Ich hatte über Instagram schon öfter von dem Kurs „Die friedliche Geburt“ gelesen. Von vielen negativen Geburtsberichten geprägt, wollte ich mithilfe des Kurses mein Mindset verändern und mich positiv auf meine erste Geburt vorbereiten. Ich fand den Kurs im Nachgang deutlich effektiver als den Vorbereitungskurs vor Ort. Kristin verbindet die Entspannungstechniken mit viel fundiertem Hintergrundwissen, welches allein schon sehr hilfreich ist, um zu verstehen, welche Prozesse bei einer Geburt ablaufen.
Am 23.08.22, vier Tage nach dem errechneten Entbindungstermin, wurde ich morgens gegen 4.00 Uhr von leichten Wehen geweckt. Mein Mann schlief schon seit ein paar Nächten im Kinderzimmer, damit ich meine Ruhe hatte. So verbrachte ich ein paar Stunden im Bett und trackte entspannt die Wehen. Gegen 8.00 Uhr spürte ich eine stärkere Wehe, die mich aufstehen ließ. Dabei hatte ich plötzlich das Gefühl, ein wenig Fruchtwasser zu verlieren. In dem Moment ließen die Wehen nach. Mein Mann und ich frühstückten entspannt auf der Terasse und die Wehen kehrten langsam zurück.
Um 13.00 Uhr hatten wir einen Kontrolltermin bei der Nachsorgehebamme. Hier waren leider keine Wehen auf dem CTG zu sehen, allerdings handelte es sich tatsächlich um Fruchtwasser. Nun machte ich mir ein wenig Sorgen, weil ich mit geöffneter Fruchtblase nur ein Zeitfenster von 24 Stunde hatte, in der die Geburt richtig losgehen musste, um meinen Plan von einer Hausgeburt umsetzen zu können. Ich schloss mich auch mit der Hausgeburtshebamme kurz zusammen und bekam ein paar Tipps, wie ich die Wehen in Gang bringen könnte. Gegen Abend hatte ich tatsächlich wieder stärkere und regelmäßigere Wehen und war noch einmal zur Kontrolle bei meiner Nachsorgehebamme. Nun waren auch Wehen auf dem CTG zu sehen.
Wir fuhren mit einem besseren Gefühl wieder nach Hause und wollten entspannt in den Abend starten. Die Wehen waren aber doch so präsent, dass nicht mehr so richtig an eine entspannte Nacht zu denken war. Mein Mann bereitete gegen Mitternacht den Geburtspool vor, auf den ich mich schon so lange freute, da wir keine Badewanne haben. Ich hörte in der Zeit schon die erste Meditation auf den Kopfhörern und saß auf dem Gymnastikball. Irgendwann begann mein Körper, stark zu zittern und ich ging in den Pool, was für Entspannung sorgte. Essen konnte ich leider nichts mehr, da ich mich davon übergeben musste. So verbrachten wir die Nacht im Wohnzimmer. Ich lag viel im Pool mit Kopfhörern und mein Mann auf der Couch. Beide nickten wir immer wieder ein.
Da ich nicht richtig einschätzen konnte, wo genau ich im Geburtsprozess stand und die 24 Stunden bald abliefen, bat ich die Hebamme, dazuzukommen. Mit Ankunft der Hebamme, die mich noch für meine tolle Veratmung der Wehen lobte, wurden die Wehen aber schwächer und zudem bekam ich die ernüchterne Nachricht, dass der MM erst ca. 1-2 cm geöffnet war. Diese Nachricht hat mich enttäuscht, da nun meine Hausgeburt in Gefahr war. Die Hebamme hat mir aber Zeit gelassen, um selbst in Ruhe die Entscheidung zu treffen, ins Krankenhaus zu fahren. Ich war inzwischen auch an einem Punkt, an dem ich gerne weitere Unterstützung haben wollte, auch in Form von Schmerzmitteln, sodass wir gegen 8.00 Uhr ins Krankenhaus fuhren. Meine Krankenhaustasche war natürlich gepackt, weil ich mich ja mit allen Eventualitäten auseinandergesetzt hatte.
Wie zur Bestätigung meiner Entscheidung wurden die Wehen schon auf dem Weg ins Krankenhaus wieder stärker. Dort angekommen, wurde ich erstmal ausführlich untersucht und als „fehlgeschlagene“ Hausgeburt auch etwas kritisch beäugt, aber meinem Baby ging es gut, die Geburt war wieder in Gang und das Schmerzmittel wirkte. Mit dem Schichtwechsel ein paar Stunden später verbesserte sich auch das Klima noch einmal deutlich. Allerdings war ich durch die Schmerzmittel ein paar Stunden weggetreten, was mich irritiert hat. Für die Hypnosen war ich nun nicht mehr empfänglich, allerdings war ich sowieso schon sehr mit mir beschäftigt und auf der Entbindungsstation war es sehr ruhig. Wir wurden auch weitestgehend in Ruhe gelassen, was ich gut fand.
