Geburtsbericht von

Verena

Geburtsbericht – Traumgeburt im Geburtshaus

Die Nacht war unruhig. Irgendwie hatte ich diffuse Bauchschmerzen. Wie bei Blähungen, nur dass ich keine Blähungen hatte. Mein Mann M. steht wie gewohnt gegen fünf Uhr auf und macht sich fertig für die Arbeit. Nachdem er gegen sechs gefahren ist, halte ich es im Bett nicht mehr aus, stehe auf und mache mich fertig. Auf dem Morgenspaziergang mit unserer Hündin Amber habe ich das Gefühl, dass ich nicht gut laufen kann, ich krieche wie eine Schnecke hinter Amber her.

Anschließend: Frühstück machen. Ich stehe in der Küche und habe Wellen. Noch nicht super häufig, aber schon deutlich spürbar. Während der Wellen höre ich auf, zu hantieren und versuche, mich bewusst zu entspannen. Richtig Appetit habe ich nicht, aber das Gefühl, dass es gut wäre, mal was zu essen. Während des Frühstücks kommt die erste Welle, bei der ich schon mal einen Positionswechsel ausprobiere, weil Sitzen nicht mehr so richtig gut geht.

Nach dem Frühstück lege ich mich wieder ins Bett. Die Nacht war mies und egal, ob das hier jetzt Geburt ist oder nicht, es kann nicht schaden, sich noch ein bisschen auszuruhen. Und ich wollte ja auch nicht eine von diesen Frauen sein, die sich in der Latenzphase erstmal ablenken und erst dann „richtig“ in die Geburt starten, wenn sie schon spürbar Schmerzen haben. Zum ersten Mal höre ich die Hypnose „Geburtsbeginn mental fördern“ – ein Meilenstein, hatte ich doch in den letzten Wochen nie mehr als drei Wellen am Tag gehabt, sodass ich nie auf die Idee gekommen wäre, den Geburtsbeginn schon mental voran bringen zu können. Obwohl ich das eigentlich nie wollte, lade ich mir eine dieser Wehentracker-Apps herunter. Wenn M. nicht da ist, muss ich wohl oder übel schauen, dass ich ein bisschen den Überblick behalte. Insbesondere die Entscheidung, ob und wann ich J. und meinen Mann anrufe, kann mir niemand abnehmen. (Anmerkung: J. ist meine Schwester. Sie ist selbst Hebamme und auf Anregung meiner anderen Hebamme M., die mich während meiner Schwangerschaft betreut hat und die auch unsere Geburt im Geburtshaus begleiten wird, habe ich sie gebeten, bei der Geburt dabei zu sein. Nicht als Hebamme, sondern als zweite Geburtsbegleiterin neben meinem Mann M., der ich voll und ganz vertraue, die meinen Mann auch mal ablösen kann und bei der ich mir sicher sein kann, dass ich sie als Begleiterin mit der Geburtssituation an sich nicht überfordere. Sie hat sich sehr gefreut, als ich sie gebeten habe, dabei zu sein, aber ob sie es schafft, ist nicht unbedingt sicher – sie wohnt fast 400 km entfernt.)

Seit viertel nach zehn, kurz nachdem ich mich ins Bett gelegt habe, kommen die Wellen in Abständen kleiner zehn Minuten. Die Wellenatmung habe ich nicht so konsequent geübt, weil ich sie irgendwie unangenehm fand. Umso erleichterter bin ich, dass sie jetzt mit regelmäßigen Wellen erstaunlich gut funktioniert und angenehm für mich ist. Die Wellen selbst werden länger, von einer bis zu zweieinhalb Minuten. Ich schreibe J., dass sie sich darauf einstellen kann, dass es wohl eher noch diese als nächste Woche losgeht. Ich überlege, meinen Mann anzurufen und versuche, ein Zeitfenster abzupassen, in dem er auf der Arbeit sowieso Pause hat. Aber ich will auch nicht die Pferde scheu machen, falls es nur falscher Alarm ist. Ich telefoniere also stattdessen mit Jule.

