Geburtsbericht von

Astrid

April oder Mai-Baby?
Die Spannung steigt. Insgeheim hoffe ich immer noch auf ein kleines Mai-Baby. Es ist Ende April und ich habe schon sehr oft gedacht, heute geht es los. Die Ärztin hat standardmäßig Ende April errechnet, meine Zyklus-App eine Woche später, den 6. Mai. Seit der Corona-Infektion Anfang April bin ich mehrmals davon überzeugt, dass es in den nächsten Tagen losgeht. Wie schon bei meinem ersten Baby fällt es mir schwer, einzuordnen, ob es Übungswehen oder Senkwehen sind. Sie kommen und gehen.

Auch vor meiner ersten Geburt habe ich Entspannungsübungen und Yoga gemacht, unter der Geburt versucht, für mich zu sein und innerlich ruhig und positiv zu bleiben. Das hat auch gut funktioniert. Erst in der 32. SSW der 2. Schwangerschaft habe ich mich dann doch entschieden, den Kurs “Die friedliche Geburt” zu kaufen und die Meditationen geliebt. Im Mutterschutz habe ich mich auf den Balkon in die schon warme Sonne gesetzt und meditiert. Abends bin ich regelmäßig mit der Einschlaf-Meditation eingeschlafen. Nebenbei habe ich die Kurseinheiten absolviert, allerdings konnte ich mit einem gerade zweijährigen, großen Kind nicht regelmäßig einem Übungsplan folgen oder zu gleichen Tageszeiten Übungen machen, sondern immer so, wie es passte.

Die Tage vergehen und irgendwann ist klar: es wird tatsächlich ein Mai-Baby. Ich bin gespannt und entspannt. Von mir aus kann es jetzt losgehen, ich freue mich auf die Geburt, hoffe, dass rechtzeitig jmd. da ist, um auf das große Kind aufzupassen. Dank der Meditationen gehe ich zuversichtlich in die Geburt, bin sicher, dass alles irgendwie gut laufen wird. Das CTG ist noch unauffällig. Der Muttermund ist laut Frauenärztin schon bei 2 cm, wohl nicht unüblich bei Mehrgebärenden.

Und es soll dann auch nicht mehr so lang dauern. Nachts gegen 2 Uhr wache ich auf und merke einmal mehr, dass sich etwas tut oder vermeintlich etwas tut. Die Wellen kommen etwa alle 8 bis 10 Minuten. Um 5 Uhr schreibe ich einer Freundin, dass ich seit Stunden wach bin, das Baby fleißig turnt und meine Blase bearbeitet und mir schlecht ist. Ich nicke noch mal ein. Am Morgen spüre ich die Wellen alle paar Minuten, aber nicht so doll. Mir ist aber sehr schlecht. Die Wellen kann ich entspannt begleiten. Wird es nun endlich losgehen?

Am Vormittag gehe ich in die Badewanne, die Wellen beruhigen sich und es passiert nichts. Also doch Fehlalarm? Nach dem Baden lege ich mich ins Bett und habe Wellen im Abstand von zehn bis zwölf Minuten. Schlafen geht aber nicht mehr, stattdessen bekomme ich Lust auf “Döner”. Ich beschließe, einen Spaziergang zu machen. Ich brauche sowieso noch etwas aus dem Supermarkt und will noch einen Corona-Test machen. Leider umsonst, wie sich später rausstellen wird. Im Krankenhaus müssen wir trotzdem noch mal einen machen, auch wenn darum gebeten wurde, ihn vorher zu machen. Zum Mittag holen mein Partner, der im Home Office ist, und ich uns dann tatsächlich Döner mit Knoblauchsoße. So richtig glaube ich wohl doch nicht, dass es nun endlich losgehen soll. Denn wie oft hatte ich dieses Gefühl in den letzten Tagen. Seit dem Vormittag habe ich meinen Zettel und Stift parat liegen und schaue auf die Abstände zwischen den Wellen. Lang sind die Wellen selbst auf jeden Fall noch nicht, etwa 30 bis 45 Sekunden und auch noch nicht so intensiv.

