Triggerwarnung: Todesfälle in der Familie
L.s friedliches Geburts-Abenteuer
Ich muss etwas zurück gehen, um die Schwangerschaft zu beschreiben und deutlich zu machen, warum ich mich für die friedliche Geburt als Methode zur mentalen Geburtsvorbereitung entschieden habe. 2 Monate vor Beginn meiner Schwangerschaft starb meine Mutter und auch im Verlauf meiner Schwangerschaft begleiteten mich emotionale Extremereignisse, wobei auch die physischen „Nachteile“ einer Schwangerschaft nicht gerade hilfreich sind, um zu trauern, den Alltag geregelt zu bekommen und sich auf einen Neuankömmling vorzubereiten. Was soll ich sagen, es war einfach hart. Da ich meine Mutter zu Hause beim Sterben begleiten durfte, war für mich schnell klar, dass existenzielle Ereignisse viel besser gemeistert werden können, wenn man sich in den eigenen vier Wänden befindet. Aber! Ich habe realisiert, dass ich kaum auf das Sterben vorbereitet war, weder mental noch physisch (bin auch weiterhin der Meinung, dass alle Menschen einen Sterbevorbereitungskurs machen sollten, denn im Gegensatz zur Geburt steht dieses fest im Lebensplan). Das sollte bei meinem Geburtsabenteuer anders laufen, soviel stand fest! Ich bin dann auf Kristins Podcast gestoßen und war sofort Feuer und Flamme. Genau das wollte ich! Die Hypnosen haben mir sehr geholfen, mich bei all den weniger erfreulichen To-Do’s, die auf meinem Plan standen, auch endlich mal auf mein Kind zu konzentrieren. Den Mutterschutz habe ich dann nochmal sehr intensiv für die Vorbereitung auf die Geburt nutzen können.
Aber der Reihe nach. Nach dem Erlebnis mit meiner Mutter war es mein Wunsch, eine Hausgeburt zu machen, aber die Realität sieht ja bekanntlich anders aus, eine Hausgeburts-Hebamme zu bekommen, war praktisch unmöglich. Hinzu kam, dass ich während der Schwangerschaft in die Schweiz ausgewandert bin und damit auch erst im 3. Trimester eine Schweizer Krankenversicherung hatte. In dem Kanton in der französischen Schweiz, in dem wir wohnen, sieht es ziemlich mau aus mit alternativen Geburtsorten. Ich hatte mich also damit abgefunden, dass ich im Krankenhaus gebären werde und dank Kristin wusste ich ja auch, auf den Ort kommt es nicht an. Aber kaum hatte ich LOSGELASSEN, bekam ich einen Kontakt! Und jetzt fallt ihr um: Die Hausgeburtshebamme hatte tatsächlich noch einen Platz für mich! Wir verstanden uns auf Anhieb, sie war pragmatisch und unkompliziert. Genau mein Geschmack! Jetzt konnte alles nur noch gut werden. Wir bereiteten uns auf die Hausgeburt vor, wobei die Renovierung unseres Hauses nicht so wie geplant verlief, so dass mir jetzt nicht mehr die Hebamme zur Hausgeburt fehlte, sondern vor allem: das Haus! Wir improvisierten und mieteten eine Ferienwohnung für 2 Monate (Endreinigung inklusive). Das war genau die richtige Lösung und nahm mir eine große Last von den Schultern.
