Geburtsbericht Tobias 01.04.2021, 39+1, 3520g, 50cm, 34,5cm
Meine erste Tochter kam 2018 zur Welt und die Geburt hinterließ bei mir das Gefühl, versagt zu haben. Für mich als evolutionäre Anthropologin, die im Bereich Fertilitätsverhalten bei Menschen forscht, war es einfach nicht vorstellbar, dass ich während der Geburt nach einer PDA verlangen würde bzw. diese brauchen könnte. Während meiner ersten Schwangerschaft habe ich mich intensiv mit dem Thema selbstbestimmte Geburt beschäftigt und habe mich auch mit Hypnobirthing (jedoch ohne Kursbesuch) vorbereitet. Die Geburt war lange (22h) und interventionsreich (bis auf Kaiserschnitt war alles inkludiert, was die medizinische Trickkiste so hergibt). Ich habe über ein Jahr gebraucht, um mit der Tatsache meinen Frieden zu finden, dass ich eine PDA verlangt habe. Als ich dann 2020 von meiner erneuten Schwangerschaft erfuhr, war da zuerst einmal Angst, wieder nicht die gewünschte interventionsfreie Geburt erleben zu dürfen. Für mich war klar, dass ich nicht im gleichen KH entbinden möchte wie bei meiner Tochter und dass ich dieses Mal eine Belegshebamme an meiner Seite haben möchte. Auf der Suche nach einer solchen bin ich dann auf eine Hebammenpraxis aufmerksam geworden, die auf Hausgeburten spezialisiert ist. Bereits Ende des 1. Trimesters stand dann fest, dass wir eine Hausgeburt planen.
Eine Freundin, deren errechneter Geburtstermin einen Monat vor meinem lag, hat mich dann Ende des 1. Trimesters auf die „Friedliche Geburt“ hingewiesen. Um ehrlich zu sein, war ich am Anfang sehr skeptisch, ob diese Methode den von mir gewünschten Effekt erzielen würde, hatte ich doch nicht die beste Erfahrung mit Hypnobirthing gemacht. Ich habe mir dann nach dem Motto „Bringt es nichts, schadet es nicht“ einen Ruck gegeben und in den Online-Kurs investiert. Dennoch blieb mein scheinbar innerer Widerstand gegenüber der Methode und gegenüber einer schmerzfreien, friedlichen Geburt. Irgendwann Mitte des 2.Trimesters habe ich dann für mich realisiert, dass ich aus diesem Widerstand raus muss. Jetzt im Nachhinein betrachtet, war das wohl der schwierigste Teil der Geburtsvorbereitung, das Umprogrammieren meines Unterbewusstseins.
Ab der 28. SSW habe ich min. 5 Hypnosen pro Woche gemacht und ab der 32. SSW täglich 1-2 Hypnosen. Auch mein Mann war sehr engagiert, hat die für ihn als Geburtsbegleiter relevanten Teile des Kurses absolviert und ab der 32. SSW ca. 1-2 pro Woche mit mir geübt. Wir haben viel über unsere Wünsche und Bedürfnisse betreffend der bevorstehenden Geburt gesprochen. In der 37. SSW kam dann ein Tief und große Zweifel, vor allem im Hinblick auf Plan B (die Geburt im KH). Ich weigerte mich nach wie vor, den Einsatz von einer PDA nicht als Scheitern zu sehen. Ich habe daher kurz entschlossen Petra Hartmann kontaktiert und mit ihr gemeinsam dieses Thema in einer Sitzung aufgearbeitet. Ich bin davon überzeugt, dass diese Sitzung viele Blockaden gelöst hat und ich so meinen Frieden mit Plan B finden konnte.