Am frühen Nachmittag überlege ich, zur Ablenkung noch irgendetwas bei Netflix zu gucken, tue es dann auch. Kurz vor 15 Uhr beschließe ich dann aber doch, dem Opa Bescheid zu geben. Er braucht etwa zwei Stunden bis zu uns und wird im Fall der Fälle auf das große Kind aufpassen. Während mein Partner zur Kita fährt, zähle ich nun relativ regelmäßig alle fünf Minuten Wellen. Diese lassen sich entspannt veratmen. Ungern will ich zu früh im Krankenhaus sein (wie beim ersten Kind). Eine Stunde später rufe ich dann doch mal im ausgewählten Krankenhaus an. Es liegt nur drei Kilometer entfernt, aber wir haben kein Auto. Die Hebamme sagt, ich solle mich auf den Weg machen, rät mir vom Taxi ab und sagt, ich solle einen Krankenwagen rufen bzw. unter 112 einen Krankentransport anfordern. Das klappt natürlich nicht, die Dame am Telefon schickt einen normalen Rettungswagen. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, da ich mich nicht in einer akuten Notsituation fühle.

Relativ schnell ist der RTW da, ich gucke ein wenig gequält. Der Sanitäter wundert sich aber, dass ich noch alleine gehen kann. Draußen kommen gerade mein Partner mit Kind. Es freut sich über den Krankenwagen und will auch mitfahren, versteht so zum Glück aber, dass Mama nicht einfach weg ist, sondern das Baby nun kommt. So zumindest die Hoffnung. Die Fahrt ist unangenehm, ich liege auf der Trage seitlich, alles wackelt. Ein bisschen ist da auch die Peinlichkeit, mit dem Krankenwagen zu fahren – eventuell unnötigerweise. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich seit mittags, meinen kleinen in-ear-Kopfhörer im rechten Ohr, höre immer wieder die Geburtsmeditation. Auch im RTW, in dem mich der Sanitäter fragt, was ich im Ohr habe. Ich erkläre ihm, dass ich meditiere, finde aber nicht schlimm, mit ihm zu sprechen. Ich glaube, im Krankenwagen setzen die Wellen aus oder ich merke es nicht, weil das Auto so sehr wackelt. Ich höre die Meditation weiter und atme ruhig. Im Hintergrund nehme ich das Martinshorn wahr.

Als wir im Krankenhaus ankommen, fragt der Sanitäter mich: “Sie hatten jetzt während der Fahrt aber keine Wehen, oder?”. Ich weiß es selbst nicht so recht. Er schiebt mich in den Kreißsaal. Die Hebamme und Hebammenschülerin sind sehr nett. Es scheint nicht so viel los zu sein, sie sind sehr entspannt und beruhigen mich auch, dass es normal ist, wenn die Wellen mal aussetzen, bei der “Aufregung” und dem Ortswechsel. Ich komme in Ruhe an, werde noch mal zur Ärztin in ein Untersuchungszimmer geschickt. Sie macht einen Ultraschall und befindet alles für sehr in Ordnung. Zurück im Kreißsaal mache ich auf meinen Wunsch noch einen Einlauf. Ich habe es bei der ersten Geburt (Steißgeburt) auch schon gemacht und als angenehm empfunden, zu wissen, dass der Enddarm leer ist. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass der Muttermund nach den ganzen Wellen immer noch bei 2 cm ist und stelle mich auf eine lange Nacht ein. Ich texte meinem Mann, er könne sich Zeit lassen, könne mit dem großen Kind noch Abendbrot essen. Ich habe jetzt Sorge, dass es zu früh war. Jetzt sind die Wellen natürlich nicht mehr so stark und ich kann sie gut mit der Atmung begleiten. Ich quatsche zwischen den Wellen ein bisschen mit der Hebammenschülerin, obwohl ich eigentlich gesagt habe, dass ich meditieren will. So ganz komme ich aber nicht aus meiner Haut als Quasselstrippe.