Meine Wellen begannen in einer Samstagnacht genau zum Zeitpunkt der Zeitumstellung auf die Winterzeit um 2:00 Uhr. Die zwei ersten waren direkt mal richtig heftig, da wusste ich direkt mal, wo der Hase langläuft. Ich verzog mich ins Wohnzimmer, damit mein Freund noch weiterschlafen konnte, ich wusste ja, er würde seine Energie noch brauchen. Ich habe mir direkt die Meditation auf die Ohren gemacht, Duftanker gesetzt und hab mich fallen lassen. Hab aber leider relativ bald gemerkt, dass die tiefe Bauchatmung während der Wellen für mich sehr schwer umzusetzen war, ich habe erstmal versucht, überhaupt gut zu atmen und nicht die Luft anzuhalten (was irgendwie mein 1. Reflex war). Hier, wo wir wohnen, wird Französisch gesprochen und die meisten, die hier etwas mit Geburten machen, empfehlen eher die langsame, konzentrierte Ausatmung, also probierte ich die und kam damit sehr gut klar. Ich bin von der Couchkante über meinen Pezziball zum Vierfüßler gewechselt. Eröffnungswellen im Liegen, das ist für mich unbegreiflich, wie man damit umgehen kann. Die Wellen kamen dann regelmäßig alle 10min. und die super Wehenzähl-App meinte, ich sollte jetzt mal ins Krankenhaus fahren. Da das eh nicht der Plan war, bin ich dann gegen 7 Uhr zu meinem Freund ins Bett und habe ihn vorsichtig darauf vorbereitet, dass sich die Kleine auf den Weg macht zu uns. Ich hatte weiterhin die Hypnose „Während der Geburt“ an, hab aber auch das ein oder andere Mal die „Geburtsvorbereitung lang“ angemacht, weil ich an die so gewöhnt war und ich die total schön fand. Ich war mega zentriert und hab mich super gefreut, dass es los geht. Doch mit dem Tageslicht kam die Pause. Ich hatte einfach keine Wellen mehr. Ich habe mich dann mal langsam gesammelt und dachte dann ok, so fühlt sich also falscher Alarm an, ok. Na dann. Den Sonntag habe ich dann mit Ausruhen (Schlafen ging aber irgendwie auch nicht) verbracht, gegen Mittag kamen nochmal ein paar Wellen, aber es blieb ruhig. Mit der Dunkelheit kamen die Wellen erneut. Teilweise alle 10 min., teilweise etwas wilder. Ich weiß nicht, wie ich diese Nacht ohne Kristin auf den Ohren überstanden hätte. Gegen 2 Uhr bin ich dann in die Badewanne, mit Duftanker und Kopfhörern. Gegen 4 Uhr bin ich wieder raus. Die Wellen waren wieder etwas wilder. Gegen 6 Uhr habe ich dann meinen Freund geweckt und habe die Wellen eher im Stehen und im Türrahmen anrollen lassen. Ich habe dann meinen Muttermund gefühlt, was mit meiner Hebamme so besprochen war. Ich konnte keine Veränderung feststellen und hab sie dann angerufen, weil ich wirklich wollte, dass sie kommt, auch wenn ich wusste, dass es noch dauern kann. Ich war innerlich darauf vorbereitet, dass ich noch im Basislager vorm Mount Everest hin und her wandele. Als sie kam, hat sie meinen Muttermund gefühlt, der war bei 1cm und ich war total froh, dass zumindest etwas passiert war, ich wusste ja von Kristin, dass Zahlen eh nix aussagen und dass meine „Arbeit“ nicht umsonst gewesen sein konnte! Ich war voller Zuversicht. Meine Hebamme machte mir einen Einlauf (absolut genial!) und wir vereinbarten, dass sie am Nachmittag wiederkommen würde. Sie empfahl mir, mich möglichst noch etwas hinzulegen und mich besser auszuruhen zwischen den Wellen. In der Nacht hatte ich das schon probiert, es gelang mir tatsächlich, in den Wellenpausen zu schlafen. Die Welle an sich verbrachte ich aber trotzdem wahlweise im Vierfüßler, im Bett oder im Türrahmen, um mich dann für 6-10 min. hinzulegen und zu schlafen. Deshalb hatte ich dann aber die Meditation nicht mehr an, weil ich dann besser schlafen konnte. Mittags konnte ich eine Suppe essen. Die Wellen hatten sich zwar in ihrer Intensität verstärkt, aber sie blieben bei 6-10 Minuten Abstand. Mein Freund hatte unterdessen den Pool aufgestellt und das Wohnzimmer in ein Geburtsabenteuerland verwandelt. Mit der Hebamme besprachen wir, dass