Von der geplanten Geburt im Geburtshaus zur Geburt in der Klinik – die meiste Zeit allein
Bereits vor meiner Schwangerschaft wusste ich, dass (solange es keine Komplikationen gibt) ich in einem Umfeld gebären möchte, in dem ich mich sicher und geborgen fühle und in dem ich von vertrauten Personen umgeben bin. Kaum hatte ich meinen positiven Schwangerschaftstest in der Hand – meldete ich mich im Geburtshaus an! Dann die ernüchternde Nachricht, dass das Geburtshaus eine wohlverdiente Winterpause machen wird, welche genau in den Zeitraum unseres ET fiel, den 29.12.22. Aber wie viele Kinder kommen schon an ihrem errechneten Termin zur Welt?! Fest davon überzeugt, dass unser kleiner Mann also erst im Januar das Licht der Welt erblicken wird, habe ich einen Großteil meiner Vorsorgeuntersuchungen bei den Hebammen im Geburtshaus wahrgenommen. Eine so wunderbare, ruhige und vertrauensvolle Atmosphäre!
Um mich nicht auf den Gedanken einer Geburt im Geburtshaus zu versteifen (es kommt immer anders als man denkt), meldeten wir uns zusätzlich in einer Klinik an und ich befasste mich mental mit dem Alternativplan…
Meine kleine Schwester, die zu der Zeit noch in ihrer Ausbildung zur Hebamme steckte, hat mir den Podcast “Die friedliche Geburt” empfohlen. Nachdem ich mir die erste Folge und einige positive Geburtsberichte angehört hatte, stand für mich fest, dass ich diese Methode unter Geburt anwenden möchte und bereitete mich ab SSW 30 fleißig auf meine Traumgeburt vor. Besonders oft habe ich das Mentaltraining “Traumgeburt visualisieren” gehört, in der Hoffnung auf eine Wassergeburt im Geburtshaus. <3
28.12.22
03:30 Uhr: Ich wache auf durch eine ungewöhnliche, feuchte Unterhose und gehe zur Toilette. Während ich mich hinsetze – platsch – zwischen meinen Füßen eine kleine Pfütze. Fruchtwasser! In mir macht sich eine warme, aufgeregte Vorfreude breit. Ich wecke T., teile ihm die freudige Nachricht mit, sage aber im selben Atemzug: “Ich habe ja noch keine Wehen, also schlafen wir noch weiter”, setze mir meine Kopfhörer auf, mache meine Hypnose “Geburtsbeginn fördern” an und schlafe noch ein bisschen.
06:30 Uhr: Keine Wehen. Ich bin völlig entspannt. Erstmal frisch machen. Duschen, rasieren, ein bisschen Puder ins Gesicht.
07:00 Uhr: Keine Wehen. Anruf in der Klinik und Info darüber, dass meine Blase gesprungen ist. Ich solle doch erstmal noch frühstücken und mich dann langsam auf den Weg machen.
T. arbeitet währenddessen unser “Checkliste Geburt” ab.
09:30 Uhr: Keine Wehen. Angekommen in der Klinik, werde ich sehr freundlich empfangen, es wird ein CTG geschrieben und die üblichen Untersuchungen durchgeführt. Die Hebamme tastet nach meinem Muttermund. Er ist weich, aber nicht mal eine Fingerspitze weit geöffnet.
Aufgrund des Blasensprungs werde ich stationär aufgenommen. T. muss erstmal gehen und darf erst zu den Besucherzeiten (15:00 – 18:00 Uhr) wiederkommen.
Ich lege mich aufs Zimmer und höre meine Hypnose.
12:00 Uhr: Keine Wehen. Mittagessen.
12:30 Uhr: Keine Wehen. Erneutes CTG, alles unauffällig.
15:00 Uhr: Keine Wehen. Schichtwechsel. Die neue (sehr liebe) Hebamme teilt mir mit, dass der Arzt mit mir über eine Einleitung sprechen möchte. Sie könne mir einen Wehencocktail anrühren, aber das müsse ich mit dem Arzt besprechen.
