Geburtsbericht von

S.

Eigentlich war ich ja ganz gut gewappnet, mich diesmal nicht verrückt machen zu lassen, wann das Kind endlich kommt: Ich hatte mich mit meinem Countdown bis 14 Tage ÜBER den ET ganz gut selbst verarscht und war sehr entspannt, dass ich schon merken werde, wenn es richtig losgeht. Da ich ein sehr gutes Körpergefühl habe, habe ich die ganze Schwangerschaft jedes Zwicken in meinem Körper gespürt. Senkwellen, Vorwellen, Übungswellen… alles habe ich intensiv wahrgenommen, aber immer in die richtige Schublade gesteckt: Geburtsbeginn fühlt sich anders an!

Tag 0: In Woche 39+3 ging ich nachmittags spazieren und auf einmal wurde es richtig unangenehm, zu laufen, der Bauch steinhart, der Druck nach unten stärker und die Wellen kamen häufiger. Aber ich war durch die Geburt vom Monsieur vor 20 Monaten vorgewarnt, damals hatte mein Körper drei Tage gebraucht, um mit den Wellen so richtig in Schwung zu kommen. Also stellte ich mich darauf ein, dass das Baby in den nächsten 24-72h wohl kommen würde.

Ich ging in den kommenden Tagen verdammt viel spazieren, hatte jeden Abend meine 10.000 Schritte voll. Das Baby war mittlerweile so tief gerutscht, dass ich meine Finger wieder unter den Rippenbogen graben konnte. Mal hatte ich regelmäßige Wellen, aber nicht so intensiv. Mal waren sie intensiv, aber unregelmäßig. Ich hörte die verschiedensten Hypnosen: Geburtsbeginn fördern, Geburtshypnose, Abschied von der Schwangerschaft. Zwischendurch tastete ich selber nach meinem Muttermund, der Gebärmutterhals war schon seit vielen Tagen komplett verstrichen und mit meinen laienhaften Kenntnissen nahm ich eine kleine Öffnung des Muttermundes war.

Tag 2: An 39+5 riefen wir meine Mutter an, mit der Bitte, heute Nacht mit Monsieur im Nachbarzimmer zu schlafen, die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Nacht kommt, war hoch. Ich hatte den ganzen Tag über nonstop leichte, aber regelmäßige Wellen gehabt. Wir bereiteten das Wohnzimmer für die Hausgeburt vor, bauten den den Pool auf, legten Malerplanen aus, räumten Möbel an die Seite… Ich legte mich früh ins Bett, weil ich es für sinnvoll hielt, noch ein oder zwei Stündchen Schlaf zu sammeln, bevor ich dann von den Geburtswellen in der Nacht geweckt werden würde.

Tag 3: Acht Stunden später wachten wir auf und das Baby war noch drinnen, die Wellen aber immer noch schön regelmäßig, aber leicht da. Da wir einen baldigen Fortschritt erwarteten, nahm meine Mutter Monsieur mit zu sich nach Hause. Der Tag verging mit Spaziergängen und regelmäßigen, aber nicht stärker werdenden Wellen. Abends gingen wir unter den gleichen Voraussetzungen wie am Vortag ins Bett… und schliefen schon wieder die Nacht durch.

Tag 4: Der ET war erreicht und ich so langsam mit meinem Latein am Ende.
Bis hierhin hatte ich es noch mit Humor nehmen können, aber jetzt fing ich an, so richtig an mir zu zweifeln. Ob ich mir das alles nur einbildete? Ob ich nun völlig mein Körpergefühl verloren hatte? Das schlechte Gewissen, den Monsieur mit seinen zarten 19 Monaten „wegorganisiert“ zu haben und unser ganzes Netzwerk aus Eltern, Schwiegereltern, Mutter von Madame (meine achtjährige Bonustochter) einzuspannen, ohne dass etwas passierte, ließ mich verzweifeln. Es war Montag und mein Mann musste wieder (im Homeoffice) arbeiten. Zwischendurch, wenn ich mal wieder bitterlich weinend in der Küche stand, kam er raus und tröstete mich. Wir beschlossen, den Kontrolltermin beim Gynäkologen und die geburtsfördernde Akupunktur der Hebamme abzuwarten, abends aber die Kinder wieder zu uns zu holen und dann erst wieder wegzuorganisieren, wenn das Kind schon halb da ist.