Am Ende des Gesprächs, während dem ich eine Welle veratmen muss, sind wir uns beide einig, dass wir eher nicht das Gefühl haben, dass die Wellen heute noch wieder einschlafen werden. Wir vereinbaren, dass sie sich abfahrbereit macht, ich M. (meinen Mann) und M. (unsere Hebamme – ich weiß, verwirrend) anrufe und wir dann entscheiden, ob sie schon losfahren soll. Ich rufe meinen Mann in seiner nächsten Pause an, dem auffällt, wie entspannt ich klinge. Er ist ganz aufgeregt, ich kann ihn aber dazu überreden, zumindest noch sein Mittagessen zu Ende zu essen, bevor er nach Hause kommt. Gegen eins fährt er los.

In der Zwischenzeit telefoniere ich mit meiner Hebamme M.. Sie hört mir zu und sagt, wenn ich J. dabei haben und die Geburt nicht mit meinem Mann allein machen möchte, solle ich sie bitten, loszufahren. Außerdem fragt sie mich, ob ich ausreichend gegessen habe. Seit dem Frühstück nicht mehr. Sie sagt, ich dürfe gerne etwas Leichtes essen, eine Gemüsesuppe zum Beispiel. Gesagt, getan. Ich rufe J. wieder an und sie macht sich auf den Weg. Bis mein Mann zu Hause ist, habe ich weiterhin Zeit, meine Wellen zu verarbeiten. Ich höre inzwischen die Geburtshypnose. Das Herunterzählen ist ziemlich schnell, aber ansonsten gefällt mir der Text echt gut; ich merke, dass ich gut mitgehen kann. Im Liegen kann ich die Wellen irgendwann nicht mehr gut aushalten und wechsle auf dem Bett intuitiv in den Vierfüßlerstand. So geht es besser. Als mein Mann nach Hause kommt, bitte ich ihn, mir die Yoga-Matte vors Bett zu legen. Ich habe das Gefühl, dass ich einen stabileren Untergrund für meine Knie angenehm fände. Während ich weiter meine Wellen verarbeite und noch ignoriere, dass die Abstände immer kürzer werden, sucht mein Mann einigermaßen hektisch die letzten Sachen für die Kliniktasche zusammen und wirft alles ins Auto. „Alles drin!“ meldet er anschließend. Ich bin etwas irritiert von seinem Aktionismus und mache ihn darauf aufmerksam, dass noch niemand davon redet, loszufahren, und ich insbesondere die Tüte mit den Snacks und Getränken unter Umständen gut noch hier im Haus gebrauchen könnte.

Gegen viertel nach zwei gehe ich aufs Klo und stelle fest, dass eine recht große Menge Schleim abgeht, der von Blutfäden durchzogen ist. Okay, unser Baby meint es also tatsächlich ernst und möchte sich auf den Weg machen. Ich gebe den Drängen meines Mannes nach, M. noch mal anzurufen, ihn hatten die immer kürzeren Wellenabstände schon nervös gemacht, seit er nach Hause gekommen war. Wir vereinbaren, dass M. zu uns kommt und sich selbst ein Bild macht. Bis dahin höre ich weiter die Geburtshypnose, verarbeite die Wellen auf der Yogamatte vor dem Bett und löffele in den Wellenpausen Suppe, die mein Mann mir gemacht hat. Zwischendurch kommt unsere Hündin Amber zu mir und legt sich neben mich auf die Matte. Ob sie weiß, was los ist oder sich einfach nur über eine neue Liegemöglichkeit im Schlafzimmer freut? Keine Ahnung.

Als M. kommt, wird es zunächst etwas komisch. Sie setzt sich zu mir auf die Matte, schaut mir eine Weile zu und ich komme mir kurz etwas blöd vor, meine Wehenarbeit wie bisher fortzusetzen. Den Ohrstöpsel mit der Hypnose nehme ich erstmal raus. Die Atmung tut mir weiterhin gut, in den Wehen schließe ich die Augen und gehe tiefer in die Hypnose. Ich bin froh, dass M. nicht viel reden möchte. Sie fragt mich, ob ich möchte, dass sie mich untersucht. Ich sage ihr, dass ich das für mich als Bestätigung, dass es voran geht, nicht unbedingt bräuchte. Ich fühle mich gut, komme mit den Wellen gut zurecht und habe den Eindruck, dass alles in Ordnung ist. Mein Mann läuft ein bisschen wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her, er hat nichts mehr zu tun. Unserer Nachbarin K., die zugesagt hat, unsere Hündin während der Geburt zu betreuen, hat er Bescheid gesagt, sie macht sich auf den Weg und holt Amber ab.