Ich bin mir bewusst, dass mein Körper noch Zeit hat und eine Einleitung zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendig ist und sage dem Arzt: “Entweder ich trinke den Wehencocktail oder mache noch gar nichts”, woraufhin er mich wenig begeistert seine Aufklärungshinweise unterschreiben lässt.
15:45 Uhr: Keine Wehen. Ich trinke meinen Wehencocktail, der kleine Schuss Sekt steigt mir sofort in den Kopf und ich fühle mich sehr leicht. Zurück auf meinem Zimmer schwinge ich erstmal die Hüften und tanze etwas. T. ist da, wir kuscheln, machen die Augen zu, ich höre meine Hypnose.
18:00 Uhr: Keine Wehen. Das CTG ist unauffällig. Die Hebamme empfiehlt mir, Treppen zu steigen.
18:30 Uhr: Ich habe ein erstes leichtes Ziehen. T. muss gehen. Ich begleite ihn nach unten und laufe mit meiner Hypnose “Eröffnungsphase” auf den Ohren die Treppen dreimal hoch (mit dem Aufzug wieder runter). Ich habe das Gefühl, dass ich mich jetzt zurückziehen möchte, gehe also wieder auf mein Zimmer, dunkle alles ab, höre meine Hypnose.
19:20 Uhr: Die Wehen kommen regelmäßig. Ich freue mich über jede einzelne und atme bewusst in meinen Bauch hinein. Jetzt weiß ich, warum die Wehen auch “Wellen” genannt werden. Das Gefühl in meinem Bauch baut sich auf, erreicht seinen Höhenpunkt und flacht wieder ab. Ich höre meine Hypnose, bin tiefenentspannt und ganz bei mir.
19:45 Uhr: Ich verbringe einige Zeit im Badezimmer. Der Wehencoktail zeigt seine Wirkung und mein Körper entleert sich. Ich mag es im Badezimmer. Es ist angenehm mit dem Hocker unter meinen Füßen und irgendwie fühle ich mich hier in dem kleinen Raum sicher.
20:30 Uhr: Ich mache mich auf den Weg in den Kreißsaal und im Wehenzimmer wird erneut ein CTG geschrieben. Meine Wellen sind nun auch eindeutig auf dem CTG erkennbar. Ich veratme die Wellen, höre meine Hypnose und bin ruhig.
21:00 Uhr: Von nun an hänge ich am Dauer CTG. Ich frage die Hebamme, wann T. kommen kann. Sie sagte, dass ich erst “richtig” unter Geburt sein müsse und mein MuMu mindestens 3cm geöffnet. Ich bitte sie, mich zu untersuchen. Nicht mal 1cm. Damit habe ich nicht gerechnet und bin kurz niedergeschlagen. Kurz darauf kommt eine andere Hebamme, verabreicht mir ein Antibiotikum und nimmt mir Blut ab. Eine Welle kommt, ich muss meinen Arm absetzen, die Hebamme greift ihn: “Oben halten”. Sie verlässt den Raum und ich weine. “Genau das wolltest du nicht,” denke ich mir. “Dauer CTG, viele verschiedene Hebammen, Interventionen… Zudem bin ich allein.”
Die mir vertraute, beruhigende Stimme auf meinen Ohren hilft mir dabei, dass ich mich wieder entspannen kann. Ich fokussiere mich voll und ganz auf mich, auf meinen Körper und mein Baby. Ich schalte alles um mich herum aus, bin an meinem sicheren Ort und gehe zurück in den Zustand der Trance. Spüre die Wellen, visualisiere, gebe mich vollkommen hin und atme. Ich brauche 3 Atemzüge für jede Welle.
21:30 Uhr: Meine Wellen werden intensiver. Weiter verbringe ich viel Zeit im Badezimmer auf der Toilette. Ich muss mich übergeben.
Schichtwechsel und wieder ans CTG. Ich soll auf der Seite liegen, mich nicht bewegen. Die Herztöne des Babys sind schwach.
22:30 Uhr: Die Ärztin kommt dazu. Entwarnung – es waren meine Herztöne, die gemessen wurden. Ich muss wieder zur Toilette, soll aber noch liegen bleiben, damit noch ein “gutes” CTG geschrieben werden kann. Meine Wellen werden sehr intensiv. Da ich mich nicht bewegen darf, stoße ich mit meinen Füßen unten ans Bettende und umklammere mit meinen Händen das Krankenhausbett.
