In zwei Wochen wird unsere Tochter, die ich mithilfe der „Friedlichen Geburt“ zur Welt bringen durfte, ein Jahr alt. Heute bin ich froh, dass ich wenige Tage nach der Geburt die Zeit gefunden hatte, den Ablauf der Geburt wenigstens stichpunktartig niederzuschreiben. Denn jetzt, ein Jahr später, hätte ich sonst so manches Ereignis nicht mehr in die richtige Reihenfolge bringen können. So kann ich also nun noch ganz genau die für mich perfekte Geburt unseres zweiten Kindes erzählen und möchte mit diesem Bericht allen Frauen Mut machen, die trotz Erfahrungen sexueller Gewalt in ihrer Kindheit oder Jugend eine angst- und Trauma freie Geburt erleben möchten.
Zur Einordnung unseres Erlebnisses, ist es wichtig zu wissen, dass die Geburt unseres ersten Kindes alles andere als perfekt verlief. Ich habe unseren Sohn übertragen. Aufgrund seines stattlichen Gewichts von 4,5 Kg, welches bereits im Ultraschall erkennbar war, wurde ich zur Minimierung möglicher Risiken eingeleitet. Mir war zu dem Zeitpunkt leider nicht bewusst, dass in der Vergangenheit erlebte sexuelle Gewalt, unter der Geburt zu Retraumatisierungen führen kann und hierfür wurde ich auch leider weder durch meine eigene Hebamme noch durch die Hebammen bei der Geburtsanmeldung im Krankenhaus sensibilisiert.
Daher kam es, wie es kommen musste. Ich verließ das Krankenhaus mit einem großen Geburtstrauma und in der Ungewissheit, ob ich dieses jemals verarbeiten und ein zweites Kind würde zur Welt bringen können.
So kam es dann aber doch glücklicher Weise. 3 Jahre später stand ich also vor der Aufgabe, weder das Trauma aufgrund der erlebten sexuellen Gewalt noch das Trauma der Geburt meine mir jetzt bevorstehende Geburt negativ beeinflussen zu lassen. Ich wollte alles anders machen.
Und so investierte ich in den Kurs „die friedliche Geburt“, suchte mir eine neue Beleghebamme und versuchte bereits während der Schwangerschaft so viel Vertrauen wie möglich zu ihr und auch zu mir selbst aufzubauen. Ich nahm viele der Vorsorgeuntersuchungen bei der Hebamme wahr und berichtete ihr von Anfang an von meinen vergangenen Erlebnissen und meinen Wünschen für diese Geburt.
Die ganze Schwangerschaft über übte ich immer wieder die Hypnosen und visualisierte die für mich perfekte, angst- und schmerzfreie Geburt. Schon während der Schwangerschaft half mir die friedliche Geburt gelassen zu bleiben und in mich und meinen Körper zu vertrauen. Ich hatte zwar Respekt vor dem, was kommen sollte, aber auch die Zuversicht, dass ich es schaffen würde. In jedem Fall, da war ich mir sicher, würde es besser werden, als beim ersten Mal. Und so gelangten wir sogar zu dem Entschluss, dass wir eine Hausgeburt wagen wollten. Ich hätte dies vor dem Gespräch mit meiner Hebamme niemals in Erwägung gezogen, aber es leuchtete mir durchaus ein. Eine Hausgeburt eliminierte so viele Aspekte, die in meinem Fall potentiell Angst- und Trauma-auslösend sein konnten. Und es passte auch hervorragend zu allem, was ich bei der friedlichen Geburt gelernt hatte. Zu Hause war ich „sicher“. Nur Menschen um mich herum, denen ich absolut vertraute, und so wenig Störungen für mich im hoffentlich hypnotischen Zustand wie möglich. Und so fühlte ich mich nach den 9 Monaten Schwangerschaft gut vorbereitet und stark genug für das, was kommen sollte.
