Liebe Kristin, liebes DFG-Team,
Zuallererst möchte ich Euch danken, dass Ihr so einen tollen und hilfreichen Job macht. Ich habe Ende September 2022 meine wunderschöne Tochter selbstbestimmt im Krankenhaus zur Welt gebracht.
In den letzten Wochen sind mir immer wieder ein paar Dinge eingefallen, die mich nun dazu veranlassen, einen Geburtsbericht zu schreiben und mit Euch zu teilen.
Vielleicht ist der Bericht ja etwas für einen von Kristin‘s kommentierten Geburtsberichten. Ich glaube, er kann vor allem den Frauen Mut machen, denen es eher schwer fällt, die Kontrolle abzugeben, loszulassen, in Hypnose zu kommen und zu bleiben.
VBAC selbstbestimmt im Krankenhaus
Zuerst zu mir. Ich heiße Yasmin und bin mittlerweile Mama von zwei Kindern. Schon während der Schwangerschaft mit meiner ersten Tochter in 2020 habe ich Kristins Podcast gehört um mich auf alles was kommt, vorzubereiten. Die Geburt war eine sekundäre Sectio aufgrund von Komplikationen während der Geburt, die ich jedoch in Ordnung, gerechtfertigt und nicht als traumatisch empfunden habe.
Generell fällt es mir eher schwer, abzuschalten, zu meditieren und in Hypnose zu kommen. Allerdings habe ich mich aufgrund der Erkenntnis, dass mir Hypnosen extrem helfen, meine Muskeln zu entspannen (z.B. bei Rückenschmerzen die Körpermeditation) dazu entschlossen, in der zweiten Schwangerschaft den Kurs zu buchen. Zusätzlich hatte ich auch die Hoffnung, dass ich die Schwangerschaft mit Hilfe des Kurses etwas unbeschwerter erlebe, da ich aufgrund von negativen Erfahrungen (Eileiter-Schwangerschaft mit Not-OP und eine Fehlgeburt in der nächsten Schwangerschaft – beides in 2019) immer wieder negative Gedanken und Ängste hatte.
Zusätzlich fand ich es auch einfach spannend, die Methode zu erlernen und zu testen.
So fing ich ab etwa SSW 16 an, mich mit dem Online-Kurs vorzubereiten. Die Übungen und Hypnosen waren für mich jedesmal eine kleine Auszeit vom Alltagsstress. Trotzdem habe ich mich beim Üben oft gefragt, ob ich überhaupt in Hypnose bin. Meine Schwangerschaft verlief glücklicherweise nahezu komplikationslos. Und nachdem die anfängliche Diagnose einer Placenta praevia aus der Welt geräumt war, war ich mir sicher, dass ich meine Tochter spontan auf die Welt bringen möchte bzw. es auf jeden Fall wieder zu versuchen.
Aufgrund einer Schwangerschaftsdiabetes und etwas wenig Fruchtwasser ab Woche 38, wurde mit dem Krankenhaus ein Termin zur Einleitung am ET vereinbart. Ab diesem Zeitpunkt startete ich mit der Hypnose „Geburtsbeginn mental fördern“ und war bei meiner Hebamme zur geburtseinleitenden Akupunktur. Zusätzlich hörte ich vermehrt die Hypnose “Traumgeburt visualisieren“ und stellte mir darin eine spontane Geburt ohne Einleitung vor, die entspannt an einem Tag beginnt, an dem mein Mann zu Hause ist (er ist berufsbedingt an 3 Tagen der Woche verreist).
SSW 39+3 – ich spürte am Tag vorher schon einen deutlichen Druck nach unten und dann ging es los. Etwa gegen 4 Uhr in der Nacht hatte ich einen Blasensprung. Da dies nicht wie im Film ablief mit einem riesigen Schwall an Fruchtwasser, war ich mir anfangs nicht ganz sicher. Mein Mann war an diesem Tag tatsächlich zu Hause, aber ich entschied mich dazu, erstmal duschen zu gehen und ihn noch etwas schlafen zu lassen. Der Tag könnte schließlich anstrengend werden. Unter der Dusche spürte ich ich bereits Kontraktionen, deswegen legte ich mich anschließend nochmal ins Bett und startete die Hypnose „Während der Geburt“. Ich freute mich, dass es nun losging und die Hypnose empfand ich als entspannend und unterstützend. Ein bisschen, als hätte ich eine Freundin an meiner Seite, die meine Hand hält und mich leitet.
