Liebe Kristin, liebes Team der friedlichen Geburt,
ich durfte bereits in der Podcastfolge 281 von der Geburt meines ersten Kindes berichten, wofür ich sehr dankbar bin.
Ich wünsche mir von Herzen, dass ich damit schwangere Frauen und ihre Partner*innen positiv stärken kann, indem sie sich nicht zu sehr von ungefragten Meinungen beeinflussen lassen, sondern sich ermutigt fühlen, nach evidenzbasierter Aufklärung zu suchen. Zudem, dass ich ihnen durch das Lesen meines Berichts Mut und Kraft schenken kann, an eine empowernde Geburtserfahrung zu glauben, auch wenn es Besonderheiten gibt, welche zur mentalen Herausforderung werden können.
Und ich wünsche mir, als Fachfrau einen kleinen Teil dazu beizutragen zu können, Aufklärung zu schaffen, sodass Babys in Beckenendlage hoffentlich in naher Zukunft nicht mehr pauschal als „falsch herum“ liegend bezeichnet werden!
Herzliche Grüße
Hebamme Miriam
PS: Es handelt sich um einen persönlichen Erfahrungsbericht einer Hebamme. Alle Angaben sind ohne Gewähr und ersetzen keine individuelle fachliche Beratung zum Thema BEL-Geburt. Die geburtshilflichen Informationen zum Thema BEL dienen ausschließlich zum allgemeinen besseren Verständnis in Bezug auf den Erfahrungsbericht.
Es war Freitag in der Früh. Gegen 06:30 Uhr wachte ich auf und spürte ein minimales Ziehen im Bauch. Anfangs dachte ich, mein Körper „übt“ nur ein bisschen, doch dann nahm es an Dynamik zu. Die darauffolgenden Stunden vergingen wie im Flug. Ich kreiste mich ein (so beschreibt man das in der Hebammensprache) und konnte total bei mir und meinem Baby sein.
Ich übte während der Schwangerschaft regelmäßig die „tiefe Bauchatmung“ von Kristin und wandte diese automatisch an. Ich hatte den intuitiven Impuls, mich frei bewegen zu wollen und wechselte die Positionen so, wie es für mich in dem Moment passend war. Ich spürte ganz genau, was mir guttat und was nicht. Kopfhörer brauchte ich nicht. Ich dachte gar nicht daran, da ich einfach in meine „Welt des Gebärens“ abgetaucht bin. Meine Wünsche wollte und konnte ich trotz dessen gut kommunizieren, ohne dass ich dadurch aus meiner Trance kam. Erst war es die heißersehnte Brezel als Energiesnack in der Kontraktionspause und danach das Erscheinen meiner Hebammenfreundin.
Als mein Mann vom Coronatest zurückkam, hatte ich den Türrahmen und einen kleinen Gymnastikball für mich entdeckt. Diesen platzierte ich hinten auf meinem Kreuzbein und lehnte mich damit an den Türrahmen. Bei jeder (mittlerweile) Welle, drückte ich somit fest den Ball an mein Kreuz und bewegte kreisend mein Becken. Mit meinen Händen stützte ich mich im vorderen Türrahmen ab, sodass ich einen guten Halt hatte. Lautes Tönen auf tiefem Aaaa und Oooo begleitete jede einzelne Welle. Das war mein Ventil und fühlte sich genau richtig an.
Ich war total in meiner Welt versunken, visualisierte meinen Kraftort nicht, aber spürte ihn total. Keine Sekunde dachte ich an die Lage meines Kindes. Es kamen keine Zweifel diesbezüglich auf, denn ich wusste, das ist der richtige Weg für uns. Wir haben ihn im Vorhinein ausführlich besprochen, alle medizinischen Voraussetzungen für eine natürliche BEL-Geburt waren gegeben und wir werden von einem erfahrenen geburtshilflichen Team auf diesem Geburtsweg begleitet.
Als meine Hebammenfreundin gegen Mittag in der Tür stand, fiel ich ihr mit Tränen in den Augen in die Arme und sie sagte ruhig, erfreut und ermutigend: „Du bist unter Geburt…“ Ihre große Erfahrung hätte eine vaginale Untersuchung gar nicht mehr nötig gemacht, aber ich wollte dies, da ich nicht begreifen konnte, dass heute wirklich der Tag gekommen war.