Die Hebamme, die mich anderthalb Jahre zuvor bei Monsieurs Geburt betreut hatte, machte mir Mut und bestätigte mich darin, dass mein Körpergefühl super sei, dass ich mir nichts einbilde, dass mein Körper einfach nur extrem viel Zeit brauche, um in Schwung zu kommen. Die größte Erleichterung gab mir dann der Befund vom Arzt, der mir einen zweifingerbreit geöffneten Muttermund diagnostizierte. Die letzten 4 Tage waren also nicht umsonst gewesen, mein Körper bereitete die Geburt vor. Meine Zuversicht kam zurück. Dennoch holte mein Mann nachmittags noch den Monsieur zurück zu uns, meine Mutter kam zum Glück noch einmal eine Nacht mit und auch Madame kam wieder zu uns. Und so gingen wir alle recht erwartungsvoll ist Bett. Ich natürlich mit leichten Wellen, die hatte ich ja nonstop seit vier Tagen.

Tag 5: Morgens um 4 wachte ich auf und die Wellen wurden etwas intensiver und regelmäßiger. Tatsächlich forderte ich jetzt eine Wärmflasche im Rücken und leichte Massage von meinem Mann ein, um es mir angenehmer zu machen. Ich ging wieder in die Geburtshypnose, konnte die Wellen hervorragend und schmerzfrei veratmen und freute mich darauf, dass es nun so weitergehen würde. Aber es war noch so viel Zeit, dass mein Mann die Madame noch zur Schule bringen konnte. In der Zeit machte ich mit meiner Mutter einen Spaziergang. Schock: die Wellen hörten auf!!! Ich war ernsthaft am verzweifeln, fühlte mich extrem verarscht von meinem Körper und hatte so ein schlechtes Gewissen und eine Scham in mir, dass ich meine ganze Umgebung auf Trab hielt, ohne voranzukommen. Nun beschlossen wir aber, doch die Hebamme zu rufen und ihre Einschätzung zu hören.

Sie kam gegen 10 Uhr, befand 3cm Öffnung und machte mir wieder Mut, dass alles vorbereitet sei und nur noch Wellen mit ordentlich Schmackes fehlten. Also machten mein Mann und ich den 27.345. Spaziergang der letzten fünf Tage: Wir brachten das Altglas weg. Das war auch beim Monsieur der letzte Spaziergang gewesen, bevor es richtig losging. Und, Gott sei Dank, es ging wieder los. Und sogar so intensiv, dass ich bei den Wellen stehen bleiben musste. Mittlerweile musste meine Mutter aber endgültig zur Arbeit und mein Schwiegervater übernahm den Monsieur. Ich zog mich zurück, döste in den nach wie vor langen Pausen zwischen den Wellen immer wieder weg, hörte die Hypnose und so vergingen einige Stunden. Ich tastete selber und konnte mittlerweile sehr deutlich das Köpfchen fühlen und darüber streichen. Es wurde immer intensiver und es fiel mir zunehmend schwerer, die gelernte Atmung durchzuhalten. Ich fing an, die Wellen zu ertönen und mein Mann musste mir in jeder Welle den Po und Rücken durchschütteln.

Um 17 Uhr kam dann erneut die Hebamme. Da auch Monsieurs Geburt am Ende dann sehr schnell ging, kam die zweite Hebamme auch gleich mit. Endlich 5-6cm Öffnung! Für mich das Zeichen, dass ich jetzt in den Pool gehen konnte und dann vermutlich auch bis zum Ende drin bleiben konnte ohne, dass mir kalt werden würde. Da ich die Hebammen in meinem Geburtsplan schon informiert hatte, dass ich gerne für mich sein möchte und sie nur eingreifen sollen, wenn sie das Gefühl hatten, ich renne in eine Sackgasse, machten sie es sich strickend neben mir gemütlich und ich wurde mir selbst überlassen. Durch ein kurzes Stöhnen signalisierte ich meinem Mann, dass die nächste Welle kam, hockte mich in den Vierfüßler und er begann sofort, meinen Po durchzuwackeln. Es erleichterte mir die Wellen um mindestens 50%! Nach der Welle setzte ich mich wieder bequem hin oder legte meinen Kopf auf den Rand des Pools, ruhte mich kurz aus und da ich noch immer lange Pausen von ca. fünf Minuten zwischen den Wellen hatte, konnte auch immer wieder entspannt mit den Hebammen reden.