Meine Euphorie und Vorfreude bekam dann allerdings ein paar Dämpfer. Ich hatte bereits vor ET mehrmals regelmäßige Wehen, die aber immer wieder nach ein paar Stunden nachließen. Diese Fehlstarts verunsicherten mich und ließen mich kurzzeitig doch an meinem eigenen Körpergefühl zweifeln. Schließlich übertrug ich dann auch dieses Kind. Zwar sollte unsere Tochter ein normalgewichtiges Kind werden, dennoch stand auch hier nach einer Woche nach ET und schwindendem Fruchtwasser plötzlich wieder die Geburtseinleitung im Raum. Dies wollte ich unter allen Umständen verhindern. Wir starteten also mit Hilfe unserer Hebamme sanfte Geburtseinleitende Maßnahmen wie Akupunktur, Einlauf, Bauchmassage, Tees, Baden, Spazieren…
Trotzdem ließ sich unsere Tochter bis ET + 9, also einen Tag bevor eine Einleitung gestartet hätte, Zeit. Doch dann tat sich etwas.
In dieser Nacht wurde ich mehrmals durch stärkere Wehen geweckt. Als ich am nächsten Morgen wach wurde, wusste ich auf einmal ohne Zweifel, dass es heute so weit sein sollte. So unsicher ich auch durch die ganzen Fehlalarme zuvor geworden war, jetzt stellte sich plötzlich wieder diese innere Zuversicht und Sicherheit ein. Alles würde gut gehen. Ich schickte meinen Partner noch einmal einkaufen, er brachte unseren Sohn in die KiTa, organisierte die Betreuung für nach der KiTa und ich konzentrierte mich auf das, was ich in den Wochen zuvor gelernt hatte. Ich legte mich in die Badewanne, noch ohne regelmäßige Wehen aber in der Gewissheit, dass es bald losgehen würde. Ich hörte in der Wanne noch einen Podcast. Ließ mich berieseln und entspannte mich einfach.
Als dann um 10:30 Uhr der Schleimpropf abging, wusste ich, dass mich mein Gefühl nicht getäuscht hatte. Ich fühlte mich in meiner Körperwahrnehmung wieder bestärkt. Jetzt zog ich mich ins Schlafzimmer zurück und startete die Hypnose. Ca. eine Stunde später bat ich meinen Partner, zu Hause, d.h. im Schlafzimmer und im Wohnzimmer alles für eine Hausgeburt bereit zu machen. Ich verbrachte eine weitere Stunde im hypnotischen Zustand ohne ein Zeitgefühl. Mein Partner erinnert mich schließlich daran, dass wir unserer Hebamme Bescheid geben mussten, auch wenn ich betonte, sie jetzt noch nicht zu brauchen. Das war trotzdem eine gute Idee, denn unsere Hebamme befand sich zum jetzigen Zeitpunkt noch im Kreißsaal bei einer anderen Geburt. Sie versprach uns aber einen Ersatz für sich in dieser anderen Geburt zu suchen und anschließend zu uns zu kommen. Ich war unendlich dankbar für diese wundervolle Frau und sank wieder in die Hypnose ab.
Mein Partner blieb ab dem Zeitpunkt bei mir, reichte mir Wasser, massierte meinen Rücken, maß den Wehenabstand. Er tat all das, was wir zuvor besprochen hatten und es fühlte sich richtig an. Ich kniete praktisch die ganze Zeit auf dem Teppich vor meinem Bett und stützte mich vornüber gebeugt ab. Ich hatte bis hierhin zwar durchaus „Schmerzen“, aber es war absolut auszuhalten und mithilfe der Atemtechnik und der Anleitungen in der Hypnose an keinem Punkt überwältigend oder angsteinflößend.
Nach einer weiteren guten Stunde rief die Hebamme an, fragte, ob ich sie nun brauchte. Ich bejahte, stand inzwischen am Wickeltisch und lehnte mich darauf ab. Jede Wehe wurde gefolgt von starkem Zittern, das durch meinen Körper fuhr und ich tönte auch inzwischen leise. Die ganze Zeit hörte ich Kristins beruhigende Stimme aus den Kopfhörern und konzentrierte mich nur darauf. Es wurde merklich intensiver, daher war ich froh, als schließlich die Hebamme da war, um einmal nach dem Fortschritt zu schauen. Dann kam die Ernüchterung. Muttermund nur bei 3 cm. Ich war enttäuscht. Ich machte das doch alles so gut, hatte bisher keine unaushaltbaren Schmerzen, mein Körper arbeitete so heftig. Diese Kraft, die da durch meinen Körper ging, war selbst für meinen Partner spürbar. Ich hörte in einer Wehenpause, wie er mit der Hebamme darüber sprach und war verwundert darüber, wie viel von dem, was still in mir vorging, nach außen sichtbar zu sein schien. Und doch waren wir erst bei 3 cm. Meine Hebamme machte mir Mut. Vielleicht bräuchte mein Körper nur die Sicherheit, dass alles gut sei, dass es jetzt richtig losgehen dürfe. Und jetzt würde alles schneller gehen. Ich hoffte sehr, dass sie Recht hatte. Die Hebamme blieb ungefähr eine Stunde bei uns, hielt sich aber komplett im Hintergrund. Sie saß auf dem Boden neben mir, während ich stand. Half mir manchmal eine bessere Standposition zu finden, hörte Herztöne ab. Schließlich fragte sie, ob sie uns noch einmal alleine lassen dürfe. Wir machten dies so souverän und sie wohnte nur 7 Minuten von uns entfernt. Wir bejahten und so waren wir wieder alleine. Inzwischen war es halb vier am Nachmittag.