Mein Gebärmutterhals war verstrichen (das bedeutet so viel wie zurückgezogen), der Muttermund 3-4 cm eröffnet und der Steiß von unserer Tochter war in perfekter Startposition für eine natürliche Geburt aus BEL. Ein wunderbarer Anfangsbefund. Wir machten uns auf den Weg in unsere Geburtsklinik.
Im Kreißsaal angekommen konnte ich richtig „loslassen“ und die Wellen wurden deutlich intensiver. Das Atmen und wirklich laute Tönen, sowie die Bewegung mit dem kleinen Gymnastikball am Türrahmen oder der Wand, waren für mich persönlich eine hilfreiche Art, mit den Wellen mitzugehen.
Ich erhielt ein Aufnahme-CTG, einen Venenzugang/Blutentnahme und eine erneute Kontrolle des Muttermundes durch eine Hebamme der Frühschicht. Der Muttermund war bereits gute 6 cm eröffnet. Dieser Befund passte auch sehr zu meinem Empfinden, da es deutlich intensiver wurde. Nachdem die Hebammen Schichtwechsel hatten und sich meine betreuende Hebamme vom Spätdienst vorstellte, zogen wir recht zügig in den Kreißsaal um.
Da ich vermutete, dass die Geburt bei mir als Erstgebärende noch relativ lange andauern wird, entschloss ich mich für eine Periduralanästhesie (PDA) und wir bereiteten alles dafür vor. Nachdem die PDA lag und in Seitenlage langsam ihre Wirkung entfalten sollte, spürte ich plötzlich eine Art Knacken. Und dann lief ein spürbarer Wasserfall meine Beine hinunter. Nun hatte ich einen spontanen Blasensprung. Es fühlte sich an wie eine unwillkürliche Druckentlastung. Ein irres Gefühl. Meine Hebamme untersuchte mich direkt. Das Fruchtwasser war grün. Das heißt, dass das Baby Mekonium, also seinen ersten Stuhlgang ins Fruchtwasser ausgeschieden hat.
Kurze Erklärung am Rande: Dies kann allgemein bei Geburten ein Zeichen für eine Art „negative Stressbelastungssituation“ beim Ungeborenen sein. Bei BEL kann es hingegen auch, sofern die Herztöne gut sind und es keinerlei andere Auffälligkeiten gibt, ein gutes Zeichen sein und für eine gute Geburtsdynamik stehen. Insbesondere wenn der Mekonium-Abgang „frisch“ ist. Es lässt sich dadurch erklären, dass wenn der Popo/Steiß Druck bekommt, automatisch als physiologische Folgeerscheinung Stuhlgang herausgedrückt wird.
Der Muttermund war nun 8 cm eröffnet und der Steiß kam tiefer in den Beckeneingang. Ein Zeichen für eine prima Geburtsdynamik. Wir freuten uns sehr und ich wurde erneut auf die Seite gelagert, damit sich die PDA weiterhin gut verteilen konnte. Keine fünf Minuten später verspürte ich unvermittelt starken Druck nach unten und es überkam mich der klassische Pressdrang, welcher in fast jedem Geburtsvorbereitungskurs ausführlich besprochen wird.
Ich schob intuitiv mit nach unten und spürte, wie sich mein Baby mit jeder Welle weiter hinunter den Weg durchs Becken arbeitete. Unsere Hebamme war innerhalb weniger Minuten anwesend und untersuchte mich erneut. Der Muttermund war, wie ich selbst vermutet hatte, vollständig eröffnet und der Popo bzw. Steiß von unserer Tochter tief und adäquat ins Becken eingetreten.
Meine Hebamme verständigte noch das weitere Team, da bei einer Beckenendlagengeburt in der Klinik auch immer noch eine erfahrene Gynäkologin oder erfahrener Gynäkologe mit dabei ist und in manchen Kliniken auch Kinderklinik-Personal usw. Die BEL ist und das ist immer wieder sehr wichtig zu betonen, eine physiologische Längslage, welche jedoch ein höheres Risiko für einen pathologischen Verlauf mit sich bringt, da der Weg durch Becken andersherum oftmals etwas anspruchsvoller ist. Deshalb ist ein gut funktionierendes Expertenteam, bestehend aus erfahrenen Hebammen und Ärzt*innen, eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Geburtserlebnis und bestmögliches Outcome von Mutter und Kind.
Ich begab mich in die Knie-Ellenbogen-Lage, da diese für die Geburt aus BEL, genauso wie der Vierfüßlerstand eine der besten Geburtspositionen ist, bei welcher das Kind häufig in sogenannter Führungslinie der Schwerkraft folgt und keinerlei Handgriffe von außen gebraucht werden, da es sich sozusagen selbst „herausentwickelt“.