Immer wieder tastete ich selber, auch während einer Welle, zwischen meinen Beinen. Irgendwann spürte ich das Köpfchen sofort in der Vagina und während einer Welle stülpte sich die Fruchtblase ganz prall aus mir heraus und zog sich dann aber wieder zurück.
Ich spürte, dass ich kurz vorm Pressdrang war, mein Mann wechselte für mich in die Hypnose zur Austreibungsphase und ich probierte einige Wellen auch aus, zu pressen, aber es hatte einfach keinen Wums dahinter.

19.40 Uhr: Und dann kamen die wenigen Sekunden, die ich vermutlich nie in meinem Leben vergessen werde: Am Ende einer langen Welle (ohne Pressdrang) platze auf einmal die Fruchtblase, nächste Sekunde krasser Pressdrang, ich bäumte mich lautstark auf und dann war auch schon das Köpfchen da und sofort danach schwamm das Baby unter mir im Wasser. Ich war völlig überrascht und musste erst einige Male tief durchatmen, bis ich meine Tochter auf den Arm nehmen konnte. Kaum war ihr Kopf aus dem Wasser, schrie sie los. Auch die Hebammen waren etwas überrascht, sie saßen ja noch strickend auf dem Sofa, als das Baby ohne eine richtige Austrittsphase schon geboren war.

Ich versuchte, es mir einigermaßen gemütlich zu machen, doch die Nabelschnur war recht kurz und mein Mann musste aufpassen, dass die Kleine nicht mit dem Mund unter Wasser rutschte. Die Erinnerung, dass ich bei Monsieurs Geburt keine Nachwellen hatte und die Plazenta erst mit viel Überredungskunst und nach insgesamt anderthalb Stunden geboren wurde, machte mir ein wenig Sorgen. Aber nach einigen Minuten kamen dann die ersten Wellen. Nachdem ich die gesamte Geburt jede Welle begrüßen konnte und mich über sie freute, da sie mich meinem Baby näher brachte, war ich nun ein jammerndes Häufchen Elend. Es tat weh, das erste Mal an diesem Tag definierte ich die Empfindungen meines Körpers als Schmerz.

Ich saß unbequem, hielt mein Kind im Arm und konnte mich daher in der Welle nicht so bewegen, wie ich es vielleicht gebraucht hätte. Also quälte ich mich und jammerte, dass es aufhören soll. Mein Mann holte mir die Hypnose zur Plazentageburt und dann hatte ich es auch zum Glück bald geschafft. Die Nabelschnur war bereits auspulsiert und mein Mann schnitt die Nabelschnur durch.
Nun war noch die zweite Hürde zu bewältigen: Bei Monsieurs Geburt war ich mehrfach ohnmächtig geworden, wenn ich versuchte, zu stehen. Doch die wenigen Meter zum Bett schaffte ich diesmal zwar mit wackeligen Knien, aber ohne Schwindel. Meine Tochter wurde mir wieder auf die Brust gelegt und wir zwei uns selbst überlassen. Mein Schwiegervater, der drei Stunden mit Monsieur spazieren gewesen war, ohne dass dieser eingeschlafen war, kam zurück. Also konnte der frischgebackene große Bruder noch einen ganz kurzen Blick auf seine 40 Minuten alte Schwester werfen, ehe mein Mann ihn im Nachbarzimmer schlafen legte.

Mademoiselle machte sich mit ungeheurer Kraft über meine Brustwarze her, ihre Erstuntersuchung verlief einwandfrei, ich musste nicht genäht werden, mein Kreislauf blieb stabil und tatsächlich konnten wir abends zu recht normaler Zeit ins Bett gehen, während mein Mann neben uns noch den Pool sauber machte. Morgens vor der Schule besuchte uns dann noch kur die Madame, die die Nacht bei ihrer Mutter geschlafen hatte und die Familie war vollständig.

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