Ich hörte die Tür ins Schloss fallen und plötzlich veränderte sich etwas. Es begannen Wehen ganz anderer Intensität. Ich war verwirrt und verunsichert. Was geschah hier gerade? Es war doch bis gerade alles gut gewesen. Wir waren bei 3 cm, und jetzt fühlte sich alles plötzlich doch so viel kräftiger an. Ich fragte meinen Partner immer wieder wie lange unsere Hebamme bereits weg war. Es waren nur wenige Minuten. Auch mein Partner spürte, dass sich etwas verändert hatte, er wich mir von nun an nicht mehr von der Seite. Er trackte die Wehen. Alle 2 min. Sie waren so stark, dass ich laut tönen musste, teilweise schon eher schrie. Ich wechselte immer wieder vom Knien, zum Stehen aber fand keine gute und schmerzarme Position mehr. Ich konnte nicht mehr sitzen, klagte immer wieder über Druck. Ich ging 3 Mal in dem Glauben auf die Toilette, dass ich noch einmal Groß müsse. Es kam natürlich nichts. Dennoch waren die Wehen auf der Toilette erträglicher, weil ich quasi sitzen konnte ohne Gegendruck auf den Damm zu spüren.
Mein Partner hatte in der Zwischenzeit noch einmal, um sich und seine Einschätzung zu bestätigen, gegoogelt, dass der Druck und die Toilettengänge ein sicheres Zeichen dafür sein mussten, dass das Köpfchen sehr tief im Becken stand. Beim nächsten Verlassen der Toilette empfing er mich, ich weinte inzwischen und sagte ich hielte es nicht mehr aus. Er bestärkt mich, versucht mich noch einmal zum Laufen zu bewegen, aber es schmerzte inzwischen alles zu sehr. Wir beide waren von dem erst kürzlichen Weggang der Hebamme so beeinflusst, dass wir es nicht für möglich hielten, dass wir womöglich tatsächlich auf einmal im Endspurt angelangt waren. Ich versuchte es noch einmal im Knien, fragte wieder wie viel Zeit vergangen war, seitdem die Hebamme gegangen war. Schlappe 40 min. Es war zum Haare raufen. Ich tönte so laut bei jeder Wehe und es drückte so sehr und gleichzeitig schien die Zeit rückwärts zu laufen. Heute weiß ich, dass ich an diesem Punkt hätte auf mein Körpergefühl hören dürfen. Ich hätte mich nicht von dem kurzen Zeitraum verunsichern lassen dürfen.
Glücklicherweise entschied mein Partner schließlich das, was ich mich nicht traute. Er rief die Hebamme an, obwohl ich protestierte. Als er ihr berichtete was geschehen war und sie mich im Hintergrund hörte, machte sie sich direkt auf den Weg und gab auch gleich der zweiten Hebamme Bescheid, die zur Schlussphase einer Hausgeburt dazu kommt. Noch bevor die Hebammen da waren, platzte meine Fruchtblase, was ich daran merkte, dass mir Fruchtwasser bei jeder Wehe auf die Füße lief.
Sehr schnell waren beide Hebamme da, begrüßten mich mit den Worten „das sind doch mal andere Wehen“ und ich wurde noch einmal untersucht. Die Herztöne waren gut, der Muttermund war vollständig geöffnet und das Köpfchen stand tief im Becken. Ich hatte mich also nicht geirrt, mein Körper hatte es innerhalb von 40 Minuten geschafft. Wahnsinn. Meine Hebamme half mir kurz mit einer Atemanleitung, weil ich drohte panisch zu werden.
