ich spürte, wie ich rasiert wurde, eine Maske kam auf mein Gesicht und ich weinte und wollte nur meinen Mann verabschieden. Dieser kurze Moment, in dem mich keiner hörte, der bringt mich jetzt noch zum weinen. Dort hatte ich Angst.

Die Gynäkologin hörte mich und holte gleich meinen Mann heran.
Ein Kuss & ein “Ich liebe dich”.
Dann ist alles dunkel.

Mein Mann wird kurz raus geführt, als Der Schnitt gemacht wird.

10:26 Uhr: Unser Goldstück ist geboren.
Einen Moment später durchtrennt er zum ersten Mal die Nabelschnur. Im Nebenraum wurde sie gewogen und mein Mann schnitt noch ein weiteres Mal ein Stück der Nabelschnur weg.

Er bekam ein rotes Bondingtop, wurde im Aufwachraum auf einem Sessel in der Ecke platziert und bekam unser Goldstück ins Tuch.

Allein mit diesem friedlichen Geschöpf an der Brust & der Sorge um mich, fiel alles von ihm ab. Die ersten Tränen fielen.

Als ich aus dem OP kam & meinen Mann mit den roten Bondingtop sah, war mein erster Gedanke “das hab ich doch gar nicht eingepackt.”

Ich komme zu mir, friere, hab Durst.
Mein Mann legt mir unser Goldstück in den Arm und ich schaffe es, einen Teil des Geburtstagsliedes zu Singen. Das hatte ich mir fest vorgenommen.

Ich kann sie nur kurz halten, noch bin ich zu benommen. Wärmflaschen wärmen mich auf, Joghurt nährt mich.

Wir beziehen wieder mal unser Zimmer auf der Wochenbettstation. Ich brauche keinen Schlaf, möchte nur mein Goldstück anschauen. Das schläft und schläft, sicher ist sie auch geschafft von der Geburt. Zum Stillen bekommen wir sie kaum wach. Doch es funktioniert. Welch Glück!

Spät am Abend kam die Nachtschwester, sie wollte mal schauen, ob das Kindlein Haare hat. Und ja, das hat sie, nur hatte sie wahrscheinlich schon die Stirn gespürt.

Am Tag darauf reichten sich die Besucher gegenseitig die Klinke in die Hand. Es kamen alle. Von der Oberärztin, der Gynäkologin über die Studenten bis hin zu den Früh- und Spätschwestern inkl. Schülern.

Alle wollten sehen, wie es uns geht. Waren wir doch ein Beispiel für eine schwere & spektakuläre Geburt. Eine Gesichtslage hatten viele Schwestern noch nie vorher begleitet. Noch weiß ich nicht, wie ich die Geburt einordnen soll. Es kommen auch Tränen & Trauer über den Moment der unmittelbaren Geburt. Ich habe es nicht erleben können. Unser Goldstück nicht direkt in meine Arme schließen können. Um diesen Moment trauere ich noch heute.

Am dritten Tag verließen wir stolz die Klinik mit unserem Goldstück im Gepäck.

Was für ein Weg. Die Sonne scheint.

………

Unser Goldstück wird jetzt ein Jahr & mich hat noch nie etwas so erfüllt, wie diese Mutterschaft. Im Nachgang habe ich mich noch intensiver mit dem Thema “Geburt” auseinander gesetzt. Wir nahmen auch das Angebot einer therapeutischen Begleitung über die Klinik wahr.  Die Therapeutin fand genau die richtigen Worte, um dieses Ereignis für uns einzuordnen.

Ich erlebte die Geburt fast gänzlich schmerzfrei, positiv und voll im Körpergefühl. Tatsächlich freue ich mich sogar auf kommende Geburten. (Schwer zu glauben, aber ja, so ist es)

Die Erinnerung an die Angst & die Trauer werden immer bleiben. Und das ist ok.

Danke Kristin

Ich bin so froh, dass ich mich für den Weg der friedlichen Geburt entschied. Sonst würde dieser Bericht vermutlich unter der Rubrik “Trauma” stehen.

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