Mein Mann kommt gegen 18.30 Uhr an, als ich gerade in die Wanne steigen will. Das Wasser kommt mir sehr warm vor, ist aber auf jeden Fall angenehm. Kurzzeitig fühlt es sich an, wie in einem Wellness-Hotel oder wirkt so, wenn ich heute die Fotos angucke. Ich entspanne zwischen den Wellen in der pinken Badewanne. Darüber ein beruhigendes Foto mit einer überdimensionalen Klatschmohnwiese an einer fliederfarbenen Wand, der Mohn leuchtet altrosa. Die Hebammen haben ein Tablett mit Joghurt, Bananen, Äpfeln, Gummibärchen und Keksen gebracht. Kaffee für den werdenden Zweifachvater.

Irgendwann nach 19 Uhr setzte ich meine größeren Noise Cancelling-Kopfhörer auf, die Wellen werden intensiver. Ich höre jetzt die Meditation und unterhalte mich nicht mehr. Mal mit dem Rücken hinten angelehnt, mal die Arme vorn auf dem Beckenrand, mal aufrecht sitzend. Ich kann in der Wanne gut der Meditation folgen und die Wellen veratmen. Auf den Fotos, die ich meinen Partner gebeten habe zu machen, wenn er gerade nichts anderes tun kann, sieht es schon so aus, als wenn es auch anstrengend ist.

Gegen 20 Uhr verändert sich etwas, die Wellen fühlen sich anders, stärker, vielleicht auch etwas stechend/drückend an. Ich weiß noch, wie ich denke, wenn das jetzt so intensiv bleibt und das so die ganze Nacht geht, dann “schaffe ich das nicht.” Ich habe das Gefühl, mal aus der Wanne zu müssen, um die Position zu ändern. Auch der Hebamme ist das ganz recht, da sie nun doch mal ein CTG schreiben will. Ich kann mich nicht mehr erinnern, aber ich komme irgendwie zwischen zwei Wellen aus der Wanne. Die Hebamme sagt dann den entscheidenden Satz: “Sie drücken doch schon.” Das legt einen Schalter in meinem Kopf um, achso, wenn jetzt schon die Press-Phase kommt, dann ist ja alles in Ordnung.

Die Hebamme meint dann, ich solle ruhig ein bisschen “schreien”, damit die Kraft nicht komplett ins Pressen geht. Es ist wohl noch die Übergangsphase. Die Muttermundöffnung ist aber gar nicht noch mal Thema. Ich bin dann erst mal im Vierfüßler auf dem Bett. Aus der Meditation komme ich jetzt leider raus bzw. denke nicht daran, die Meditation für die 2. Phase anzumachen oder habe vermutlich in dem Moment nicht das Gefühl oder Bedürfnis, sie hören zu wollen. Ich denke nur hinterher, hätte ich gewusst, dass es schon diese Phase ist, wäre ich vielleicht doch im Wasser geblieben und hätte probiert, dort weiterzumachen.

Die Fruchtblase ist noch ganz, platzt dann etwas später auf dem Bett. Das nimmt ein bisschen Druck raus. Ich darf nun auch Pressen. Vom CTG an meinem Bauch bekomme ich nichts mit. Dem Baby geht’s aber offenbar gut, denn ich höre nichts anderes. Die Hebammen lassen mich machen. Irgendwann sind neben der Hebammenschülerin, auch die Hebamme und die Ärztin gekommen. Ich bekomme davon aber nicht so viel mit. Ich bin ganz bei mir, töne jetzt doch etwas lauter und presse eben bei jeder Welle. Mir hilft es, das Pressen auch geräuschvoll zu unterstützen. Wie beim Sport. Wie schon bei der ersten Geburt fühlt es sich ein bisschen so an, als würde ich Groß machen.

Irgendwann schleicht sich schon das Gefühl ein, es könnte jetzt langsam mal vorbei sein, aber ich weiß ja, dass es nun nicht mehr so lange dauern dürfte, was mich motiviert. Irgendwann rutscht mir auch wieder der Satz “Ich kann nicht mehr” raus, auch wenn ich “noch kann”, aber es hilft mir einfach, das zu behaupten. Die Hebammen motivieren mich, sagen mir irgendwann, ich könne mal das Köpfchen fühlen. Auch das gibt noch mal Kraft und ist ein schöner Moment. Rational wie ich bin, denke ich aber auch, toll, dass ich das mit dem Köpfchen anfassen auch erleben kann, so wie ich es vorher gelesen habe. Da mein erstes Kind mit dem Po zuerst geboren wurde, gab es diesen Moment bei der ersten Geburt nicht.

