Geburtsbericht N.
Meine Reise des Loslassens!
Achtung: Triggerwarnung!!! Keine leichte Geburt, für mich trotz allem selbstbestimmt. Und außerdem sehr langer Bericht
Erste Schwangerschaft, ET 24.12.2020, Entbindung bei 41+4 am 04.01.2021 mit 4120g, 56cm und einem Kopfumfang von 36,5cm.
Ich bereitete mich ab der 22. SSW mit Kristins Kurs auf die Geburt vor. Zuvor hörte ich bereits begeistert ihren Podcast, was mich schlussendlich dazu bewog, auch ihren Kurs zu buchen und ich habe es nicht bereut.
Ich hatte eine sehr schöne Schwangerschaft, die bis zum Schluss komplikationsfrei und unbeschwert war. Ich fühlte mich gut und war durch die täglichen Meditationen ausgeglichen und blickte der Geburt freudig und ohne Angst entgegen. Für mich stand von Beginn an fest, dass ich gern in einem Geburtshaus entbinden möchte, ich meldete mich lediglich als Back-Up in einem Krankenhaus an.
Ab der 34. SSW. ernährte ich mich nach Louwen und machte täglich die Dammmassage. Ab der 36. SSW bereitete ich mich außerdem mit Himbeerblättertee, Akkupunktur, Heublumensitzbädern und dem EPI-NO vor – also bestens vorbereitet dachte ich!
Anfang Dezember zeigte sich im Ultraschall bereits, dass die Kleine ihre Käseschmiere abgeworfen hat, denn diese schwamm wie kleine Schneeflocken im Fruchtwasser wild umher. Auch der Gebärmutterhals war bereits um die Hälfte verstrichen was ein gutes Zeichen war. Es könnte also bald losgehen dachten wir.
Am 22.12. war ich erneut zur Vorsorge beim Frauenarzt, wo dieser eine HHL (hintere Hinterhauptslage) feststellte, was für die Geburt wohl nicht die optimalste Stellung des Köpfchens ist. Ich rief im Anschluss panisch meine Hebamme an und erzählte ihr von dem Befund. Sie konnte mich aber wieder gut beruhigen, denn sie meinte, wenn die Geburt noch nicht richtig gestartet ist, kann man über die Lage des Kopfes im Becken noch kein eindeutiges Urteil fällen, denn dieser drehe sich auch während der Geburt nochmal. Also erstmal Entwarnung – Puh!
Der errechnete Termin stand bevor, doch die kleine Nele wollte sich bisher noch nicht auf die Welt begeben, obwohl ich schon seit mehr als 4 Wochen Senk- und Übungswellen hatte. Da es der kleinen Maus aber weiterhin gut ging in meinem Bauch, machte ich mir erstmal keinen Druck. Doch als ich bereits eine Woche über Termin ging, wurde ich langsam unruhig, da ich ja wusste, dass wir nur bis ET +14 im Geburtshaus entbinden können. Daher machten wir von da an täglich eine Akkupunktur, um die kleine Maus zu locken. Außerdem nahm ich heiße Bäder, bekam Fußmassagen von meinem Freund und gemeinsam mit meiner Hebamme wendete ich Nelkenöltampons an, was zunächst alles ohne Erfolg blieb.