Irgendwann sagt meine Hebamme M., sie hätte lieber längere Abstände zwischen den Wehen, aber dass man sich das ja nun einmal nicht aussuchen könne. Mir geht es nach wie vor gut damit und interessanter Weise irritiert mich ihre Aussage auch nicht. Das allein hätte gereicht, um mir zu zeigen, dass ich in Trance gewesen sein muss. Wäre ich noch “im Kopf” gewesen, hätte ich angefangen, mir Sorgen zu machen, warum unsere Hebamme sich den Geburtsverlauf anders wünscht. So aber war ich ganz bei mir und mir sicher, dass alles gut war. Die Wellen kommen zwar in kurzen Abständen von einer bis drei Minuten, dauern aber selten länger als eine Minute, sodass für mich das Verhältnis aus Anspannung und Erholung passt. M. sagt, sie würde mich gerne einmal untersuchen, um zu entscheiden, wie wir weitermachen. Damit bin ich einverstanden – eine Untersuchung, deren Ergebnis eine klare Konsequenz hat – immer gerne. Die Untersuchung ist unangenehm. Mein Muttermund steht sehr hoch, M. kommt kaum dran. Schließlich gelingt es ihr aber. Sie schaut mich an und fragt „Du wolltest ins Geburtshaus, oder?“. Ich horche in mich hinein, ehrlich gesagt fühle ich mich zu Hause gerade sehr wohl, und antworte wahrheitsgemäß „Na ja, mein Mann mehr als ich, aber ja.“
„Dann sollten wir jetzt losfahren“ antwortet M. und zeigt mir mit Daumen und Zeigefinger die aktuelle Muttermundsöffnung an.
Ich schätze den Durchmesser auf 2-3 cm, freue mich, dass mein Gefühl stimmte und es offenbar vorangeht, bin aber etwas verwundert über die Hektik, mit der nun alle auf den Aufbruch drängen. Später sollte ich erfahren, dass ich tatsächlich schon bei 5-6 cm war. Im Schätzen war ich schon immer schlecht – vielleicht mein Glück in diesem Moment.

Ich ziehe mir Jacke und Schuhe an, M. fährt schon mal vor ins Geburtshaus, mein Mann übergibt noch schnell Amber an K.. Draußen am Auto muss ich eine Wehe an der B-Säule veratmen, bevor ich einsteigen kann. ‚Hoffentlich kommt jetzt keiner von den Nachbarn gegenüber aus dem Haus‘ denke ich und weiß gleichzeitig, dass es mir völlig egal wäre. Ich stelle mir die Lehne des Autositzes steiler. Zurückgelehnt zu sitzen, empfinde ich als echt unangenehm. Während der Fahrt sprechen wir wenig. Ich habe wieder die Hypnose auf den Ohren und versuche, in den Wellen tief abzutauchen. So sind die etwas ungewohnte, vorgebeugte Sitzhaltung und die Bodenwellen während der Fahrt ganz gut auszuhalten.

Im Geburtshaus angekommen, ziehe ich die Schuhe aus und gehe durch ins Geburtszimmer. M. hat dort schon eine Matte vors Bett gelegt, genau wie zu Hause. Das hilft mir dabei, anzukommen. Ich verarbeite weiter meine Wellen, die immer noch in kurzen Abständen kommen. M. ermuntert mich, es mir so bequem wie möglich einzurichten, mir die Kissen und Decken auf dem Bett so zu stapeln, dass ich in den Wellenpausen den Oberkörper ablegen kann. Kurz versuche ich, mich ins Bett zu legen, um mich ein wenig auszuruhen. Im Liegen sind die Wehen aber ungleich schwerer auszuhalten, sodass ich nach einer Wehe schon wieder im Kniestand bin. Mich im Tuch über dem Bett festzuhalten, funktioniert auch, ist aber deutlich anstrengender, als mich vor dem Bett abzustützen und so lande ich kurz darauf wieder dort auf der Yogamatte. Im Nachhinein wirklich interessant, wie ich bereits zu Hause recht kurz nach dem Geburtsbeginn mit dem Vierfüßlerstand (und leichten Abwandlungen davon) intuitiv die für mich passende Geburtsposition gefunden habe und wie ungleich viel schmerzhafter für mich alle anderen Positionen waren.

