Papas Geburtsbericht für die Geburt meiner Tochter M. am 15.12.2021 im Geburtshaus Tübingen
Prolog: Seit Anfang 2020 grassiert ein globaler Virus unter der Bezeichnung Sars-Cov-2 oder „Corona“. Maßnahmen zur Eindämmung dieses Virus, wie die 2G+ Regelung, haben natürlich auch Auswirkungen auf die Geburt und die Möglichkeit des Teilhabens an diesem wunderschönen Erlebnis durch die Väter. Ich bin daher sehr dankbar und überglücklich, dass ich die Geburt unserer wunderbaren Tochter M. mit meiner Frau Maren erleben durfte und teilnehmen und teilgeben konnte. Maren war zwar erkältet, aber eine Coronainfektion konnte durch die täglichen negativen Tests in den letzten Tagen ausgeschlossen werden.
Ich wurde am 14.12.2021 gegen 6 Uhr von Maren geweckt, da sie einen Blasensprung hatte.
Mir war bewusst, dass der Blasensprung die Geburt einleitet. Daher habe ich mich gefreut, dass es nun los geht und wir bald unser Kind in den Armen halten können.
Ich habe am Vormittag mit dem Geburtshaus telefoniert und die Info erhalten, dass wir vorbeikommen sollen, um ein CTG zu schreiben. Wir sind dann ins Geburtshaus gefahren. Dort wurde alles kontrolliert und für „gut“ befunden. Ich war bisher so entspannt, wie es die Gesamtsituation erlaubte. Die Professionalität und Empathie aller Hebammen des Geburtshauses haben bei mir vollkommenes Vertrauen und einen relativ ruhigen Puls erzeugt. Das Vertrauen ist aber auch während der vorhergehenden Besuche entstanden und gewachsen.
Bei diesem Termin wurde mir erst bewusst, dass die Wehen unbedingt spätestens 24 Stunden nach dem Blasensprung einsetzen müssen. Falls das nicht der Fall wäre, hätten wir im Krankenhaus entbinden müssen. Ich wusste, dass Maren auf jeden Fall im Geburtshaus entbinden wollte. Diese Information hat daher bei mir schon kleine Sorgenfalten entstehen lassen. Da Maren aber bisher alles so gut gemeistert hat (und ich auf keinen Fall besorgt wirken wollte), habe ich versucht, die Gedanken zu verdrängen. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht.
Natürlich hatten unsere Hebammen eine Lösung für dieses „Zeitproblem“: Rizinusöl. In einem leckeren Omelett versteckt sollte es die Aktivität der Gebärmutter anregen. Und das tat dieses Gericht dann auch. Gegen 16 Uhr wurde das Omelett gegessen und gegen 20 Uhr wurden die Wellen deutlich spürbarer für Maren. Wir haben versucht, mehrere Positionen im und vor dem Bett auszuprobieren, damit sie die starken Gefühle „wegatmen“ konnte. Ihre Vorbereitung mit Meditation und Entspannungstechniken hat hier ganz offensichtlich geholfen, sich auf die einzelnen Wellen einzulassen.
Ich habe mich immer noch sehr gefreut über die Ereignisse, da die Wehen jetzt rechtzeitig eingesetzt hatten und wir nicht ins Krankenhaus mussten. „Nicht ins Krankenhaus“ bedeutete aber auch „irgendwann ins Geburtshaus“.
Das „Wann“ war hier natürlich der Punkt, über den wir uns vorab und inzwischen ich ganz stark Gedanken machten. Die Wellen wurden länger und die Abstände kürzer.
Bei meinem ersten Anruf bei meiner Hebamme um 22 Uhr wurde ich noch etwas beruhigt. Sie hat mir Fragen gestellt, ich habe ihr die Situation beschrieben. „Je länger ihr zu Hause bleibt, desto weniger Zeit müsst ihr im Geburtshaus verbringen“. Dieses Credo wurde schon bei den Treffen vor der Geburt kommuniziert. Also abwarten. Maren bei verschiedenen Positionen unterstützen. Wasser holen. Position wechseln. Kissen aufbauen. Wasser reichen. Wehen-App bedienen. Abwarten. Bemerken, dass die Wehen-App schon drei Mal angezeigt hat, dass es Zeit wird, ins Krankenhaus zu fahren. Maren vertrauen und Info ignorieren (wir wollten ja auch überhaupt nicht ins Krankenhaus…). Abwarten.
Gegen 23 Uhr hat Maren mir einfach gesagt: „Ich schaffe es jetzt nicht mehr alleine. Ich brauche Hilfe.“ Nach einem weiteren Anruf bei unserer Hebamme sind wir ins vorbereitete Auto eingestiegen. Die Idee einer Hebamme, die Fahrt im Vierfüßlerstand auf der Rückbank zu verbringen, war absolut hilfreich. Maren hat regelmäßig und sehr kraftvoll geatmet. Wir hatten verabredet, dass ich nicht rasen soll. Ein kurzes „mir geht es gut“ von der Rückbank zwischen den tiefen Atemgeräuschen hat mich auch sehr beruhigt.