Ich kann nicht mehr ruhig atmen. Ich beginne, zu tönen. Ich muss zur Toilette. Klingel nach der Hebamme…
23:00 Uhr: Ich bin wieder im Badezimmer. Meine Wellen sind sehr intensiv, ich töne, verspüre einen starken Druck nach unten. “Das kann nicht sein,” denke ich mir, “die halten dich für verrückt”. Ich werde immer lauter, gehe zurück ins Zimmer, klingle nach der Hebamme, gehe im Vierfüßler auf den Boden und lege meinen Kopf auf einen Tisch ab. Schreibe T. noch irgendwie eine WhatsApp: “die Wehen sind sehr stark jetzt”.
23:20 Uhr: Wieder eine andere Hebamme kommt ins Zimmer mit den Worten “na, musst du pressen?” Ich stöhne nur ein lautes “jaaaaaa”, lege mich aufs Bett. Sie untersucht mich. “Vollständig geöffnet, wir gehen in den Kreißsaal”. Ich kann es nicht glauben: “Was? Ich muss T. anrufen!”. T. ist am Telefon etwas verschlafen und sagt in einem absolut ruhigen Ton: “Ok, Daisy (mein Spitzname), ich komme.” Die Hebamme und ich lachen. Ich fühle mich wohl mit ihr.
23:30 Uhr: Auf dem Weg in den Kreißsaal muss ich zwei Wellen vertönen, bleibe dafür stehen. Ich bin immer noch absolut ruhig und ganz bei mir und in Trance. Im Kreißsaal angekommen, gehe ich im Vierfüßler auf den Boden. Ich soll noch nicht pressen, sondern hecheln, damit “Tim die Geburt noch miterleben kann”.
Ich wechsle die Hypnose zur “Austrittsphase”, visualisiere das kleine Glitzern am Ende des Tunnels. Konzentriere mich auf meinen Körper, auf mein Baby.
23:36 Uhr: Während einer Wellenpause schreibe ich T.: “Kreißsaal” – “Ich bin sehr laut”.
23:45 Uhr: T. ist da. Die Herztöne des Babys fallen unter der Welle ab. Ich töne. Die Ärztin kommt dazu. Die Stimme auf meinen Ohren kommt mir irgendwie sehr viel schneller vor. “Folge den Anweisungen deiner Hebamme”, sagt sie mir und ich nehme die Kopfhörer ab, bleibe aber in Trance.
Ich soll mich oben auf das Bett legen. Die Hebamme feuert mich an, ich schiebe mit. Spüre, wie der Kopf meines Babys sich vor und zurück schiebt. Ich taste mit meiner Hand nach seinem Kopf, fühle seine Haare. Schiebe. T. ist an meiner Seite, hält meine Hand und flüstert mir leise ins Ohr: “Du machst das super”.
23:55 Uhr: Die Hebamme empfiehlt einen Dammschnitt. Die Ärztin steht bereit. T. bittet darum, noch zu warten, fragt, ob es wirklich nötig sei (er war ordentlich darauf vorbeireitet). Wir warten noch zwei Wellen. Dann ein schneller Schnitt (mit Betäubung), ich schiebe noch zweimal, schreie einmal kurz kraftvoll und dann ist er da! Unser Baby gibt seinen ersten Schrei von sich, wird mir auf die Brust gelegt und mit großen Augen schaut er uns an. Wir sind überwältigt. Ich frage nach der Uhrzeit. 00:03 Uhr.
H. kam an seinem errechneten Termin zur Welt.
Die Ärztin versorgt meine Wunden, wir kuscheln mit H. Der kleine Mann wird untersucht und wir dürfen die ersten zwei Stunden nach der Geburt zu dritt im warmen Kreißsaal verbringen. Danach werden wir in einem Wehenzimmer untergebracht, schlafen etwas. Um 07:00 Uhr gehen wir erschöpft und überglücklich nach Hause, um unser Wochenbett als Familie zu genießen.