Am Freitag den 02.01.21 wurde mein Bauch relativ häufig hart und ich verspürte ein stärkeres Ziehen im Unterleib als sonst, die Latenzphase schien zu starten – Juhu! Auch in der Nacht blieben diese leichten Wellen, weshalb ich viel durch die Wohnung lief und mein Becken kreiste, um die Kleine zu unterstützen. Am Samstagmorgen dann war Blut an meinem Nelkentampon, es schien endlich voranzugehen. Den ganzen Samstag über bekam ich wieder in unregelmäßigen Abständen einen harten Bauch und dieses Ziehen im Unterleib, ich wartete aber darauf, dass es endlich stärker wird und so richtig losgeht. In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe ich wieder kaum geschlafen, da die Wellen teilweise schon so stark waren, dass ich diese veratmen musste und mit meiner Hebamme per What’s App Kontakt aufnahm, da ich unschlüssig war, ob wir bereits losfahren müssen. Sie motivierte mich, noch eine Weile zu Hause auszuhalten. Gegen frühen Morgen (03.01., ET +10) nahm dann die Intensität wieder ab, ich war ernüchtert und langsam auch genervt, ich wollte das es endlich so richtig los geht. Irgendwie sagte mir mein Bauchgefühl, dass ich hier zu Hause nicht loslassen kann, da mich die lange bevorstehende Fahrt ins Geburtshaus von 50min, sowie der Wintereinbruch mit Schnee innerlich blockierten und es deshalb nicht richtig voran ging. In Rücksprache mit meiner Hebamme entschieden wir dann, trotz der noch schwachen und unregelmäßigen Wellen, ins Geburtshaus zu fahren, wo wir kurz vor 9 Uhr eintrafen. Wir richteten uns ein und die Hebamme untersuchte mich vaginal und stellte fest, dass der Gebärmutterhals komplett verstrichen ist und der Mumu fingerdurchlässig – also hatte sich bereits etwas getan, aber ich befand mich immer noch in der Latenzphase. Mein Freund und ich machten zunächst noch einen kleinen Spaziergang in der schönen Schneelandschaft, wo die Intensität der Wellen wieder zunahm und ich stehenbleiben musste, um diese zu veratmen. Zurück im Geburtshaus habe ich noch ein belegtes Brötchen gegessen, was an diesem Tag meine einzige Mahlzeit blieb und dann veratmete ich die Wellen auf dem Pezziball. Doch plötzlich überrannten mich starke Emotionen von Trauer. Was ist denn nun los? Schnell wurde mir klar, was los ist, es war der 03.01. und am 04.01. war der Geburtstag meines vor 3 Jahren verstorbenen Opas. Gleichzeitig kam dabei der Verlust meiner Oma (seiner Ehefrau) wieder hoch, die in meiner 9. SSW plötzlich verstarb. Irgendwie weckte das ganz viele Erinnerungen und Gefühle in mir, doch ich erinnerte mich an Kristins Worte: die Geburt hat etwas mit Hingabe und Loslassen zu tun, also ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf. Mein Freund war damit etwas überfordert und wusste nicht so recht, wie er damit umgehen soll, schließlich wird heute unsere Tochter geboren, wie kann ich da traurig sein?!? Daher zog ich mich in den Nebenraum zurück, um für mich zu sein. Gegen 14 Uhr kam die Hebamme wieder zu uns, um nach dem rechten zu schauen und sie nahm sofort meine Gefühlslage wahr. Ich erzählte ihr, was los ist und sie war einfach nur da, nahm mich in den Arm und fand sehr tröstliche Worte für meine Situation. Sie bot mir eine Akkupunktur und Globulis an, um die Emotionen besser loslassen zu können, was ich dankend annahm. Anschließend tastete sie nochmals meinen Mumu – 4cm! Es ging also voran.
Danach nahm die Geburt so richtig Fahrt auf, ich konnte mich gut in die Hypnose begeben und visualisieren, die Wellen wurden kräftiger, was man wohl auch an meiner Atmung hörte. Gegen 17.00 Uhr tastete sie erneut meinen Mumu – 9cm und kurz darauf platzte die Fruchtblase. Meinem Freund und mir stiegen Tränen in die Augen und wir umarmten uns, denn wir dachten, dass es nun nicht mehr lange dauern könnte, bis wir unser kleines Wunder in den Armen halten können. Ich überwand mich noch, eine halbe Banane zu essen, um noch ein wenig Kraft zu tanken und stieg dann in die Badewanne. Die zweite Hebamme kam hinzu, denn wir dachten ja, dass nun die Austreibungsphase bald kommen würde. Ich veratmete ruhig die Wellen mit der Wellenatmung und versuchte, so gut es ging, zu