Es nahm also seinen Lauf. Bald halten wir unser Kind in den Armen. Ich musste grinsen, während ich nachts mit meiner schnaufenden Frau auf der Rückbank durch Tübingen gefahren bin.
Ca. 24 Uhr: Ankunft im Geburtshaus. Meine Hebamme war schon da und strahlt Ruhe aus. Sie weiß, was sie tut. Maren sei inzwischen auf der Überholspur meinte sie und hat gleich die zweite Hebamme informiert. Das Licht ist angenehm gedimmt. Es herrscht eine schöne entspannte Stimmung. Betten beziehen. Maren hört die Anweisungen der Hebamme und befolgt sie prompt. Ich versuche ebenfalls, die Anweisungen zu befolgen und halte abwechselnd Marens Beine, Arme, Oberkörper oder ihren Kopf, um sie in ihren Positionen zu unterstützen. Wasser reichen. Tee reichen. Auf die Toilette helfen. Unsere Hebamme lässt uns sehr viel Raum. Sie ist regelmäßig nicht im Zimmer. Ich bin kurz irritiert, merke aber, dass wir das hinbekommen. Sie ist immer zur rechten Zeit da und ich bin beruhigt.
Während der nächsten Stunden: Maren hat Schmerzen nach den Presswehen. Sie friert zwischen den Wellen und braucht auf jeden Fall eine Decke. Während der Wellen scheint ihr Körper heiß zu werden und ich soll die Decke auf jeden Fall wegnehmen. Decke hin, Decke weg. Wasser reichen. Anfeuern. Streicheln. Momente zwischen den Wellen zum kurzen Eindösen nutzen. Abwarten.
Entspannt bin ich seit Stunden nicht mehr, da ich nicht sehr ergonomische Positionen einnehme, um Marens Körperteile zu halten. „Im Vergleich zu deiner Frau ist das Nichts! Reiß dich zusammen!“, sage ich zu mir.
Selbst was trinken ist auch eine gute Idee. Nächste Welle. Decke weg. Irgendwelche Muskeln in meinem Körper melden, dass sie keine Lust mehr haben. Mein Gehirn meldet an die meuternden Muskeln: „Wollt ihr mit den Muskeln von Maren tauschen? Also Klappe halten und weiter machen!“. Wie lange kann Maren das überhaupt aushalten? Decke drauf. Position wechseln. Kurzer Tiefschlaf.
7:00 Uhr: die zweite Hebamme schreibt schon seit einiger Zeit sehr detailliert mit. Beide Hebammen sind im Raum. Es scheint jetzt wirklich mehr zu passieren als bisher. Unsere Hebamme kommuniziert mit Maren. Die macht schon seit Stunden genau das, was unsere Hebamme ihr sagt. Ich bin vollkommen beindruckt von ihr.
Meine Aufmerksamkeit erhält einen Schub. Oder ist das noch der Kaffee? Egal. Welle kommt und Maren presst viel länger als bisher. Welle geht. Maren ruht ihren Kopf auf meinen Armen aus. Sie strahlt Erschöpfung aus. Ich kann ihr nichts abnehmen. Welle kommt. Maren ist voll da und krallt sich in meine Arme. Welle geht. „Du schaffst das. Ich bin stolz auf dich“ sage und denke ich mit Tränen in den Augen. Welle kommt. Welle geht.
7:30 Uhr: Das wird die letzte Welle, mit der Maren unser Kind auf die Welt bringt. Maren kniet vor mir auf einer Matratze auf dem Boden, während ich auf der Bettkante sitze. Marens Hände halten sich an meinen Armen fest, die ich auf meinen Oberschenkeln abgelegt habe. Ich sehe, wie unser Kind zwischen ihren Beinen den ersten Augenblick außerhalb der Mutter erlebt. Ich weine. So etwas wundervolles habe ich noch nie erleben dürfen.
Unsere Hebamme gibt unser Kind mit wenigen gezielten Handgriffen an Maren. Wir legen uns zu dritt auf das Bett. Zum Ersten Mal zu dritt. Es ist ein Mädchen. Wir wollten es vorher nicht wissen. Sie wird M. heißen. Sie hat ein wunderschönes Gesicht. Alles ist da, mit allen Details, nur sehr klein. M. ist wunderschön. Maren ist wunderschön. Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden.
Beide Hebammen kümmern sich zauberhaft um Maren. Dann geben sie uns Zeit zu dritt. M. liegt auf Marens Bauch und robbt sich langsam zur linken Brust. Sie trinkt. Alles einfach wunderbar.
Ich bin nicht umgekippt. Das war mein persönliches Ziel „für Maren da sein und verdammt nochmal nicht umkippen“.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich dieses wundervolle und positive Ereignis begleiten und erleben durfte. Vielen herzlichen Dank an das Geburtshaus Tübingen und vor allem an die beiden Hebammen für Ihre Zeit, fürs aktive Zuhören und ihren wachen Geist.