ich mir den Pool noch etwas aufhebe, bis sich die Wellen ändern und ich eine Veränderung brauche. Gegen 15 Uhr rief mein Freund sie an, dass ich jetzt in den Pool gehen werde und sie machte sich auf den Weg. Der Pool war super angenehm, vor allem weil hier viel mehr Positionen möglich waren als in der Badewanne. Ich konnte gut mit den Wellen umgehen und hatte nochmal die Hypnose auf den Ohren. Als die Hebamme kam, war ich sehr erleichtert. Sie untersuchte und ich war bei 5-6cm. Einfach so weitermachen, sagte ich mir. Wir redeten, der berühmte Smalltalk. Aber es hat sich so unglaublich gut angefühlt, als sie da war und sie versicherte mir, wenn ich mich gut fühle, wird der Muttermund sich weiter öffnen und alles wird gut. So kam es auch, am Abend war ich bei 8cm. Der Kopf war sowieso schon relativ lange weit unten gewesen, so dass ich ihn (bzw. etwas rundes) sowieso schon vorher selbst fühlen konnte. Ich tönte beim Ausatmen, das half mir unglaublich. Auch die Positionen im Pool, die meine Hebamme vorschlug, waren großartig! Mein Freund konnte mir so gut helfen, das kräftige Gegengewicht war so gut, um die Wellen gut annehmen zu können. Ich war super zentriert und war sicher, dass sie bald kommen würde. Meine Hebamme untersuchte mich erneut, der Muttermund war bei 8cm. Sie brachte die Fruchtblase zum Platzen. Im Pool gab es aber keinen richtigen Fortschritt, der Kopf kam nicht ins Becken. Ich kam raus aus dem Pool und wir probierten verschiedene Positionen auf den Knien, auf dem Bett (wie schon gesagt, mir ist ein Rätsel, wie man Wellen im Liegen mitnehmen kann, ich kann‘s jedenfalls nicht). Meine Hebamme sagte, dass wir jetzt besprechen müssten, was passiert, wenn in der nächsten Stunde keine gravierende Änderung, also ein Fortschritt, auftreten würde. Ich war völlig perplex, da für mich klar war, es wird jetzt (also irgendwann bald) und hier passieren! Ich schaute in die Augen meines Mannes, ich wusste, er wollte absolut kein Risiko für mich und für die Kleine. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich jetzt zum Krankenhaus kommen sollte, aber ich konnte ab dem Moment auch nicht mehr zurück. Keine Ahnung, in welchem Abstand die Wellen kamen 4min. etwa in den Pausen zogen sie mich an und ich schleppte mich zum Auto. Hier ein kleiner Tipp: nehmt Wanderstöcke mit: unglaublich praktisch, wenn man etwas zum Festhalten hat. Die Autofahrt war dann eher nicht so lustig. Unsere Wohnung liegt bei 1500 Höhenmetern und wir mussten bis ins Tal auf 600 Höhenmeter runter, das heißt Kurven, Kurven, Kurven und die Stoßdämpfer vom Auto meines Freundes hätten auch mal gewechselt gehört. Da war nix mehr mit geregelter Atmung, die Atmung stellte ich um auf Überlebensmodus. Ich war innerlich auf alles vorbereitet. Die sollten im Krankenhaus alles mit mir machen, Hauptsache das Abenteuer geht gut aus. Wir kamen um 22:25 Uhr am Krankenhaus an, dann kann man glücklicherweise den Notfall-Eingang vom Krankenhaus benutzen. Aber Schweizer Gründlichkeit muss sein, obwohl ich schon eine Woche vorher zur Vorstellung im Krankenhaus gewesen war, musste ich noch einen Check-In machen mit Etikettendrucken und wer weiß was (Begeisterung!). Zum Glück hatte ich meine Wanderstöcke dabei! Klar Rollstuhl geht auch, aber wer bewältigt schon gern eine Welle im Sitzen… Und dann endlich zwei Hebammen empfingen mich schon am Eingang. Eine der beiden war gerade mit der Ausbildung fertig und sie fragten mich, ob es ok für mich wäre, ob sie meine Betreuung macht, na klar meinte ich, ich nehm hier zur Not auch den Hausmeister aber MACHT ENDLICH!!! Sie fragten mich noch, ob ich Musik anhaben möchte und das Licht gedimmt und ob wir eine Plazenta Lotus machen wollten. Die waren mir fast zu alternativ in diesem Krankenhaus! Mein Freund regelte alles für mich. Ich zog mich aus und war wie gesagt auf jede Eventualität vorbereitet! Seit der Autofahrt