visualisieren, ich war dabei mal an meinem Kraftort und mal in meiner Gebärmutter, immer so, wie es gerade für mich gepasst hat. In den Wellenpausen blieb ich aber nicht in der Hypnose, was für mich gut funktioniert hat. Ich sprach dabei mit meinem Freund und den Hebammen und scherzte sogar noch rum und sobald ich bemerkte, dass sich eine neue Welle anbahnte, tauchte ich erneut wie ein Delfin ab, so wie es Kristin immer erklärt hat. In jeder Welle hielt mein Freund mir die Hand und wendete die Light-Touch Massage in meinem Nacken an. Irgendwann übermannte mich die Übelkeit und die halbe Banane suchte sich kurzum wieder den Weg nach draußen. Es hieß also wieder mal „Loslassen“, was aber erstaunlich guttat. In den Wellenpausen strampelte N. wie verrückt, was wirklich sehr schmerzte, so dass ich nicht mal zwischen den Wellen wirklich Pause hatte. Es bahnte sich immer schon mal ein Druck nach unten sowie ein Pressdrang an, wo ich kräftig mitgeschoben habe, allerdings ohne Erfolg. Nach einigen Stunden im Wasser (ich weiß leider nicht mehr die genaue Uhrzeit, da irgendwann die Zeit verschwamm. Laut den Fotos, die die Hebammen währenddessen machten, muss es gegen 22 Uhr gewesen sein) bat mich die Hebamme, aus der Badewanne zu kommen, da es irgendwie nicht voran ging. Sie tastete meinen Mumu und dabei machte sich große Ernüchterung breit – 5cm! Was ist denn da passiert?!? Die Hebamme schob es da noch auf die Erschöpfung, denn schließlich hatte ich schon zwei schlaflose Nächte hinter mir und war bereits seit 12 Stunden im Geburtshaus. Die genaue Lage des Kopfes im Becken konnte sie auch nicht so 100% ertasten, wir versuchten dennoch alle erdenklichen Positionen aus, um dem Kopf den Weg durch das Becken zu erleichtern. Ich kämpfte mich wieder auf 9cm hoch, doch der letzte Zentimeter wollte einfach nicht weichen, weshalb die Hebamme probierte, diesen während einer Welle mit ihren Fingern wegzudrücken und gleichzeitig sollte ich mitschieben. Jedoch blieben auch diese Versuche ohne Erfolg. Mit der Zeit schwanden meine Kräfte mehr und mehr, da ich mich durch das Strampeln von N. zwischen den Wellen auch nicht wirklich erholen konnte, dennoch kämpfte ich weiter für meine kleine Tochter, denn ich wünschte mir nichts sehnlicher, als eine friedliche natürliche Geburt mit so wenig wie möglich Interventionen. Irgendwann zitterte ich am ganzen Leib, ich habe noch nie so sehr in meinem Leben gefroren und gleichzeitig geschwitzt und peu a peu schwand auch mein gutes Bauchgefühl und der Glaube daran, dass N. hier im Geburtshaus geboren wird. Ich hatte irgendwie im Gefühl, dass etwas nicht stimmt, obwohl N. Herztöne weiterhin im grünen Bereich lagen. Um 1 Uhr nachts traf ich die Entscheidung, dass ich in die Klinik möchte, wovon ich die beiden Hebammen erst noch überzeugen musste, denn sie hätten weiter probiert. Ich fragte die Hebamme noch, ob wir jetzt den RTW rufen und ob ich nicht lieber in die nahegelegene Klinik (10 min Fahrtweg) sollte. Sie meinte, das sei nicht nötig, da es keine eilige Verlegung sei. Ich war in dem Moment auch nicht mehr in der Lage zu diskutieren, also ging es mit dem eigenen PKW in die 35min entfernte Wunschklinik. Mein Freund ist gefahren, ich saß mit fast völlig eröffnetem Mumu auf dem Beifahrersitz und die Hebamme auf dem Rücksitz. Da ich nun völlig erschöpft war und auch noch der Ortswechsel hinzukam, konnte ich mich gar nicht mehr auf die Hypnose konzentrieren, so dass die Wellen mit voller Kraft auf mich einprasselten. Dort angekommen, übergab mich meine Hebamme an der Notaufnahme und ich wollte nur noch eins – eine PDA! Doch auf diese musste ich noch 1.5 Stunden warten, denn zunächst musste ein Corona-Test durchgeführt, ein Blutbild erstellt sowie sämtliche Aufklärungsbögen gelesen und unterschrieben werden, bis dann endlich der Anästhesist und somit die Erlösung kam. Danach durfte ich erstmal eine halbe Stunde verschnaufen und anschließend ging es an den Wehentropf. Die Hebamme im Kreißsaal war sehr einfühlsam und erfahren, sie arbeitete zuvor auch viele Jahre in einem Geburtshaus. Sie ertastete gleich beim ersten Mal, dass das Kind in