Ich versuchte es auf Anregung hin in Seitenlage und bemerkte in den kurzen Wehenpausen wie von der zweiten Hebamme alles vorbereitet wurde: Heißes Wasser, Handtücher und Vorlagen wurden bereitgelegt. Ich weiß noch wie ich dachte, dass diese zweite, mir gänzlich unbekannte Hebamme solch eine angenehme Ruhe ausstrahlte. Wieder eine Wehe. Dann fragte ich, was ich tun solle: Tönen? Pressen? Atmen? Meine Hebamme sagte mir, ich solle es nach meinem Gefühl machen, es sei alles richtig, wenn es sich so anfühle. Also begann ich bei der nächsten Wehe leicht mitzuschieben, aber nicht zu pressen. Ich spürte wie Stuhl abging und ich sofort sauber gemacht wurde. Zu meiner Überraschung war es mir absolut nicht unangenehm. Ich dachte nur immer wieder „loslassen“. So, wie ich es in der Vorbereitung mit der Friedlichen Geburt gelernt hatte.
Ich spürte, wie mir warme Kompressen auf den Damm gedrückt wurden. Darum hatte ich im Vorhinein gebeten. Ich grub meinen Kopf in den Schoß meines Partners und wir hielten uns bei den Händen. Ich tönte sehr laut und die
Hebamme versicherte mir, dass es gleich geschafft sei, das Baby würde jetzt kommen.
Nach der nächsten Wehe verharrte der Kopf des Babys im Becken kurz vorm Durchbruch nach draußen. Es brannte und schmerzte unheimlich. Wieder sprach mir meine Hebamme Mut zu und bestätigte mich in meinem Empfinden, dass sie wüsste, dass das jetzt gerade verdammt weh täte. Ich fühlte mich ernst genommen. Im Nachhinein erklärte man mir, dass diese kurze schmerzhafte Pause sehr wahrscheinlich der Grund war, warum glücklicherweise nichts einriss.
In der nächsten Wehe hörte ich ein „Trau dich“ von der Hebamme und ein „Du schaffst das“ von meinem Partner und ich gab ganz leicht Druck. Der Kopf war geboren.
Unser Baby schrie schon, da war ihr Körper noch nicht geboren.
Da sie sich aber sofort in die richtige Endposition drehte, musste gar nicht mehr auf die nächste Wehe gewartet werden. Ich sollte lediglich noch einmal mitschieben und dann wurde unsere Tochter einfach aus mir herausgezogen.
Um 16:55 Uhr, ca. 15 Minuten nach dem erneuten Eintreffen der Hebammen und nur rund 1 1/2 Stunden nach dem demotivierenden „Muttermund auf 3 cm“ lag unser Baby geboren und rosig vor mir. Wahnsinn.
Mir wurde hochgeholfen ins Sitzen, ein warmes Handtuch wurde über unsere Tochter gelegt. Mir liefen Tränen über die Wange, ich schaute meinen Partner an und sagte „ich hab’s geschafft, ich hab das wirklich zu Hause geschafft“. Ich bin noch heute unendlich stolz auf uns.
Mein Partner nahm unsere Tochter hoch und legte sie mir noch mit verbundener Nabelschnur auf den nackten Oberkörper. 5 Minuten später sollte ich direkt noch einmal schieben und husten und schon war auch die Plazenta geboren. Ohne Schmerz, ohne Pressen. Mein Partner schnitt die Nabelschnur durch, ich wurde saubergemacht und die Hebammen verließen erst einmal das Zimmer und ließen uns mit unserem Wunder allein.
Auch wenn die letzten 1 ½ Stunden doch sehr schmerzhaft waren und ich in dieser letzten Phase der Geburt nicht in die Hypnose zurückgefunden habe, empfinde ich diese Geburt als absolut perfekt. Mehr hätte ich mir nicht zu träumen vermocht, unter diesen Umständen und bei meinen Voraussetzungen. Ich bin meinem Partner, meinen Hebammen und auch dir, Kristin, unendlich dankbar. Danke für die Zuversicht und das Selbstvertrauen, das mir die friedliche Geburt geschenkt hat.