Ich schob während der Welle mit all meiner Kraft aktiv mit und spürte mit Leib und Seele, zu was für einer körperlichen Höchstleistung unser Wunderwerk „Körper“ in der Lage ist und wie faszinierend und unbeschreiblich das Gefühl und Erleben des Gebärens ist. Meine Hebamme fragte mich, ob ich selbst mal tasten möchte und da spürte ich den weichen Popo meines Babys und konnte es kaum erwarten, mein Kind in den Armen zu halten.
Ich stand vor der Zielgeraden und gab einfach alles! Im Vierfüßlerstand wurde dann der Popo unserer Tochter langsam geboren und die Beinchen kamen heraus. Ich kann mich noch gut an diesen Moment erinnern. Danach folgte eine weitere Drehung des Rumpfes, welche BEL-Babys, insbesondere in aufrechter Gebärhaltung, in vielen Fällen von selbst vollziehen. Unsere kleine Maus wollte sich jedoch nicht so zügig in die Rotation begeben, sodass ihr dann mit einem Handgriff etwas nachgeholfen wurde.
Man muss jedoch anmerken, dass die Gesamtdauer der Austrittsphase bei mir als Erstgebärende nur 20 Minuten betraf. Das ist eher ungewöhnlich kurz. Spezielle Handgriffe werden insbesondere dann notwendig, wenn sich die Arme nicht von selbst ins Becken eindrehen, sondern das Baby diese nach oben ausstreckt (hochschlägt). Eine aufmerksame, ruhige und zurückhaltende Begleitung ist sehr bedeutsam, damit sich das Kind im wahrsten Sinne des Wortes nicht „erschreckt“ und dann noch eher die Arme nach oben schlägt.
Nun ja, zurück zu unserer Geburtsgeschichte. Für die Anwendung des Handgriffes sollte ich mich einmal in die Position der Rückenlage begeben. Dies war ein Moment, der unangenehm war und sich wie ein starkes „Eingreifen“ angefühlt hat. Aber in solch einer Situation ist die Anwendung von unterstützenden Handgriffen nach professionellem Einschätzen und Abwägen durch erfahrenes geburtshilfliches Personal indiziert und gerechtfertigt. Nachdem die Arme von unserer Tochter daraufhin zügig geboren wurden, fühlte sich dies wie eine erneute Erleichterung an und ich durfte mich für die Geburt des Kopfes erneut in die aufrechte Position begeben.
Bei der nächsten Welle sollte der Kopf geboren werden. Bezüglich der Kopfgeburt wird einem bei BEL-Geburten oft Angst gemacht, dass dieser „stecken“ bleiben könnte etc… Ich wusste, dass dies unwissenschaftlich, sowie äußerst selten der Fall ist und diverse pathologische Faktoren dann in den allermeisten Fällen bereits deutlich früher als Warnsignal im Geburtsverlauf auftreten. Kurz kamen die negativen Erinnerungen jedoch hoch und es überkam mich das kämpferische Gefühl, mich von diversen angstmachenden und unqualifizierten Kommentaren, welche mich in der Schwangerschaft unnötig belastet haben, befreien zu wollen. So rief ich laut und überzeugt in den Kreißsaal: „Ich will jetzt mein Baby!“ Mit der nächsten Welle wurde der Kopf unserer Tochter geboren und es war geschafft! Sie wurde mir unter meinem Körper (da ich ja im Vierfüßlerstand war) hervorgegeben und ich nahm sie hoch auf meine Brust und rief zu meinem Mann: „Es ist ein Mädchen!“ Ein unbeschreiblich erfüllendes Gefühl, welches ich niemals vergessen und für das ich immer dankbar sein werde!
Die kleine Maus kam mit einem Geburtsgewicht von 2900 Gramm auf die Welt und vollzog ihren ersten Atemzug ganz prima mit einem lauten “Hallo hier bin ich”. Wir ließen die Nabelschnur in aller Ruhe auspulsieren, bis sich ihr Kreislauf eigenständig umgestellt hatte. Anfangs hat sie noch ein bisschen „auffällig“ geatmet (wahrscheinlich, weil alles so rasant schnell ging), aber innerhalb weniger Minuten hat sich auch das reguliert, ihr Kreislaufsystem hat sich adaptiert und sie ist auf der Welt angekommen. Wir bondeten und kuschelten. Sie wurde rasch rosig und fing an, meine Brust zu suchen.