Ich bin sehr froh, dass mein Mann da ist. Auch wenn ich unter der Geburt nicht angefasst oder gestreichelt werden möchte. Irgendwie möchte ich das lieber “allein” / ganz bei mir machen. Dennoch bin ich dankbar, ihn um mich zu wissen und dass auch die Hebammen da sind. Ich kann mir in dem Moment und auch danach nicht so richtig vorstellen, wie ich es ganz allein gemacht hätte – ohne motivierende Worte oder Ideen für die Position. Ich liege jetzt auf der linken Seite, meine Hände krallen sich an einem Griff und einer Stange am Bettrand fest. Eine Hebamme stützt mein rechtes Bein, dass ich hochhalte. Während der Wellen versuche ich, so stark wie möglich zu drücken. Danach zittert mein Körper. Die Presswellen fühlen sich für mich auch mehr oder weniger automatisch an, der Körper leitet mich an. Ich versuche, mich während der Pausen zu erholen.

Ein paar Presswellen später ist das knapp 4-Kilo-Baby dann tatsächlich schon da. Rot-blau gefärbt mit geschlossenen Augen, gar nicht blutig und mit einer sehr dicken Nabelschnur. Es ist erst kurz vor 20.30 Uhr. Nie hätte ich zwei Stunden zuvor gedacht, dass es dann doch so schnell geht.

Schnell wird das Neugeborene mir auf die Brust gelegt, es schreit ein bisschen und wir kuscheln. Keine 15 Minuten später wird auch die Plazenta geboren, ich erinnere mich nicht richtig, aber ich denke, sie haben ein bisschen nachgeholfen durch Ziehen an der Nabelschnur. (Später stellt sich raus, dass der Mutterkuchen nicht komplett ist, vor der geplanten Ausschabung kommt der Rest aber doch noch von allein heraus.) Eine kleine Geburtsverletzung hat es leider gegeben, die auch genäht werden muss. Währenddessen erlebe ich auch das “Brustkrabbeln”, das Baby krabbelt an mir hoch auf der Suche nach der Brust. Immer wieder Momente zum Staunen.

Rückblickend bin ich glücklich und sehr dankbar für diese Geburt. Etwa vier Stunden nach Eintreffen im Krankenhaus hielt ich das Baby schon in den Armen. Die Hebammen waren dem Meditieren gegenüber sehr offen, kannten diesen Wunsch auch schon. Sie haben sehr geholfen, ohne dass ich mich “gestört” gefühlt habe. Im Gegenteil, ich habe mich sehr wohlgefühlt. Wir hatten wohl auch großes Glück, dass im Krankenhaus an diesem Tag nicht viel los war. Dadurch, so mein Eindruck, war das Team auch sehr entspannt und konnte bei Bedarf ganz für uns da sein. Alle sind auch sehr behutsam vorgegangen, haben gefragt, ob sie mich anfassen dürfen etc.. Ich bin auch froh, dass ich meinen Mann gebeten habe, wenn möglich, Fotos zu machen. So kann ich mich jetzt, Monate später, und hoffentlich noch lange, besser erinnern und sogar sehen, wie das Baby im Moment der Geburt aussah. Wenn ich heute diese Fotos sehe, denke ich dankbar und voller Glücksgefühle an die Geburt zurück. Ich bin mir sicher, dass Entspannung, Yoga und der Kurs dabei geholfen haben, so eine schöne, kraftvolle Geburt zu erleben. Dafür ein großes Dankeschön!

(Übrigens höre ich auch jetzt, Monate später, immer noch total gern die Meditationen, zum Beispiel zum Einschlafen etc. – wenn auch leider nicht mehr so oft wie in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt. Das Baby ist bis heute super ausgeglichen mit viel Urvertrauen und ich möchte mir einbilden, dass es auch ein bisschen an positiven Begleitung der Geburt liegt.)

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