der HHL liegt und sich eine natürliche Geburt somit als fast unmöglich darstellt. Sie erzählte mir, dass sie es in ihrer langen Laufbahn einmal erlebt hat, dass sich das Baby noch richtig mit dem Köpfchen in das Becken eingefunden hat, also gab auch ich die Hoffnung nicht auf, denn schließlich erwies ich mich schon oft als ein echter Glückspilz. Also wurde ich zunächst links und später nochmal rechts seitlich gelagert, in der Hoffnung, dass sich die kleine Maus mit ihrem Gesicht entweder noch in die rechte oder linke Seite dreht. Der Mumu eröffnete sich schlussendlich durch den Wehentropf noch auf 10cm und die Hebamme gab mir während der Wellen ein paar Mal die Anweisung, kräftig mitzuschieben. „Also an der Kraft mangelt es der jungen Dame nicht“, meinte sie und ich war über mich selbst erstaunt, woher ich noch meine Kraft und Motivation nahm. Um ca. 4 Uhr morgens wurde dann der Chefarzt aus dem Bett geklingelt, der sich auch nochmal ein Bild machte. Er gab mir noch eine Schonfrist bis 5 Uhr, dann müssten wir aber langsam mal handeln, denn irgendwann könnte auch der Zustand der Kleinen kippen, was natürlich niemand wollte. Also gaben wir bis 5 Uhr nochmal alles, leider vergebens. Meine letzte Chance – ein Kaiserschnitt. Alles, was ich nicht wollte, ist also eingetreten, dass volle Interventionsprogramm. Ich konnte meine Tränen in diesem Moment nicht mehr zurückhalten, auch wenn ich wusste, dass es die vernünftigste Lösung für mich und die Kleine ist. Das gesamte Team und natürlich auch mein Freund standen mir liebevoll bei und es wurde alles für die OP vorbereitet. Gott sei Dank konnte mein Freund trotz Corona mit in den OP und diesen einzigartigen Moment miterleben. Dafür bin ich/sind wir sehr dankbar!
Bei der OP stellte sich heraus, dass es wirklich höchste Eisenbahn war, denn das Fruchtwasser war bereits grün – ein deutliches Stresszeichen, ihre Herztöne waren aber die ganze Zeit über stabil. Außerdem stellte sich heraus, dass ein relatives Missverhältnis zwischen der Größe der Kleinen und meinem Becken bestand, weshalb sie niemals durch mein Becken gepasst hätte. Das erklärte einiges: warum sich ihr Kopf nicht richtig ins Becken einfinden konnte und in der I. vorderen HHL blieb; warum der Mumu zwischenzeitlich wieder auf 5cm zuging (durch die ungünstige Position des Köpfchens fehlte einfach der nötige Druck auf den Mumu); warum die Presswehen nie so richtig einsetzten, obwohl der Mumu eröffnet war; warum sie in den Wellenpausen so unerbittlich strampelte, um irgendwie in die richtige Position zu kommen und warum ich bereits seit 6 Wochen Senk- und Übungswellen hatte ohne, dass es so richtig losging.
Um 06:11 Uhr erblickte die kleine N. nach einer langen Geburtsreise das Licht der Welt und teilte dies allen mit einem kräftigen Schrei mit. Und so hält sie den Geburtstag ihres verstorbenen Uropas in Ehren und macht ihn nicht nur zu ihrem, sondern zu etwas ganz Besonderem.
Diese Geburtsreise lehrte mich nicht nur das Loslassen von Trauer über den Verlust meiner Großeltern und jeglichen Körpersäften während des Geburtsprozesses, sondern vor allem das Loslassen von meiner visualisierten Traumgeburt, um dann festzustellen, dass auch andere Wege völlig okay und gut sind. Für die ein oder andere mag sich diese Geburtsreise heftig anhören, doch ich habe zu jeder Zeit das Gefühl gehabt, mitentscheiden zu dürfen und so war diese Geburt für mich dennoch selbstbestimmt. Ich möchte euch Frauen da draußen Mut machen, dass ihr alles schaffen könnt, auch wenn es in dem Moment unendlich schwer scheint. Habt keine Angst! Ihr entwickelt während der Geburt eine enorme Kraft und Willensstärke und so lange ihr bei euch und eurem Bauchgefühl bleibt, wird alles so gut wie in eurer Situation nur möglich verlaufen, da bin ich mir sicher.
Ich bin voller Demut vor der Zeit, in der wir leben, denn bevor ein Kaiserschnitt überhaupt möglich war, hätten wir beide das wohl nicht überlebt. Klar ist es nicht das, was ich mir für uns gewünscht habe, aber es hat uns das Leben gerettet und war letztendlich der einzige Weg und für diesen Fortschritt in der Medizin bin ich sehr dankbar.