Das Hebammenzimmer lag aber direkt nebenan, sodass wir jederzeit klopfen konnten. Nachdem das Schmerzmittel aufhörte, zu wirken und ich mich ein wenig ausgeruht hatte, konnte ich mit den Wehen sehr gut umgehen, da mir durch den Kurs immer bewusst war, dass mich das nur näher an mein Ziel bringen würde. Allerdings war ich zwischendurch auch an dem Punkt, an dem ich über einen Kaiserschnitt nachdachte, weil ich das Gefühl hatte, dass es gar nicht vorangeht.
Gegen 19.00 Uhr veränderten sich die Wehen langsam und bekamen eher einen schiebenden Charakter. Wenn ich in den Stunden vorher manchmal sehr gezweifelt hatte, ob es denn überhaupt noch vorangeht, wusste ich jetzt sofort, dass wir ein ganzes Stück geschafft hatten. Die Hebamme begann nun, mit mir Geburtspositionen auszuprobieren und schickte mich nochmal auf die Toilette. Ein paar Wehen musste ich veratmen, bis der MM komplett verstrichen war, was ich als sehr unangenehm empfunden habe. Für die letzte Phase bekam ich einen Wehentropf, da meine Wehen in sehr großem Abstand kamen.
Als die Hebamme schließlich den Arzt dazurief, gab mir das nochmal einen Motivationsschub, dass es nun wirklich nicht mehr lang dauern konnte. Der Arzt zog sich im Zimmer entspannt zurück und ließ die Hebamme machen. Ich lag auf der Seite und konnte so die Hände meines Mannes halten und trotzdem zwischendurch auf Nachfrage auch das Köpfchen befühlen. Auch für meinen Mann war das eine tolle Position, da er mich und den Geburtsverlauf im Blick hatte. Die Hebamme gab mir eine Anleitung zum Pressen, die ich zwar in Bezug auf Geburtsverletzungen nicht optimal fand, aber irgendwo wollte ich nun auch aktiv mitarbeiten und so langsam nach fast 40 Stunden fertig werden.
Nach nur 20 Minuten aktivem Pressen und einem Dammschnitt war mein Sohn dann am 24.08. um 20.58 Uhr sehr schnell da und meine Erleichterung unglaublich groß. Er hatte die Nabelschnur um den Hals und die Schulter, was vielleicht den langsamen Geburtsverlauf erklärt, weil das Köpfchen nicht richtig auf den MM gedrückt hat. Er wurde mir sofort auf die Brust gelegt und auf Nachfrage nicht sofort abgenabelt. Nach kurzer Zeit konnten mein Mann und ich sogar das Breast Crawling erleben, dass ich mir so gewünscht hatte, und die Hebamme half mir beim ersten Anlegen.
Wir waren uns nicht ganz sicher, ob wir die Nacht im Krankenhaus oder Zuhause verbringen wollten. Der Arzt gab uns das Go, nach Hause zu fahren, aber es stand auch ein Familienzimmer zur Verfügung. Da mein Kreislauf nicht sehr stabil war und wir zu dritt sein konnten, zogen wir nach zwei entspannten Stunden im Kreißsaal für eine Nacht ins Familienzimmer um und fuhren dann am nächsten Morgen entspannt nach Hause.
Wenn ich durch den Kurs nicht so aufgeklärt gewesen wäre, hätte ich auf viele Dinge nicht geachtet oder keinen Wert gelegt, bzw. nicht explizit nachgefragt. So wäre mir z. B. das Breast Crawling entgangen oder mein Sohn wäre viel schneller abgenabelt worden, bzw. hätte ich keine Entscheidungsfreiheit gehabt, nach Hause zu fahren oder zu bleiben. Ich bin auch nicht mit allen Dingen zufrieden, beispielsweise wurde ich nicht darüber aufgeklärt, was für Schmerzmittel ich genau bekam und der Dammschnitt ist nur langsam verheilt, weshalb ich mich natürlich gefragt habe, ob er wirklich nötig war. In der Situation habe ich aber beides als große Erleichterung empfunden und würde es auch wieder zulassen. Insofern muss ich wirklich sagen, dass ich eine in vielen Punkten selbstbestimmte und vor allem friedliche und schmerzarme Geburt erleben durfte, auch wenn es für meinen Geschmack etwas kürzer hätte sein können ;-).