M. lässt uns weitgehend alleine. Mein Mann ist nervös, hält Abstand, wenn er mir nicht gerade etwas zu Trinken reicht oder einen Anker setzt und geht auch mehrmals raus, sodass ich zeitweise auch alleine bin. Ich komme klar, merke aber, dass die Wellen intensiver werden. M. ermutigt mich, mich in den Wellen mit den Händen in die Kissen zu krallen, um im Unterkörper besser locker lassen zu können. Und sie fragt, ob ich in die Wanne möchte. Ich nehme dankend an, weil ich merke, dass es mir zunehmend schwerer fällt, in den Wellen nicht zu verkrampfen. Das Lieblings-Schmerzmittel der Hebammen – die Badewanne – möchte ich auf jeden Fall für mich ausprobieren. M. dreht das Wasser an und lässt uns dann wieder alleine. Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, als mein Mann mir Bescheid sagt, dass die Wanne voll ist. Ich gehe noch mal schnell pinkeln – Wellen im Sitzen sind jetzt auch nicht mehr schön – und gehe dann in die Wanne. Nur nebenbei registriere ich, dass es mir völlig egal ist, dass M. neben mir steht und mit mir spricht, während ich mich komplett nackt ausziehe und in die Wanne steige. Mein Schamgefühl hat sich offenbar nicht nur hinsichtlich der Geräusche, die ich beim Wellenveratmen von mir gebe, in Wohlgefallen aufgelöst. Umso besser.

Ich knie in der Wanne, den Oberkörper auf dem Wannenrand und lege in den Wellen den Kopf auf meine Arme und atme. Die Hypnose läuft jetzt für alle hörbar über mein Handy, das im Handtuchregal neben der Wanne liegt. Die Kopfhörer hatte mein Mann weggepackt, damit sie nicht nass werden. Hin und wieder hört M. mit dem Dopton die Herztöne unseres Kindes. Einmal fragt sie mich, ob ich genug bzw. wieviel ich seit unserer Ankunft im Geburtshaus getrunken habe. Ich solle mehr trinken, lautet die Anweisung. Mein Mann füllt meine Flasche auf und ich trinke. Ich möchte auf keinen Fall verlegt werden, nur weil ich zu wenig getrunken habe und deshalb die Herztöne auffällig werden.

Irgendwann kommt J. im Geburtshaus an. Ich höre die drei draußen in der Küche reden. Ich bin alleine im Wasser. M. kommt rein und untersucht mich. Sie kommentiert das Ergebnis nicht und ich frage nicht nach. Sie fragt, ob ich möchte, dass meine Schwester rein kommt. Ich bejahe. Dann kommen mein Mann und J. rein, ich freue mich, sie zu sehen. Sie sitzen im Bad und wir unterhalten uns – in den Wellenpausen zu dritt, während der Wellen nur die beiden. Über die Hypnose sagt meine Schwester schon nach ein paar Minuten, als es im Text gerade heißt ‘Du bist eine starke Frau’ und ‘Bleib bei deinem Kind’ (oder so ähnlich) “Damit hat man ja als Hebamme nichts mehr zu tun! Ich sage den Frauen bei mir im Kreißsaal oft genau sowas!”.