Trotzdem hatte ich viele Gedanken und ToDos im Kopf, die mich daran hinderten, komplett loszulassen. Partner wecken, Kind wecken, Frühstück machen, Taschen packen usw. usw.
Gegen 6 Uhr weckte ich meinen Mann, 1 h später unser Kind. Anstatt wie geplant die Hypnosen zu hören, bereitete ich gemütlich das Frühstück vor und packte die Kliniktasche fertig. In diesem Moment war mir total wichtig, dass meine kleine Tochter mich ganz normal und nicht irgendwie angespannt abgelenkt oder unter Schmerzen wahrnimmt. Während meine 2-jährige gegen 7.30 Uhr fröhlich ihren dritten Teller Müsli löffelte, gab ich meinem Mann Bescheid, dass die Kontraktionen nun schon sehr regelmäßig und stark waren und wir bald los sollten. Die Bauchatmung, die ich fleißig geübt hatte, funktionierte sehr gut und ich empfand den Gegendruck, der dadurch entstand, als angenehm.
Nachdem wir die Kleine zu Ihren Großeltern / meinen Eltern gebracht hatten, fing ich im Auto wieder an, die Hypnose „Während der Geburt“ zu hören. Die etwa 45-minütige Fahrt ins Krankenhaus konnte also losgehen. Wir hielten nochmal kurz beim Bäcker an, um uns für den Kreißsaal einzudecken. Ich warte im Auto und nehme ein Video auf, das ich meiner Mutter schicke mit der Bitte, dieses vorzuspielen, wenn meine Tochter traurig ist. Ich erkläre in dem Video, dass alles ok ist, ich aber noch etwas im Krankenhaus bleiben muss, aber sobald ich kann wieder bei ihr bin. Solange soll sie sich mit Oma einen schönen Tag machen.
Während der Fahrt erinnere ich mich, dass ich irgendwann die Augen öffnete und zum ersten Mal der Gedanke in mir aufkam, dass es vielleicht knapp werden könnte. Wir standen auf der Autobahn im Stau und die Kontraktionen kamen in sehr kurzem Abstand, teilweise ohne Pause. Endlich am Krankenhaus angekommen, dauerte es eine ganze Weile, bis wir am Empfang waren, da ich bei jeder Welle stehen bleiben musste, um mich zu konzentrieren und zu atmen. Die Anmeldung dauerte eine ganze Weile, weil sehr viel los war. Im Nachhinein erzählte mir mein Mann, dass er auch noch bei meiner Krankenhaus-Zusatzversicherung angerufen hat, um ein paar Dinge zu klären. Er meinte, ich wirkte entspannt und es kam ihm so vor, als wäre dafür noch genug Zeit.
Ich saß währenddessen, im Vorraum der Klinik, mit geschlossenen Augen und der Hypnose auf den Ohren. Wenn ich einmal abgelenkt war, empfand ich die Wellen als sehr stark. Im konzentrierten Zustand war es gut auszuhalten. Ich fühlte mich gut begleitet mit der Hypnose, konzentrierte mich auf die Bauchatmung und visualisierte, wie sich der Muttermund öffnet.
Im Kreißsaal angekommen, wurde ich an das CTG angeschlossen. Wir wurden informiert, dass der Kreißsaal total überlastet sei und wir gegebenenfalls etwas warten müssen. Die etwa 45 Minuten am CTG, wie ein dicker Käfer in Rückenlage, fand ich fürchterlich. Mein Partner versorgte mich immer wieder mit Trinken. Essen konnte ich nichts. Der Corona-Test anschließend war für mich störend und brachte mich kurz total raus. Die Untersuchung der Hebamme ergab, dass der Muttermund 4 cm geöffnet sei.