Tobias war bereits seit der 36. SSW mit seinem Kopf tief im Becken und wir haben auf Basis dessen mit einer Geburt vor dem ET gerechnet. Am 24.03. habe ich von der bevorstehenden Geburt geträumt. Sie war vollkommen schmerzfrei und friedlich. Im Traum habe ich über zwei Tage hinweg immer wieder Wellen gehabt und dann bin ich einmal in die Hocke gegangen und das Kind war geboren. Am 27.03 habe ich in der Früh meinen Schleimpfropf verloren und nach einer Akkupunktur-Sitzung hatte ich auch Wellen, die aber am Abend wieder verschwanden. Am 29.03 habe ich dann auf Empfehlung meiner Hebamme eine Fußreflexmassage gemacht. Auch nach dieser Sitzung waren erneut Wellen vorhanden, die aber am Abend wieder verschwanden. Die beiden folgenden Tage sind dann eher ruhig verlaufen, hin und wieder ein Ziehen aber nichts außergewöhnliches. In der Nacht von 31.03 auf den 01.04 bin ich dann ca. um 4:30h aufgewacht und hatte einen ziemlichen Druck auf der Blase. Während des Wasserlassens hatte ich ein sehr starkes Ziehen im Unterbauch und dachte noch „Na ob das nicht schon die Eröffnungsphase ist“. Um nicht wieder im Gedankenkarussell zu versinken, habe ich mir zwei Hypnosen angehört (Geburtsvorbereitung lang & Geburtsbeginn mental fördern) und bin dann wieder eingeschlafen. Um kurz nach 6:00h bin ich dann wieder munter geworden, aber das starke Ziehen im Unterleib war noch immer da und es kam in regelmäßigen Abständen. Unsicher, ob das nun tatsächlich regelmäßige Wellen sind oder nicht, habe ich um 6:15h meinen Mann geweckt. Er meinte, dass der Wecker in 45min ohnedies läuten würde und wir bis dahin die Wellen zählen und noch etwas zu schlafen versuchen sollten. Ich habe mir dann die Hypnose „während der Geburt“ auf die Ohren gegeben und mich zur Seite gedreht. Meine zweieinhalb-jährige Tochter hat dann beschlossen, ihren Kopf auf meine Taille zu legen und so sind wir dann bis ca. 6:30h gelegen, bis ich ein großes Bedürfnis verspürte, meinen Darm zu entleeren. Kurz nach der Darmentleerung hat mir mein Mann die Badewanne eingelassen, Kerzenaufgestellt und die Hypnose „Während der Geburt“ angemacht. Ich bin dann um ca. 6:45h in die Wanne. Kurz danach ist meine Tochter aufgewacht und zu mir ins Bad gekommen. Ich habe ihr dann erklärt, dass das Baby heute kommt und dann meinen Mann gebeten sie zu nehmen, weil ich mich nun konzentrieren müsste, da die Wellen teilweise schon recht intensiv wären. Um ca. 6:55 habe ich meinen Mann nochmal ins Bad gerufen und gemeint „Ich gebe dir nun einen Marschplan, den führst du bitte aus. Zuerst rufst du unsere Freundin an, dass sie unsere Tochter bitte rasch abholen soll und dann gibst du den Hebammen Bescheid, dass es losgeht!“. Kurz nach der „Befehlsausgabe“ habe ich es in der Badewanne nicht mehr ausgehalten und bin in das vorbereitete Geburtszimmer. Dort habe ich dann alle möglichen Positionen versucht, um mit den immer höher und intensiver werdenden Wellen klarzukommen. Unser Kater lag neben mir, hat geschnurrt wie verrückt und hat versucht, mich irgendwie zu unterstützen. Nichts hat funktioniert, ich habe auch überhaupt nicht in die Tiefenentspannung gefunden. Irgendwann habe ich dann begonnen, mit leicht geschlossenen Augen zwischen Geburtszimmer und Schlafzimmer hin und her zu wandern. Bei jeder Welle habe ich meine Hände gegen die Mauer gepresst, bin bei der Ausatmung in die tiefe Hocke und habe laut „Öffnen“ gesagt. Um ca. 7:10h bin ich dann in einen leicht weinerlichen Ton verfallen und meinte zu meinem mit der Tochter im Wohnzimmer befindlichen Mann „Ich kann