Es funktioniert für mich erstaunlich gut, zwischendurch aufzutauchen, die Anwesenheit und Unterstützung meiner Geburtsbegleiter*innen wahrzunehmen und zu interagieren, um dann mit der nächsten Welle wieder tief genug abzutauchen, dass sie gut auszuhalten ist. Tatsächlich fällt es mir im Wasser sehr viel leichter, während der Wellen entspannt zu bleiben als an Land. Irgendwann kommt M. noch mal rein und fragt, wie es mir geht. Ich antworte ehrlich, dass ich klarkomme (eine Aussage, die ich die ganze Geburt über immer wieder mache, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht), aber dass die Wehen inzwischen schon echt knackig sind. Es ist mir wichtig, das so klar zu formulieren, auch für meine eigene Einschätzung. Wenn diese Intensität noch eine lange Zeit so bleibt oder noch stärker wird, kann ich mir vorstellen, dass ich an meine Grenzen komme. Aber noch ist es nicht so weit.

Gefühlt wenige Minuten später (mein Zeitgefühl ist aber sicher verzerrt) stelle ich fest, dass die Wellen sich verändern. Sie sind deutlich weniger schmerzhaft und ich spüre, wie meine Gebärmutter am Ende jeder zweiten oder dritten Welle plötzlich mitschiebt. Auch meine Atmung ist jetzt anders, während meine Muskeln aktiv nach unten schieben, klinge ich wie auf dem Klo. Ich erzähle J. und meinem Mann von der Veränderung und J. freut sich: „Ja, das ist gut!“
Keine*r der beiden sagt M. Bescheid; später erfahre ich, dass das Geburtshaus so hellhörig ist, dass sie durch die Wand die Veränderung meiner Atmung gehört hat und natürlich direkt Bescheid wusste.

Niemand macht Anstalten, mich zu untersuchen, um zu kontrollieren, ob mein Muttermund tatsächlich vollständig geöffnet ist und ich mitschieben „darf“. Ob das nun daran liegt, dass wir im Geburtshaus und nicht in einer Klinik sind oder daran, dass alle Anwesenden mir ausreichend Körpergefühl zutrauen, dass das nicht hinterfragt wird, weiß ich nicht, aber es ist gut so – ich hätte es sowieso nicht verhindern können, mein Körper macht das einfach. Die Schmerzen sind deutlich geringer als am Ende der Eröffnungsphase, gleichzeitig sind die Wellen anstrengender. Die regelmäßige Kontraktion der starken Muskeln in meiner Körpermitte bringt mich ins Schwitzen. M. nimmt irgendwann, als sie mal wieder mit im Bad ist, ein Handtuch aus dem Regal, auf dem ich meinen Kopf ablegen kann. Das ist angenehm, weil das Handtuch irgendwann vom Badewasser nass ist und meine Haut kühlt.

Meine Hebamme M. hört nun regelmäßig die Herztöne unseres Kindes mit dem Dopton ab. Sie untersucht mich und sagt, die Fruchtblase habe sich vorgewölbt, es könne gut sein, dass sie bei einer der nächsten Wehen springt. Das tut sie dann auch bei der nächsten mit einem merklichen „Plop“.

Irgendwann später untersucht M. mich dann doch noch mal, auch während einer Welle. Sie ist zufrieden und sagt, das Köpfchen komme mit jeder Wehe tiefer und bleibe auch jedes Mal tiefer stehen. Wenig (vermeintlich) unproduktives Hin-und-her also. Ich freue mich. Sie ermutigt mich, auch mal selbst zu tasten. Ich traue mich und spüre tatsächlich eine relativ harte Fläche mit Haaren in meiner Vagina, die da vorher nicht war. Ich bin überrascht – so schnell schon?

Die letzte Phase der Geburt wird noch mal eine Herausforderung für mich. M. leitet mich an, für einige Wellen ein Bein aufzustellen und mich im Tuch über der Wanne hochzuziehen. Es ist sehr anstrengend, aber produktiv. Die Dehnung in meinem Inneren wird immer stärker. Irgendwann muss ich am Ende jeder Welle weinen, ich habe das Gefühl, dass sämtliche Grenzen verschwimmen und bin komplett überwältigt. Mein Körper arbeitet fast von allein, um dieses Kind auf die Welt zu bringen. Gleichzeitig fasse ich an irgendeinem Punkt ganz klar den Entschluss, jetzt mein Kind zu gebären.

Von M. angeleitet, schiebe ich mit all meiner Kraft mit. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nicht reicht, dass der Platz und meine Kraft einfach nicht ausreichen.