Wir wurden in einen Kreißsaal gebracht. Es war nun etwa 11 Uhr. Dort angekommen, ging ich gleich zu Beginn auf die Toilette, um mir etwas anderes anzuziehen. Dort merkte ich, dass sich etwas veränderte. Ich hatte das Gefühl, pressen zu müssen und die Bauchatmung war nicht mehr hilfreich. Ich bat meinen Partner, die Hebamme zu informieren. Kurz hatte ich den Gedanken, dass etwas krampflösendes gut wäre. Ich fühlte mich überrumpelt, da die Bauchatmung nicht mehr half und das neue Gefühl und die Höhe der Wellen drohte, mich umzureißen.
Den Gedanken an ein Medikament hatte ich aber bei der nächsten Welle schon wieder vergessen. Ich stand an einer Sprossenwand, hielt mich dort mit meinen Armen fest und versuchte, mich auf das neue Gefühl einzulassen und zu entspannen. Die Untersuchung der Hebamme ergab, dass der Muttermund nun komplett offen sei. Es wurde ein Arzt dazu gerufen. Als die Ansage kam, dass ich bei der nächsten Welle mit schieben darf, freute ich mich unglaublich, bald mein Baby zu sehen, allerdings war ich auch kurz frustriert, da ich mich wieder in Rückenlage, an ein CTG angeschlossen, befand. In Rückenlage wollte ich eigentlich auf gar keinen Fall gebären. Aber es war, wie es war und ich versuchte, mich wieder zu konzentrieren.
Die Hebamme lobte mich und erklärt mir, dass ich ganz intuitiv die Atmung angepasst hätte. Stotternd auf F oder Sch auszuatmen, fühlte sich für mich richtig an. Zu dieser Zeit hörte ich keine Hypnose mehr. Die Kopfhörer hatte ich leider irgendwo verloren. Trotzdem hatte ich mich mental wieder gefangen. Von den angeblichen lauten Schreien des Kreißsaals nebenan bekam ich überhaupt nichts mit. Ich war tief bei mir selbst und bei meinem Baby.
Kurz vor 12 Uhr wurde der Kopf geboren. Ich empfand dies als extremen Druck und starke Dehnung. Nachdem der Kopf zu sehen war, blieben die Wellen aus… nichts passierte mehr. Der Arzt und die Hebamme besprachen sich kurz und erklärten uns, dass wir eine Saugglocke verwenden müssen, wenn keine Kontraktion mehr kommt. Ohne Welle probierte ich, weiter zu pressen. Ich gab alles! Einige Sekunde später hörte ich den überraschten Ruf des Arztes, als der gesamte Körper kam. An dieses „Jaaaaa!“ und den Tonfall kann ich mich noch genau erinnern. Und jedes Mal bekomme ich eine Gänsehaut. Unser Baby war geboren.
Ich durfte sie in die Arme nehmen. Ein unbeschreibliches Gefühl, in diese schlauen dunklen Augen zu blicken. Nach dem Auspulsieren konnte mein Partner die Nabelschnur durchtrennen.
Da die Plazenta nicht von alleine kam, musste eine Ocytocin- Infusion gelegt werden. Während ich genäht wurde, durfte mein Partner beim Apgar zusehen und unser Baby halten und bestaunen.
Beim Pressen ohne Kontraktion am Ende der Geburt, hatte ich bereits gemerkt, dass etwas in mir gerissen war. Die Verletzung konnte mit ein paar Stichen genäht werden und war nicht weiter schlimm.
Nach dem Apgar legte ich mein Baby das erste Mal an. Wir hatten es geschafft.
Ein paar Tage nach der Entbindung erzählte mir meine Mutter, dass sie überzeugt davon war, dass wir im Krankenhaus weg geschickt werden. Sie meinte, ich wirkte so entspannt an dem Tag, als würde ich zu einem Friseurbesuch aufbrechen.
Meine Schwester erinnerte mich vor Kurzem an den Satz, den ich ihr ein paar Stunden nach der Geburt schrieb, nachdem sie sich nach der Geburt erkundigte: „Kein Waldspaziergang, aber irgendwie machbar“.
Ich weiß, dass ich vieles hätte besser machen können. Mehr loslassen, weniger organisieren, meinen Partner besser einweihen und einbringen. Trotzdem bin ich glücklich und zufrieden damit, wie es gelaufen ist und der Tag bleibt für mich für immer als wunderbares und selbstbestimmtes Ereignis in meiner Erinnerung.