nicht mehr, ich schaffe das nicht, wir müssen ins KH sobald die Hebamme da ist, ich möchte eine PDA“. Er meinte dann nur „Es ist nicht Schmerz, es ist Kraft“ („It’s not pain, it’s power“ – herrührend von einer Postkarte, die im Hausgeburtspaket dabei war). Diese Worte haben dann in mir etwas verändert und ich habe mich vollkommen dem Prozess hingegeben und aufgehört, zu denken. Kurz danach haben mich 3 Wellen überrollt. Nach jeder bin ich im Stehen in einen kurzen Schlaf gefallen, um von der nächsten Welle wieder aufgeweckt zu werden. Um ca. 7:20h musste ich dann nochmal aufs WC und habe gemerkt, dass ich leicht blute. Ich meinte dann nur zu meinem Mann, dass ich denke, der MuMu öffne sich wohl sehr schnell und er möge dies bitte der bereits auf dem Weg befindlichen Hebamme sagen. Mein Mann kam und teilte mir mit, dass alles gut laufe, ich das großartig mache und er unsere Tochter nun schnell runterbringe, da die Freundin vor der Tür warte, um sie abzuholen. Kurz bevor er in den Lift stieg, drehte unser Kater komplett durch und lief wie verrückt durch das Wohnzimmer. Mein Mann dachte sich noch „will er mir irgendetwas sagen?“ Kurz darauf bin ich hoch vom WC. Die nächste Welle war die wohl kräftigste und hat die Fruchtblase geöffnet. Ich habe nur nach unten geschaut und mir gedacht „Oh nein, dass Fruchtwasser ist trüb nun müssen wir ins KH.“ Und dann war Stille. Stille in meinen Kopf, Stille in meinen Becken. Und eine Sekunde später hatte ich das Gefühl ganz, ganz schlimmen Durchfall zu bekommen. Also habe ich mich aufs WC gesetzt, nach unten gegriffen und beim nächsten Ausatmen hatte ich ein kurzes Brennen und den Kopf in der Hand. In dem Moment kam mein Mann wieder aus dem Aufzug in die Wohnung und irgendwie hat er gemerkt, dass die „Stimmung“ anders als noch vor wenigen Minuten war. Er kam dann ins Bad und ich meinte in vollkommener Ruhe „Ist das der Kopf oder der Hintern?“ Mein Mann meinte nur, dass das der Kopf sei und dass ich jetzt vom WC runter müsse, weil wir so nicht genügend Platz zum „Manövrieren“ hätten. Er hat mich dann langsam hochgezogen und in dem Moment habe ich intuitiv nach unten gegriffen und Tobias ist mir in die Hände geglitten. Mein Mann hat mich dann wieder auf das WC gesetzt. Tobias hat sofort angefangen, sich zu melden und ich habe ihn zu mir auf die Brust genommen. Mein Mann hat mich nur angestrahlt und gelächelt und ich meinte zu ihm, dass er nun die Hebamme anrufen müsse, dass der Kleine nun da sei. Die Hebamme teilte uns ruhig mit, dass wir ihn in ein Tuch oder ein Handtuch legen und nicht an der Nabelschnur ziehen sollen. Danach hat mein Mann mich und Tobias stützend in das Geburtszimmer auf das entsprechend vorbereitete Sofa gebracht. Die Hebamme kam ca. 45min, nachdem wir sie zum ersten Mal angerufen hatten, rechtzeitig zur Geburt der Plazenta.
Diese Geburt war alles andere als geplant, aber sie war so kraftvoll, so selbstbestimmt und für uns als Paar ein unbeschreibliches Erlebnis. Ingeborg Stadelmann schreibt in ihrem Buch „Die Hebammensprechstunde“, dass eine Geburt genauso intim wie der Zeugungsakt sei und diese Aussage trifft absolut auf die von uns erlebte Geburt zu.
Liebe Kristin, vielen Dank für dein Engagement und diesen tollen Kurs, der dazu beigetragen hat, meine Glaubenssätze zu hinterfragen, mein Unterbewusstsein umzuprogrammieren und im wahrsten Sinn loszulassen. Ich bin überzeugt, dass die Vorbereitung mit „Die friedliche Geburt“ trotz dieses schnellen und ungeplanten Ablaufs ein wesentlicher Faktor für dieses positive Geburtserlebnis war.