„Ich hab das Gefühl, ich schaff das nicht!“, sage ich in der nächsten Wellenpause. Ein wichtiger Satz für mich. Ich hatte mir vor der Geburt vorgenommen, Überforderung nicht mit mir selbst auszumachen, sondern zu kommunizieren und bei Bedarf Hilfe einzufordern. Und die bekomme ich jetzt. Meine drei Geburtsbegleiter*innen versprechen mir, dass ich es schaffen werde, dass ich stark bin und das wirklich toll mache. Dass sie mich so bestärken, tut mir unheimlich gut.

Und dann wird der Kopf unserer Tochter geboren. Meine Hebamme M. animiert mich, danach noch etwas weiter zu schieben, aber meine Kraft lässt nach, als die Welle verschwindet.
„Ist die Wehe noch da?“, fragt M.. Ich schüttle den Kopf.
Sie atmet tief durch und sagt: „Dann warten wir jetzt gemeinsam eine Wehe ab.“ Es dauert vielleicht eine halbe Minute. Ich halte die Augen geschlossen, bin ganz bei mir. Mit der nächsten Welle wird meine Tochter E. geboren.

Ich soll mich nach hinten lehnen, setze mich in die Wanne und meine Hebamme M. hebt das kleine, weiße Menschlein hoch und drückt es mir in die Arme. Ich bin völlig überwältigt und kann nur „Hallo, hallo“ sagen, um die Kleine zu begrüßen. Sie schaut mit überraschten Augen und fängt an, zu schreien. Nicht sofort, aber nach einigen Sekunden. Ich soll aus der Wanne raus, meine Hebamme M. fragt J., ob sie die Kleine zum Bett tragen könnte. Wir sind noch immer über eine dicke, wie eine Kordel in sich verdrehte Nabelschnur miteinander verbunden.

Irgendwie steige ich aus der Wanne, M. und M. stützen mich, J. trägt E.. Klitschnass wie wir sind, legen wir uns ins Bett. Die Kleine liegt auf meinem Bauch und bekommt eine Mütze auf. Mein Mann ist neben uns und schaut sie genau so überwältigt an, wie ich. Ob erst die Plazenta geboren wird oder sie uns erst alleine lassen, um anzukommen, weiß ich nicht mehr. Mein Mann sagt mir, dass er mich liebt, was ich erwidere. Irgendwann darf er die Nabelschnur durchschneiden, nachdem diese auspulsiert ist. Die zweite Hebamme, die meine Hebamme M. nachgefordert hatte, hat es nicht zur Geburt von E. geschafft, sie hilft nur noch bei der Plazenta.

J. sitzt auf der Bettkante, schaut uns an, zeigt auf die Kleine und fragt: „Wer ist das?“
Ich sage ihr, dass das ihr Patenkind sei und sie E. heiße. Dann fangen wir beide an, zu weinen und danken einander dafür, dass wir uns ermöglicht haben, diese Erfahrung miteinander zu teilen.

Nach dem Abnabeln wird E. kurz untersucht. 48 cm, 2.860 g – ein zierliches, aber kerngesundes Mädchen. Dann darf mein Mann sie anziehen und zu sich nehmen, während ich genäht werde. Das ist noch einmal ziemlich unangenehm, sodass meine Hebamme M. mir schließlich eine lokale Betäubung setzt. Damit geht es deutlich besser.

J. hilft mir, E. das erste Mal zum Stillen anzulegen. Ich bin überrascht, wie stark sie saugt, aber J. ist zufrieden. Die Nachwehen sind unangenehm und erinnern mich – im krassen Gegensatz zu den Geburtswellen – stark an Regelschmerzen. Das und die Anstrengung der Geburt schlagen mir auf den Kreislauf, sodass mich meine Geburtsbegleiter*innen erst noch eine Weile mit Cola, Keksen und einem Quetschi hochpäppeln, bevor ich den Weg zum Auto schaffe. Und dann sitze ich da, auf der Rückbank neben der Babyschale, in der ein kleines Mädchen sitzt, das jetzt mit uns nach Hause kommt – und habe nur eine leise Ahnung davon, dass dieser kleine Mensch unser Leben ab sofort komplett auf den Kopf stellt.

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