war ich irgendwie noch mehr in den Reinhold-Messner-Modus gewechselt und ich wollte auf diesen Gipfel hoch! Sagt mir nur ob und wie, ich wusste ja nicht mal, ob jetzt Pressen ne gute Idee ist oder nicht (Pressdrang hatte ich irgendwie während der ganzen Geburt nicht). Sie sagten, dass der Kopf fast da war und ich sollte jetzt reinhauen! Ich ließ mich schon ziemlich anleiten, jetzt lief das auf einmal auch mit der Bauchatmung und jetzt konnte ich Wellen auch im Liegen (Käferstellung ihr wisst schon) mitnehmen. Es hatte sich rein körperlich etwas krass geändert nach der Autofahrt, soviel war sicher. Leider waren meine Reserven aufgebraucht. Ich hatte seit einer Suppe mittags kaum mehr gegessen, ja ein paar Kleinigkeiten, aber nicht genug! ! In meiner feinsäuberlich vorbereiteten Kliniktasche befand sich ein ganzes Lager an Powerballs und Traubenzucker, aber irgendwie gelangten die nicht in meinen Mund. Ich fühlte, dass ich den Willen, die physische Stärke und die Power hatte es hinzubekommen, auch Schmerzen fühlte ich ehrlich gesagt nicht wirklich, aber meine Muskeln zitterten, ich war wirklich krass unterzuckert. Hinzukam, dass ich die Anleitungen auch nicht zu 100% verstand, weil Französisch ja nicht meine Muttersprache ist, mein Freund übersetzte mir, aber eh mein Kopf die Information an meine Muskeln weitergeben konnte, hatte ich schon wieder eine Welle verschenkt. Ich ging auch dort nochmal in den Vierfüßler, aber am Ende holten Sie mich wieder hoch und es war wirklich auch ok für mich. Der Kopf machte Jojo, Vor-Zurück, Vor-Zurück. Sie versuchten, mich damit zu motivieren, aber ich dachte mir nur die ganze Zeit, Leute, an meiner Motivation liegt‘s nicht: meine Muskeln machen nicht mehr mit! Nach 1,5 Stunden Pressen war der Kopf geboren. Die Kleine sah aus wie 5 Tage alt und war völlig tiefenentspannt (APGAR 10-10-10) und mir haben sie ENDLICH die ersehnten Elektrolyte zugeführt. APFELSAFT! Das beste Getränk meines Lebens! Wir diskutierten das noch schnell mit dem Namen und dann war die Sache geritzt. Ich hatte einige Abschürfungen und einen kleinen Dammriss, der noch genäht wurde. Wir waren am Gipfel !
Rückblickend bin ich total froh, dass ich die Geburt als Hausgeburt geplant hatte, weil ich sicher bin, dass ich diese lange Latenzphase sonst so nicht durchgestanden hätte und ohne Kristin auf den Ohren wäre sowieso nichts gegangen. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass mich die Wellen übermannen oder ich nicht Herrin der Lage bin. Ich fühlte mich stark, ich wollte den Berg bezwingen und auch die Informationen, die man über den Podcast bekommt, sind unglaublich wertvoll, wenn man vorbereitet ist, kann man auch keine Angst bekommen. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Angst um mich oder das Baby. Ich wusste, wenn meine Hausgeburtshebamme die Lage so einschätzt, dann ist das nicht der Punkt, an dem ich diskutieren sollte. Klar, sicher hätte es auch zu Hause klappen können und die Reflexion darüber, an welchen Punkten ich anders hätte handeln können, ist mir sehr wichtig. So streue ich ordentlich Asche auf mein Haupt, gerade beim Visualisieren der Geburt vorab war ich sicher nicht gründlich genug. Bei der Traumgeburtshypnose bin ich immer nur bis zur Eröffnungsphase gekommen, das hatte ich nun davon. Aber am Ende kommt es ja darauf an, dass das Baby gesund ist und wie man sich fühlt und ich kann nur sagen, ich fühle mich großartig. Die Kleine ist das entspannteste Baby unter der Sonne (ich musste sogar googeln wie man Neugeborene aufweckt, sonst würde sie durchschlafen) und ich würde mich immer, immer wieder für eine Hausgeburt entscheiden und auch jedem, der eine machen möchte, dazu raten. Wenn ich einen Tipp geben darf, dann würde ich auch jeder Schwangeren raten, sich einigermaßen körperlich fit zu halten, das war für meinen individuellen Fall auch ein Erfolgsfaktor.